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Abstract

Nachdem das Heft 4.1 (2015) dem Thema „Erzählen und Lüge / Narrative and Lies“ gewidmet war, geht es im aktuellen Heft 4.2 um „Erzählen und Wahrheit / Narrative and Truth“. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Wahrheitsanspruch einer Erzählung und ihrer narrativen Form? Ermöglicht die narrative Form allererst bestimmte Typen wahrheitsheischender Diskurse oder verhindert sie im Gegenteil authentische wahre Rede?

Johannes Stephan unterscheidet am Beispiel des arabischen Reisebuchs (1764) des Syrers Ḥanna Dyāb Reisebücher, die vorgegebenes Wissen wiedergeben, von solchen, welche die Erlebnisse des Reisenden als Erlebnisse quasi vor Augen stellen wollen. Zu dem zweiten Fall gehört Dyābs Reisebuch, das durch Verfahren der Fokalisierung die Erlebnisse des Reisenden nicht nur bezeugen, sondern vergegenwärtigen soll.

Mit Bezug auf aktuelle Werke diskutieren Evelyn Chew und Alex Mitchell ein ähnliches Problem, nämlich den jeweiligen Wahrheitsanspruch unterschiedlicher nicht-fiktionaler Genres von Ego-Dokumenten, die eine Interaktivität mit dem Leser vorsehen. An drei Einzelbeispielen werden subjektive und objektive Legitimationsstrategien für eine Autobiographie, ein biographisches docugame und ein videobasiertes web documentary untersucht.

Vor dem Hintergrund philosophischer Diskussionen zur „epistemischen Valenz des Erzählens“ und eines Rekurses auf die aristotelische Poetik unterscheidet Malte Dreyer kausale, teleologische und holistische Kohärenzbildung narrativer Texte und erläutert damit unterschiedliche Geltungsansprüche philosophischer Kontraktualismustheorien.

In der Rubrik „My Narratology“ antwortet diesmal James Phelan auf unsere Fragen nach seinen persönlichen Vorstellungen über die Narratologie. Er beschreibt seine eigene Haltung als „theorypractice“ und plädiert für ein Verständnis von Erzählen als „rhetorical action“.

Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine anregende Lektüre!

Veröffentlicht

03.12.2015