Ursula Kocher

Krankheit aus der Distanz

Alfred Döblins frühe Erzählungen als narrative Notate krankhafter Existenzen

Alfred Döblin’s early short story volume Die Ermordung einer Butterblume und andere Erzählungen has often been considered an example of the interlocking of his medical and his literary work. With the writer’s “Berliner Programm” and his cinematic writing style in mind these two fields intertwine in the search for an adequate language and a suitable narrative style to describe perception disorders. Rather than focusing on the detection of a specific disease pattern, a narratological approach to selected short stories reveals Döblin’s strategies to turn the reader into a close observer of the abnormal conditions described in the texts, while at the same time denying him the possibility to come to a precise conclusion. Based on Genette’s theory the paper detects two categories – modus and pace – as the writer’s means to create notations of mad and deranged conditions.

1. Die Ermordung einer Butterblume und andere Erzählungen (1912)

Hand in Hand mit medizinisch-klinischer und wissenschaftlicher Arbeit und philosophischer Beschäftigung literarische Tätigkeit lebhafter 1901 einsetzend, jahrelang hinter der konkurrierenden andern zurücktretend, erst in den letzten Jahren im Vordergrund der Tätigkeit. Nach einem nicht publizierten lyrischen Roman (Die jagenden Rosse 1901), 1902/03 ein zweiter streng stilisierter Roman (Der schwarze Vorhang), der später im Sturm abgedruckt wurde. 1906 der Einakter Lydia und Mäxchen bei Joh. Singer Straßburg, Elsaß. 1907 ein musikphilosophisches Buch Gespräche mit Kalypso über die Musik, teilweise im Sturm publiziert. 1908 ein nicht publizierter Einakter Komteß Mizzi. Eine Anzahl Essays, Bemerkungen, Kritiken in den Zeitschriften Her[warth] Waldens, bes[onders] Der Sturm, dort auch erster Abdruck einiger der bis 1903 zurückreichenden Novellen, die 1912 bei Georg Müller München (Ermordung einer Butterblume) herauskamen. (Döblin 1986a, 13)

Auf diese Weise skizzierte Alfred Döblin 1917 seinen bisherigen Werdegang für die Neuauflage des von Franz Brümmer herausgegebenen Lexikons der deutschen Dichter und Prosaisten des 19. Jahrhunderts. Die Selbstdarstellung zeigt, wie eng für ihn Medizin, Philosophie und Literatur zusammenhingen. Sie legt zudem nahe, dass das Schreiben an den zwölf Erzählungen, die 1912 mit der Jahreszahl 1913 und unter dem Titel Die Ermordung einer Butterblume und andere Erzählungen in München erschienen, ihn rund zehn Jahre, und zwar entscheidende, begleitet haben.

1900 hatte Döblin, dem Wunsch der Familie immerhin halbwegs folgend (sie hätte ihn lieber als Zahnarzt gesehen), ein Studium der Medizin an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität aufgenommen. 1904 ging er nach Freiburg, um sich dort auf Neurologie und Psychiatrie zu spezialisieren – möglicherweise wählte er den Studienort, weil er bei dem renommierten Psychiater Alfred Erich Hoche ausgebildet werden wollte. Nach Beendigung seiner Promotion 1905 arbeitete er zunächst in psychiatrischen Kliniken (Regensburg, Berlin-Buch), 1908 wechselte er Dienstort und Spezialisierung – er wurde Internist im Berliner Krankenhaus am Urban. Dieser Wechsel hat jedoch, da ist sich die Döblinforschung einig, gleichwohl mit seinem psychiatrischen Interesse zu tun, wie eine Aussage in einem Text von vermutlich 1927 nahelegt:

Ich habe mich Jahre hindurch in Irrenanstalten herumgetrieben, habe auch einiges über meine Kranken geschrieben. Und mir fällt ein, ich habe aus der Anstalt Buch einmal einen Fall von Hysterie mit Dämmerzuständen veröffentlicht – das war etwa 1906/07, vor zwanzig Jahren, den ich analysierte und dessen Störungen ich auf Veränderungen in der seelischen Dynamik und Energetik zurückführte: ich will sagen, mir hat persönlich Freud nichts Wunderbares gebracht. Dann mußte ich aber aus den Anstalten, die mir lieb und heimisch geworden waren, hinaus. Das Dunkel, das um diese Kranken war, wollte ich lichten helfen. Die psychische Analyse, fühlte ich, konnte es nicht tun. Man muß hinein in das Leibliche, aber nicht in die Gehirne, vielleicht in die Drüsen, den Stoffwechsel. Und so gab ich mich einige Jahre an die Innere Medizin. (Döblin 1986b, 92f.)

Diese Äußerungen zeigen, dass Döblin sich ebenso wie andere Psychiater seiner Zeit intensiv mit der Frage auseinandersetzte, ob bei Geisteskrankheit organische Ursachen anzunehmen seien oder nicht. Sein Doktorvater Alfred Hoche war der festen Überzeugung, dass eine Klassifizierung psychischer Störungen aufgrund von Fallbeobachtungen nicht sinnvoll sei und stellte sich damit gegen die Vorgehensweise von Emil Kraepelin, der eine auf Langzeitbeobachtungen bauende Psychopathologie begründete. Wie Döblins Doktorarbeit belegt, befand er sich gedanklich zwischen diesen beiden Positionen. „Döblin, der eine ausschließlich ‚seelische‘ Grundlage verwirft, vermag aber auch keine genaue Annahme über die physiologische Ursache zu bestätigen.“ (Mitidieri 2016, 193)

In seiner Doktorarbeit führte er den Gedächtnisverlust des von ihm untersuchten Patienten auf organische Veränderungen aufgrund von Alkoholmissbrauch zurück und befand sich damit auf der Linie seines Doktorvaters. Vor allem jedoch gewann er seine Erkenntnisse durch intensive Beobachtungen über einen längeren Zeitraum, um abzuklären, inwieweit psychopathologische Ursachen im Sinne Kraepelins feststellbar sind. Ob dies gleichbedeutend mit einem Plädoyer gegen Hoches Vorgehensweise zu betrachten ist, bleibt Spekulation. Auffällig ist jedoch, dass Alfred Hoche in Döblins Texten keine nennenswerten Spuren hinterlassen hat. Möglicherweise ist es tatsächlich so, dass Döblin sich stets zu der Position hingezogen gefühlt hat, die ihm als die mit Literatur kompatibelste erschien. Harald Neumann, selbst Arzt und vor allem derjenige, bei dem Alfred Döblin am Ende seines Lebens in Behandlung war, stellte 1987 der Dissertation kein gutes Zeugnis aus. Er weist ihm erhebliche Fehler und Ungenauigkeiten nach. Zudem bemerkt er: „In der Dissertation findet sich nicht der geringste Hinweis auf Freud.“ (Neumann 1987, 16)

Freud dürfte dann interessant geworden sein, als Döblin erkannte, dass die Psychoanalyse sich gerade nicht von der Literatur abgrenzte, sondern ihre Möglichkeiten nutzte.1 Dabei gilt, wie nicht zuletzt das obige Zitat bestätigt: So bedeutsam, wie es der Literaturwissenschaft lieb wäre, war Freud für den Autor nie.

Die zwölf Erzählungen des 1912 erschienenen Bandes können in etwa Entstehungsjahren und -orten zugeschrieben werden und scheinen auch selbst grob in chronologischer Abfolge geordnet.2 Sie könnten daher Überlegungen hinsichtlich der wissenschaftlichen Behandlung geistiger Anomalien abbilden, denn: „Der junge Schriftsteller wollte das Geheimnis, die Unerklärlichkeit des Menschen, die Unzugänglichkeit seiner Daseinsrätsel, die Unergründlichkeit der Psyche als Motivik seiner Prosa fixieren. Der psychotische Sonderfall ist das bevorzugte Gebiet seiner Suche.“3 (Schoeller 2011, 109) So war „Mariä Empfängnis“ mit Sicherheit die erste Erzählung, die entstanden ist, weil sie ursprünglich Teil des Romans Der Schwarze Vorhang werden sollte, der 1904 abgeschlossen war. Der im November 1911 im Sturm abgedruckte Text „Ritter Blaubart“ ist schließlich der zuletzt entstandene. „Im Dezember 1911 versuchte Döblin erstmals, seine zu einem Zyklus gebündelten, teilweise nach dem Erstdruck leicht überarbeiteten Erzählungen in einem eigenen Band zu veröffentlichen.“ (Sander 2001, 131) Es gelang ihm schließlich, wie bereits mitgeteilt, im November 1913.

2. „Man lerne von der Psychiatrie“

Das bekannteste Zitat aus der Feder Döblins, das bei einer Behandlung des Verhältnisses zwischen Literatur und Psychiatrie stets genannt wird, legt nahe, dass für ihn die Literatur der wissenschaftlichen Betrachtung überlegen ist:

Man lerne von der Psychiatrie, der einzigen Wissenschaft, die sich mit dem seelischen ganzen Menschen befaßt; sie hat das Naive der Psychologie längst erkannt, beschränkt sich auf die Notierung der Abläufe, Bewegungen, – mit einem Kopfschütteln, Achselzucken für das Weitere und das ‚Warum‘ und ‚Wie‘. (Döblin 1989, 120f.)

Es stammt aus dem im Mai 1913 im Sturm veröffentlichten sogenannten Berliner Programm, in dem Döblin wesentliche Eckpunkte des eigenen (Roman-)Schreibens darlegt („Döblinismus“) und Abgrenzungen von literarischen Strömungen seiner Zeit vornimmt. Vor allem aber geht es ihm darum, dass die Denk- und Handlungsweisen der Figuren nicht als psychologisch motiviert erklärt werden sollen, sondern deren Verfasstheit lediglich beobachtet und beschrieben werden muss. Die Aufgabe der Beurteilung und Einschätzung ist dem Leser zu übertragen: „Der Leser in voller Unabhängigkeit, eine[m] gestalteten, gewordenen Ablauf gegenübergestellt; er mag urteilen, nicht der Autor.“ (Ebd., 121) Auf diese Weise ist die „Hegemonie des Autors […] zu brechen“ (ebd., 122).

Aus diesen Forderungen leitet er eine bestimmte Erzählweise ab, den sogenannten „Kinostil“:

Der Sprache das Äußerste der Plastik und Lebendigkeit abzuringen. Der Erzählerschlendrian hat im Roman keinen Platz; man erzählt nicht, sondern baut. Der Erzähler hat eine bäurische Vertraulichkeit. Knappheit, Sparsamkeit der Worte ist nötig; frische Wendungen. Von Perioden, die das Nebeneinander des Komplexen wie das Hintereinander rasch zusammenzufassen erlauben, ist umfänglicher Gebrauch zu machen. Rapide Abläufe, Durcheinander in bloßen Stichworten; wie überhaupt an allen Stellen die höchste Exaktheit in suggestiven Wendungen zu erreichen gesucht werden muß. Das Ganze darf nicht erscheinen wie gesprochen sondern wie vorhanden. Die Wortkunst muß sich negativ zeigen, in dem was sie vermeidet: ein fehlender Schmuck, im Fehlen der Absicht, im Fehlen des bloß sprachlich schönen oder schwunghaften, im Fernhalten der Maniriertheit. Bilder sind gefährlich und nur gelegentlich anzuwenden: man muß sich an die Einzigartigkeit jedes Vorgangs heranspüren, die Physiognomie und das besondere Wachstum eines Ereignisses begreifen und scharf und sachlich geben: Bilder sind bequem. (Ebd., 121f.)

Es geht demnach vor allem um ein showing, nicht um ein telling der Ereignisse, ein in Sprache umgesetztes Beobachten dessen, was geschieht, das in Sprache festgehalten wird, ohne dass sich die Sprache in den Vordergrund drängt. Mithin ist das Ideal Döblins in diesem Manifest das filmische Erzählen. „Das Berliner Programm ist damit nicht nur Indiz der Kino-Debatte, wie sie zur gleichen Zeit die Literaten beschäftigt, sondern ebenso ein Beitrag zum psychiatrischen Aufschreibesystem.“ (Schäffner 1995, 294) Man kann davon ausgehen, dass die Erzählungen ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu diesem Berliner Programm gewesen sind.

Diese Vorstellung einer beobachtenden Rhetorik deckt sich mit den bereits angedeuteten neuen Entwicklungen in der Psychiatrie in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts:

Die Psychiatrie wurde hier vorwiegend als eine beschreibende Wissenschaft interpretiert, deren Hauptaufgabe die klinisch-deskriptive Beobachtung der Symptome und die detaillierte Beschreibung des gesamten Krankheitsverlaufs war. Mit dem klinisch-deskriptiven Ansatz der Psychiatrie ist Döblins Doktorvater Alfred Erich Hoche und seine Syndromlehre in Verbindung zu setzen. Hoche lehnte die Lehre der Krankheitseinheiten Kraepelins und ihre mechanistische Grundannahme ab. [...] An die Stelle der monokausalen Ursache, die in den Gehirnveränderungen zu entdecken war, trat das multifaktorielle Zusammenwirken psychophysiologischer, somatischer als auch psychogener Faktoren, das die Vorstellung einer mechanistischen Entwicklung der Geisteskrankheiten ablöste. (Mitidieri 2016, 187f.)

Das allerdings bedeutete, dass man dazu überging, äußerliche Anzeichen des Wahnsinns im Verhalten der Menschen zu erkennen, „um die ‚Irren‘ von der Gesellschaft auszugrenzen“ (ebd., 188). Und eben hier trat das entscheidende Problem zutage: Wo verläuft die exakte Grenze zwischen Wahnsinn und Normalität?

Gerade anhand ‚seines‘, in der Dissertation behandelten Falls konnte Döblin erkennen, wie eng Wahrheit und Erfindung miteinander verzahnt sein können.

Der psychiatrische Forscher und Schriftsteller verweist [...] auf die Ähnlichkeiten zwischen den ‚Confabulationen‘ der Korsakow-Patienten und dem dichterischen Schöpfungsprozess, der für ihn ebenfalls eine Art ‚poetischer‘ Fabulation darstellt. In beiden Fällen manifestieren sich die gleichen ‚Verbindungsstörungen‘. Anstelle der ursprünglichen Ordnung von ‚Fakten‘ und der Unterscheidung zwischen ‚Realen‘ [sic] und ‚Imaginären‘ [sic] werden freie Assoziationsverbindungen erstellt als auch ‚Wahres‘ und Erfundenes vermengt. (Ebd., 196f.)

Diese Störungen der Wahrnehmung von Welt und die damit einhergehende Subjektzerrüttung sind wesentliche Erkenntnisse, die für Alfred Döblin schriftstellerische und wissenschaftliche Arbeit eng zusammenrücken ließen. Für den Protokollanten von Ereignissen, und so verstand sich Döblin ganz offenbar, bedeutete dies jeweils – im wissenschaftlichen und im schriftstellerischen Feld –, dass die Umsetzung in Sprache tatsächlich im „Kinostil“ zu erfolgen hat. Erklärungen, eindeutige Benennungen, wissenschaftliche Einordnungen, einfühlsame Darstellungsweisen verbieten sich. So gesehen gehen in den Jahren 1904 bis 1911 wissenschaftliche Vorgehensweise und schriftstellerische Arbeit direkt ineinander über. Döblin beobachtet fabulierende, halluzinierende, delirierende Patienten und beschreibt Wahrnehmungsstörungen aller Art in unterschiedlichen Zusammenhängen. Er ist demnach in erster Linie auf der Suche nach der passenden Sprache und Erzählweise, um Sicht- und Verhaltensweisen einzufangen. In seinem Journal beschrieb er das rückblickend folgendermaßen: „Daß ich nun als Mediziner mich in den Kliniken herumbewegte und beobachtete, ging in merkwürdiger Weise zusammen mit meiner literarischen Neigung, mit dem Phantasieren, und es ergaben sich da die ersten besonderen Verschmelzungen. [...] Auch andere seltsame Geschichten fabulierte ich hier zusammen.“ (Döblin 1986c, 359f.)

3. „Die Ermordung einer Butterblume“ – zwischen Zwangsneurose und Muttermord

Der bekannteste Text der Sammlung ist eine Erzählung, für die es nicht nur eine genaue Entstehungszeit, sondern auch einen Ursprungsmythos gibt:

In Freiburg im Breisgau im letzten Studienjahr kam mir beim Spazieren über den Schloßberg das Thema der Novelle ‚Die Ermordung einer Butterblume‘, ich wußte nun etwas von Zwangsvorstellungen und anderen geistigen Anomalien. Es liefen da Jungens über die Wiese und hieben mit ihren Stecken fröhlich die unschuldigen schönen Blüten ab, daß die Köpfe nur so flogen. Ich dachte an die Beklemmungen, die wohl ein feinfühliger Mensch oder, wenn man will, auch belasteter Mensch nach einem solchen Massenmord empfinden würde. (Döblin 1986c, 360)

Der Ausgangspunkt der Geschichte über Michael Fischer war damit ein Moment des Einfühlens und Imaginierens. Dies musste in der Folge umgesetzt werden in einen Text, der dem Leser verhilft zu erkennen, was mit einer solchen Person ‚los‘ ist. Dies ist Döblin derart gut gelungen, dass es sich bei dieser Erzählung um den bis heute mit Abstand am meisten analysierten und interpretierten Text der ganzen Sammlung handelt.

Im Allgemeinen wird dabei etwas Ähnliches getan, wie bereits hier geschehen: Behandelt werden Döblins Doppelrolle als Psychiater und Schriftsteller, das Berliner Programm und die Frage, inwieweit sich all dies in der Erzählung niederschlägt. Dabei wird in der Regel auffällige viel Text in die Klärung des Krankheitsbildes bzw. Vermutungen hinsichtlich desselben investiert.4 So sehen einige Forschungsbeiträge eine wie auch immer geartete sexuelle Störung vorliegen, die sich in einer Zwangsneurose manifestiert.5 Teilweise wird dabei sogar – offenbar angeregt durch Robert Minder – Autobiographisches in die Betrachtung hineingebracht.6

Linda Leskau untersucht beispielsweise sexualwissenschaftliche Thematiken im Werk Döblins und stellt fest, dass er mit „Die Ermordung einer Butterblume“ „zur Gestaltung, Weiterentwicklung und Öffnung der sich damals entwickelnden Sexualwissenschaft bei[trägt] und damit auch zur Normalisierung einer pluralen Auffassung von Sexualität“ (2015, 177). Sie sieht in dem Text eine Verwischung der Geschlechtergrenzen, wobei der Lustmord den „Höhepunkt seiner Wahnvorstellungen“ (ebd., 173) darstelle: „In der Analyse der Lustmordszene wurde deutlich, dass im Text die sexualpathologische Normalität, in welcher der sadistische Mann den Lustmord an einem weiblichen passiven Opfer verübt, reproduziert wird.“ (Ebd.) Noch weiter geht Hannah Weinbacher in ihrer Doktorarbeit, wenn sie feststellt: „Neben der Triebunterdrückung sowie der psychosexuellen Infantilität thematisiert Döblin in dieser Erzählung die auch bei tatsächlichen Lustmorden beobachtete Befriedigung durch das Einverleiben des Opfers.“ (2011, 270)

Die Beiträge, die sich die Frage nach dem eigentlichen Krankheitsbild von Michael Fischer stellen, einigen sich in der Regel auf eine Zwangsneurose, die dann meist mit einer sexuellen Störung verbunden wird: „Seine Begriffe von Regel (Schrittezählen), Zucht (Lehrlinge schikanieren) und Ordnung (Fliegensortieren) kennzeichnen ihn als ‚autoritären Charakter‘ mit zwangsneurotischen Zügen, dessen Physiognomie, Verbissenheit und Furcht vor der Frau auf eine unter- bzw. fehlentwickelte Sexualität verweisen.“ (Emig 2005, 197)

Da es sich bei der ‚Ermordeten‘ um eine Blume handelt und Döblin sich zeitlebens mit der Naturphilosophie beschäftigt hat, liegt es durchaus nahe, auch derlei Überlegungen mit einzubeziehen:

Döblins Schreibverfahren […] liegt eine ‚doppelte Optik‘ zugrunde: Als psychiatrische Studie vermittelt sie den Verlauf einer Psychose, läßt aber die Möglichkeit zum ‚Durchstoßen‘ der Handlungsebenen hin zu einer Überrealität, einer Naturmystik offen, die die Verschuldung des Menschen an der Natur denunziert. Döblins Oszillieren zwischen poetisierter medizinischer Praxis und als Fallgeschichte verkleidete [sic] Metaphysik mag einem Kalkül geschuldet sein, der das ‚Metaphysik-Verdikt‘ des naturwissenschaftlichen Denkens umgeht. (Ebd., 213)

Diese Vielzahl an Zugriffen mehr oder weniger einsichtiger Art erstaunt nicht nur, sie kann einen zur Verzweiflung bringen. Insofern ist es mehr als verständlich, wenn Yvonne Wübben ironisch konstatiert:

Michael Fischer – ein Kaufmann mittleren Alters und wahrscheinlich der bekannteste Protagonist in Döblins expressionistischem Panoptikum des Wahnsinns – hat zahlreiche Krankheiten überlebt. Literaturwissenschaftler haben ihm eine Zwangserkrankung, eine Schuldneurose, einen Wahn, eine Psychose oder gar eine Schizophrenie attestiert. Als Patient hätte Fischer eine regelrechte Irrfahrt überstehen müssen. Er hätte Arzt um Arzt konsultiert, sich verschiedensten Therapien unterzogen, in der Hoffnung auf Heilung oder zumindest auf eine verlässliche Diagnose. (2008, 83)

Nun leuchtet es unmittelbar ein, wenn die Studien zu Döblins Erzählung vor allem diskursiv und kontextualisiert vorgehen. Ob allerdings zwangsläufig eine logische Beziehung zwischen psychiatrischem und literarischem Diskurs feststellbar ist, bleibt zumindest hinterfragbar.7 Wenn man in Betracht zieht, dass fast alle Forscherinnen und Forscher zugleich Wert auf die Verknüpfung zwischen Wissenschaft und literarischer Umsetzung legen, verwundert es doch, dass nur wenige sich damit beschäftigen, was genau das hinsichtlich einer spezifischen Erzählweise bedeutet. Geht man davon aus, dass Döblins im Berliner Programm entwickelter „Kinostil“ sowohl aus seinen Erfahrungen als Mediziner wie auch als Autor hervorgegangen ist, dann wäre es angezeigt zu untersuchen, wie sich dieser Stil konkret in einem Text fassen lässt, wie er gestaltet ist und inwiefern er dazu beitragen kann, krankhafte Zustände dazustellen.

Ähnlich argumentiert Yvonne Wübben und schließt daraus:

Blickt man auf die oben skizzierten wissenschaftlichen Tendenzen scheint fragwürdig, ob ein literarischer Text eine Krankheit repräsentiert und damit einen Wissensanspruch formuliert, über dessen Geltung Psychiater kontrovers diskutierten. Vielmehr scheint der literarische Text über die zur Diskussion gestellten wissenschaftlichen Erkenntnisweisen zu reflektieren, also jene wissenschaftskritischen Impulse aufzunehmen, die sich gleichermaßen in medizinischen Schriften finden. Das Verhältnis zwischen wissenschaftlichen und literarischen Texten ist daher nicht fixiert, etwa in dem Sinn, dass Literatur Methoden und Erkenntnisansprüche der Wissenschaft annimmt, reproduziert oder auch kritisch hinterfragt. Die Bezugsweisen sind vielmehr differenzierter zu betrachten. [...] Das epistemische Potential der Literatur besteht zunächst in ihren spezifischen Darstellungsmöglichkeiten, d.h. hier vor allem in ihrer narrativen Ordnung. (Ebd., 93f.)

Diese narrative Ordnung skizziert sie im Folgenden immerhin ansatzweise. Sie bemerkt, dass oftmals nicht zuzuordnen sei, ob an einer Stelle Erzähler- oder Figurenrede vorliege, und verweist auf die Stimmenvielfalt, die Eindeutigkeiten im Verständnis unmöglich machten. Gerade diese Mehrdeutigkeiten und fehlenden Zuordnungen sind es, die für sie dagegensprechen, Döblins berufliche Tätigkeit zu sehr mit seiner literarischen in Verbindung zu bringen: „Döblins Krankengeschichten weisen [...] keinen vergleichbaren Wechsel von erlebter Rede und auktorialer Erzählerposition auf.“ (Ebd., 98)

Daher muss die Vorgehensweise wohl eine andere sein: Zunächst sind die Erzählungen zu analysieren, um Erzählweisen zu ermitteln, die dazu dienen, den Leser optimal als Beobachter einzusetzen. Denn dass es funktioniert, zeigen ja gerade die heterogenen Forschungsbeiträge, die offenbar machen, dass die Texte zumindest keine eindeutigen und offenkundigen Diagnosen zulassen.

4. Wer sieht? Oder: Schwankende Beobachtung

Mit zu den bemerkenswertesten Errungenschaften der Narratologie Gérard Genettes gehört die Trennung zwischen Modus und Stimme. Leser sind es gewohnt, dass ihnen recht bald nach dem Beginn des Lesens ein Erzähler gegenübertritt, der sie durch die Erzählung leitet, wobei er dies mehr oder weniger tut. Dies kann ein Erzähler sein, der seine eigene Geschichte erzählt (homodiegetisch) oder einer, der die Geschichte anderer Figuren wiedergibt (heterodiegetisch). In jedem Fall aber wird es einen Erzähler geben, der dann nur je unterschiedlich die histoire zur Anschauung bringt. Denn so wie Menschen nicht auf dieselbe Art und Weise erzählen, erzählt auch die fiktive Erzählerinstanz eines literarischen Textes nicht immer gleich. Zum einen gibt es die Möglichkeit, die Blickwinkel zu wechseln, zum anderen kann man mehr oder weniger detailreich berichten:

In der Tat kann man das, was man erzählt, mehr oder weniger nachdrücklich erzählen, und es unter diesem oder jenem Blickwinkel erzählen; und genau auf dieses Vermögen und die Weisen, es auszuüben, zielt unsere Kategorie des narrativen Modus: Die ‚Repräsentation‘ oder genauer gesagt die narrative Information hat verschiedene Grade; die Erzählung kann den Leser auf mehr oder weniger direkte Weise mehr oder weniger detailliert informieren und so […] eine mehr oder weniger große Distanz zu dem, was sie erzählt, zu nehmen scheinen […]. (Genette 2010, 103)

Hinsichtlich einer Analyse ist es daher keine unwichtige Entscheidung, ob eine Geschichte in der Ich-Form erzählt wird oder nicht. Es ist auch nicht gleichgültig, ob Informationen direkt vom Erzähler stammen oder aus der Rede einer Figur erschlossen werden müssen.

Auffällig an den Erzählungen Döblins ist es nun, dass dergleichen Erwartungen der Leser systematisch infrage gestellt werden. Zwar gibt es stets einen heterodiegetischen Erzähler, der eine Figur einführt und begleitet, aber er hält sich zum einen stets in größtmöglicher Distanz zu dieser Figur, zugleich tritt er mitunter vollständig aus dem Blickfeld des Lesers hinaus. Betrachtet man beispielsweise allein den ersten Absatz der bereits angesprochenen Erzählung „Die Ermordung einer Butterblume“:

Der schwarzgekleidete Herr hatte erst seine Schritte gezählt, eins, zwei, drei, bis hundert und rückwärts, als er den breiten Fichtenweg nach St. Ottilien hinanstieg, und sich bei jeder Bewegung mit den Hüften stark nach rechts und links gewiegt, so daß er manchmal taumelte; dann vergaß er es. (Döblin 2001, 56)

Die ersten drei Worte lassen einen heterodiegetischen Erzähler vermuten, der Informationen über die Hauptfigur gibt: Es handelt sich um einen Mann – einen „Herrn“ sogar –, der schwarze Kleidung trägt. Insofern ist davon auszugehen, dass von einer gewissen Distanz aus beobachtet wird. Wenige Worte später wird aber eben diese Distanz in Frage gestellt. Zählt der Erzähler mit der Figur mit? Handelt es sich um eine Redewiedergabe? Zählt der schwarzgekleidete Herr überhaupt laut? Um einschätzen zu können, wie extern der Erzähler auf die Figur blickt, müssten diese Fragen eindeutig beantwortet werden können. Hier nämlich kommt die Perspektive ins Spiel, denn der Fokus ist nicht mit dem Erzähler identisch:

Dennoch leiden die meisten theoretischen Arbeiten zu diesem Thema […] meines Erachtens erheblich darunter, dass sie das, was ich hier Modus und Stimme nenne, miteinander vermengen, d.h. die Frage Welche Figur liefert den Blickwinkel, der für die narrative Perspektive maßgebend ist? wird mit der ganz anderen Wer ist der Erzähler? vermengt – oder, kurz gesagt, die Frage Wer sieht? mit der Frage Wer spricht? (Genette 2010, 119)

Die beiden voneinander zu trennenden Fragen lauten also: ‚Wer sieht?‘ und ‚Wer spricht?‘ Die erste Frage bezieht sich auf die Figur, durch deren Augen ein Geschehen wahrgenommen wird. Bei der Perspektive geht es um die Frage, aus welchem Winkel der Leser Einblick in den Geschehensablauf bekommt – unabhängig davon, woher ihm die nötigen narrativen Informationen mitgeteilt werden.

Stimme und Modus sind allerdings doch miteinander verbunden, da sich die Typen der Fokalisation laut Genette darüber bestimmen lassen, wie sich Erzähler und Figur zueinander verhalten. Bei einer unfokalisierten Erzählweise steht der Erzähler über der Figur und hat umfassenden Einblick sowie jegliche Information über das Geschehen. Nimmt man Döblins Berliner Programm ernst, dürfte es diesen Fokalisierungstyp bei ihm eigentlich nur selten geben – immerhin repräsentiert er die Hegemonie des Erzählers schlechthin. Bei einer internen Fokalisation sagt der Erzähler nicht mehr, als die Figur weiß oder sieht – er tritt sozusagen hinter sie zurück. Die externe Fokalisation – der auf den ersten Blick der „Kinostil“ am ehesten entspräche – ermöglicht es, Handlungen vorzustellen, ohne dass klar würde, wie die Figur, die handelt oder mit dem Geschehen konfrontiert wird, darüber denkt bzw. dazu steht. Der Leser blickt folglich ausschließlich von außen auf die Figur, nicht aber in sie hinein.

Genau diesen Eindruck erwecken die Erzählungen Döblins beim ersten oberflächlichen Lesen. Ein heterodiegetischer Erzähler präsentiert der Leserschaft einen Menschen, dessen Eigentümlichkeiten zu Beginn aus einer externen Sicht und später aus einer Innensicht vorgeführt werden. Externe und interne Fokalisation sowie nullfokalisierte Erzählweise würden sich damit abwechseln, wie es sich für eine moderne Erzählweise gehört.

In dieser Weise funktioniert es aber nicht, und das ist, dies meine These, Programm. In Syntax, Sprache und narrativer Erzählweise wird so verfahren, dass eindeutige Urteile und Einschätzungen des Lesers unmöglich gemacht werden. Wie „der schwarzgekleidete Herr“ immer wieder ins Taumeln kommt, taumeln Erzähler und Leser durch den discours. Der erste Satz weist uns darauf hin, dass der eben vorgestellte Herr „erst“ seine Schritte gezählt habe. Der damit eröffnete Handlungsraum findet jedoch keine Fortsetzung, da es kein dem „erst“ entsprechendes „dann“ gibt. Vermutlich kann es das auch nicht, denn der mit mehreren Nebensätzen versehene Satz endet mit einem „dann vergaß er es“. Allein: Was vergaß er denn eigentlich? Was ist das „es“? Das Zählen? Das Sich-Wiegen?

Im nachfolgenden Absatz erfährt der Leser Weiteres über den Mann. Er hat hellbraune Augen, die „freundlich hervorquollen“ (Döblin 2001, 56). An dieser Stelle zeigt sich ein typisches Vorgehen Döblins, das eigentlich nur semiotisch adäquat erfasst werden kann.8 Die Informationen, die der Leser im Text erkennt, werden von ihm zu einem Gesamtbild zusammengesetzt. Die Kombination „freundlich“ und „hervorquellen“ lässt sich semantisch aber nicht zusammenbringen, die Konnotationen widersprechen sich geradezu. Und dabei verschärft sich die missliche Lage der Perspektiveneinschätzung: „Die hellbraunen Augen, die freundlich hervorquollen, starrten auf den Erdboden, der unter den Füßen fortzog, und die Arme schlenkerten an den Schultern, daß die weißen Manschetten halb über die Hände fielen.“ (Ebd.)

Das Verb „starren“ bedeutet hinsichtlich des Blickes zweierlei: Entweder der Erzähler und wir mit ihm schauen dem Mann direkt in die Augen, was der Hinweis auf die Farbe der Augen nahelegt, oder wir starren mit ihm auf den Boden. Für die ersten zehn Wörter des Satzes scheint allein die erste Möglichkeit plausibel, die Worte danach jedoch ziehen auch dem Leser buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. Ein Erdboden, „der unter den Füßen fortzog“, befindet sich dermaßen außerhalb der Wahrnehmungswelt eines gesunden Menschen, dass er zwangsläufig der gestörten Perspektive der Figur zugeordnet wird. Spätestens hier ist nicht mehr deutlich, wer wen aus welcher Perspektive beobachtet, was auf sprachlicher Ebene durch Sätze wie „Außer sich stand der Dicke einen Augenblick da“ (ebd.) oder „Er erschrak bei dem Gedanken, daß ihn jemand sehen könnte“ (ebd., 57), die sich ebenfalls direkt am Anfang befinden, unterstrichen wird. Die Angst, im Blick der anderen zu sein, und sich selbst, außer sich seiend, dabei zu beobachten, potenziert die Blicke und Blickwechsel ein weiteres Mal. Aber das genügt offenbar noch nicht – besonders schlimm wird es, nachdem der ‚Mord‘ geschehen ist. Dann nämlich erkennt er sich selbst nicht wieder bzw. weigert sich, in sich selbst den Mörder zu sehen: „Er staunte, verstört, mißtrauisch gegen sich selbst. In ihm starrte alles auf die wilde Erregung, sann entsetzt über die Blume, den gesunkenen Kopf, den blutenden Stiel. Er sprang noch immer über den schleimigen Fluß. Wenn ihn jemand sähe, von seinen Geschäftsfreunden oder eine Dame.“ (Ebd., 58)

Der Text weist die Figuren, die im Fokus des betrachtenden Lesers sind, stets als Opfer der sie beherrschenden Körper aus. Michael Fischer kann seine Extremitäten ganz offensichtlich nicht kontrollieren. Das Abendlicht bringt seine Augen zum Zwinkern9 und seine Füße gehen ohne sein Zutun weiter.10 Und schließlich beobachtet die getötete Blume ihn nicht nur, sie übernimmt regelrecht die Kontrolle: „Wie ein Gewissen sah die Blume in seine Handlungen, streng von den größten bis zu den kleinsten alltäglichen.“ (Ebd., 64)

All diese Textstellen belegen, dass ein wesentliches Element der döblinschen Erzählweise in der Anthologie darin besteht, den Leser in die Lage zu versetzen, jemanden zu beobachten, der Wahrnehmungsstörungen hat, wobei der Beobachter selbst sich auf schwankendem Boden befindet – wie Michael Fischer findet er sich nicht (mehr) zurecht.11 Zu dieser schwankenden Position kommt es, weil die Erzählerstimme eine klare Raumverortung verweigert. Gewohnheiten der Perspektive werden konsequent gestört. Und das nicht nur hinsichtlich des Verhältnisses des Erzählers zu den Figuren, sondern auch in Bezug auf syntaktische und semantische Lesetraditionen. Auf diese Weise verschmilzt der Leser keineswegs mit der Figur, die er beobachtet, er kann sich nur nicht sicher sein, mit wessen Augen er sieht.

5. Ver-rückt? Oder: Das Beobachten von jemandem, der sich selbst beobachtet

Auch die Tänzerin aus „Die Tänzerin und der Leib“ hat offensichtliche Wahrnehmungsstörungen, sie ist ebenfalls fremdbestimmt, wie bereits der erste Satz nahelegt: „Sie wurde mit elf Jahren zur Tänzerin bestimmt.“ (Döblin 2001, 18) Von wem, bleibt unklar. Offenbar hat aber jemand an ihrem Verhalten ihr Talent erkannt: „Bei ihrer Neigung zu Gliederverrenkungen, Grimassen und bei ihrem sonderbaren Temperament schien sie für diesen Beruf geeignet.“ (Ebd.) Nachvollziehbar ist die Schlussfolgerung keineswegs, zumal hier wieder die negativen Konnotationen bei positiver Grundaussage überwiegen. Die Verwandlung in eine Tänzerin bringt sie nicht nur dazu, ihren Körper zu „zwingen“ (ebd.), sie lernt, sich in Distanz zu ihm zu setzen: „Es gelang ihr, über den üppigsten Tanz Kälte zu sprühen.“ (Ebd.)

Acht Jahre verläuft alles nach Plan, dann „befiel sie ein bleiches Siechtum“ (ebd.). Der Körper lässt sich nicht mehr in seine Schranken weisen, egal wie sehr sie ihm droht. Im Moment höchsten Schmerzes bekommt die Tänzerin einen Namen: Ella. Von nun an steht Ella im absoluten Gegensatz zu „dem schlechten Fleisch“ (ebd., 19), ihrem sich ihr widersetzenden Körper. Was aber bleibt von Ella, der Tänzerin, ohne ihn? Zumindest bleibt ihr der Blick mittels ihrer „übergroße[n] schwarze[n] Augen“ (ebd., 18), aus denen sie auf andere herabsieht, sie „gehässig“ (ebd., 18) betrachtet oder „mit Abscheu“ (ebd., 19) fokussiert. Je mehr man sich im Krankenhaus um den Leib, an den sie sich gebunden sieht, kümmert, umso mehr rückt sie von ihm ab und umso weniger wird sie sichtbar. Sie droht hinter ihrem qua Siechtum dominierenden Leib zu verschwinden.

Ein zwischenzeitliches Aufbäumen, der Versuch, wieder die Gewalt über ihren Körper zu erlangen, währt nicht lange.12 „Ein kindisches Wesen lag da, das sie elend machte; was sollte sie um ihn kämpfen, was sollte sie ihn um seine Ehre beneiden? Schlaff ruhte sie in ihrem Bett. Der Leib lag wieder, ein Stück Aas, unter ihr; um seine Schmerzen kümmerte sie sich nicht.“ (Ebd., 20) Mehr und mehr geht sie auf Distanz zu ihrem Körper, bis es ihr gelingt, ihn von außen als etwas Getrenntes zu betrachten: „Sie führten getrennte Wirtschaft; der Leib konnte sehen, wie er sich mit den Doktoren abfand.“ (Ebd.) Ella empfindet nur noch Mitleid – nicht aber mit sich, sondern mit dem Körper, der da unter ihr liegt. Sie beobachtet, was geschieht.

Schließlich setzt sie die ver-rückte Situation in ein Stickbild um:

Drei Figuren standen da: ein runder unförmiger Leib auf zwei Beinen, ohne Arm und Kopf, nichts als eine zweibeinige, dicke Kugel. Neben ihm ragte ein sanftmütiger großer Mann mit einer Riesenbrille, der den Leib mit einem Thermometer streichelte. Aber während er sich ernst mit dem Leib beschäftigte, machte ihm auf der andern Seite ein kleines Mädchen, das auf nackten Füßen hüpfte, eine lange Nase mit der linken Hand und stieß mit der rechten eine spitze Schere von unten in den Leib, so daß der Leib wie eine Tonne auslief in dickem Strahl. (Ebd., 21)

Ella sieht sich demnach offensichtlich zweigeteilt. Zu ihr gehören Kopf und Arme, zum Leib der Rumpf und die Beine. Tanzen aber kann sie nur als Einheit. „Sie wollte einen Walzer, einen wundersüßen, mit ihm tanzen, der ihr Herr geworden war, mit dem Leib.“ (Ebd.) Die Umkehrung der Herrschaftsstrukturen ist es, die ihr zu schaffen macht. Tanzen war möglich, solange sie herrisch darüber gewacht hat, dass der Körper sich ihrem Willen fügt.13 Als er das Regiment übernimmt, werden die Verhältnisse verschoben und der Kopf machtlos. Ihr bleibt nur noch der Selbstmord. Die Dissoziation, die durch den Titel der Erzählung bereits nahegelegt wird („Die Tänzerin und der Leib“), zeigt sich als von Anfang an gegeben. Die mühsam herbeigeführte, künstliche Einheit allerdings, die die Bedingung für den Tanz darstellt, zerbricht in dem Moment, in dem der Leib außer Kontrolle gerät und die Machtverhältnisse verrückt werden. Der Leser beobachtet, wie die Tänzerin zwangsweise zur Beobachterin ihres eigenen Leibes wird und wie sie sich daher mehr und mehr von ihm entfernt. Sie fokalisiert sozusagen ihren Körper, wie der Leser sie fokalisiert. Hier sind es also weniger die schwankenden Positionen, die ein Beobachten erschweren, sondern vielmehr die Transposition der Beobachter selbst. Je mehr die Tänzerin ihre Umwelt über Blicke aus ihren übergroßen Augen steuern möchte, umso mehr verschwindet sie und der Leib regiert. Diesen Mechanismus kann sie nur durch Tötung des Leibes durchbrechen, wobei sich allerdings zeigt, dass die aufgebaute Distanz eben doch eine imaginierte ist: „Noch im Tode hatte die Tänzerin den kalten verächtlichen Zug um den Mund.“ (Ebd.) Damit gibt, so Georg Braungart, „die Mimik, Sprache des Gesichts, […] das letzte Zeichen. Kälte und Verachtung, die das Wesen der Tänzerin gekennzeichnet hatten, formulieren auch ihr letztes Gefühl.“ (Braungart 1995, 332)

Am wenigsten bei all dem sieht übrigens der Arzt, worauf Rudolf Käser hingewiesen hat:

Die ironische Strategie des literarischen Textes besteht darin, daß durch die Darstellungsperspektive dem Leser mehr Information und Verständnis zugespielt wird, als der dargestellte Arzt zu realisieren vermag. Die literarische Darstellungsweise erscheint [sic] damit dem medizinischen Diskurs überlegen zu sein. (Käser 1998, 256)

In gewisser Weise ist sie auch dem Leser überlegen.

6. Eine Frage der Zeit

Das Stiftsfräulein in „Das Stiftsfräulein und der Tod“ hat mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. In diesem Fall ist es allerdings der alternde Körper, der auf ihren nahenden Tod verweist, der ihr zu schaffen macht. Auch hier wird beobachtet. Der Erzähler betrachtet seine Figur: „Als die Glocke anschlug, ging sie zu Tische, nahm einen Bissen und legte die Gabel hin. Sie ging aus dem Speisesaal hinaus. Sie saß auf ihrem Zimmer. Den Tag über saß sie auf ihrem Zimmer, in einer Ecke, das verfallene Gesicht nach der Wand zu.“ (Döblin 2001, 103) Die Figur betrachtet sich selbst: „Dann betrachtete das alte Mädchen die Runzeln ihrer [!] Hände, wischte vor dem Spiegel an der trockenen schlaffen Gesichtshaut, betastete die mageren Brüste und wühlte an ihnen herum. Regungslos stand sie beim Ausziehen fast eine halbe Stunde so da.“ (Ebd., 108)

In dieser Erzählung wird, ganz ähnlich wie bei den zuvor besprochenen, der Körper zum Gegenstand der Reflexion. Das Stiftsfräulein sucht nach Mitteln und Wegen, sich mit ihm zu arrangieren oder ihn zu verdrängen, aber selbst die hellblaue Bluse und der Brief an den „lieben strengen Herrn, den Tod“ (ebd.) helfen nicht, mit ihrer Todesangst klar zu kommen. Vor allem aber vermittelt der Text den Eindruck, dass das Problem in erster Linie die Todesahnung ohne ein Wissen um den genauen Zeitpunkt ist:

In der Nacht tickten die Uhren im Zimmer. Zwei hingen da; die eine schluckte behäbig die Zeit und blökte halbstündlich, dann war sie satt, aber kaute weiter; daneben gluckste die Schwarzwälderuhr, sie schlackerte, keinen Atem ließ sie sich und überschlug sich fast, wenn sie ihr armseliges Geschrei ausstieß. Das Fräulein sprang aus dem Bett und hielt die Pendel fest. Während sie wieder unbewegt lag, zuckte es in der kleinen Uhr, verzog sich das Gesicht der großen zu einem Grinsen. (Ebd., 104)

Die beiden Uhren sind analog zu den beiden Lebensphasen der inzwischen alten Frau gestaltet. In ihr schlagen die Seelen eines jungen Mädchens und die der gealterten Dame, als die sie unmissverständlich ihr Körper ausweist. Nicht von ungefähr ist das bereits genannte Oxymoron „das alte Mädchen“ keineswegs eine Ausnahme im Text, wobei Varianten des Wortes „Fräulein“ weitgehend genutzt werden, um Jugendlichkeit zu assoziieren.

Da es in diesem Fall um Zeit geht – Zeit, die vergeht, die vergangen ist und die einem noch bleibt –, ist es auch die Geschwindigkeit, die diese Erzählung besonders macht. Die Mischung von singulärem und iterativem Erzählen ist bemerkenswert: „Nun wurden die Tage wärmer. Jetzt spazierte sie stundenlang dichtverwachsene Parkwege; wo sie ging und stand, ging ein Träumen herum. Weinte hin und wieder, in einer weichen, strömenden Weise, die wie ein junges Lied klang.“ (Ebd., 108) Vergangenes und Gegenwärtiges, Junges und Altes, Wiederkehrendes und Einzigartiges fallen in eins. Bis der gefürchtete Moment endlich da ist, der Tod neben ihr ins Bett springt und „das Stiftsfräulein an ihren kalten Händchen hinter sich her zum Fenster hinaus“ (ebd., 110) mit sich nimmt.

Beschrieben wird in dieser Erzählung kein Zustand des Wahnsinns, sondern der Angst – genauer der Todesangst. Das Stiftsfräulein ist dabei gefangen zwischen zwei zeitlichen Perspektiven, der der Vergangenheit als junges Mädchen und der der Gegenwart als alte Frau. In beide Rollen schlüpft sie, beide beäugt sie, einmal sehnsüchtig und einmal angstvoll. Die Momente der zurückgeholten Jugend sind singulär und kurz, die des Alters sind iterativ und vergehen langsam. Der Leser beobachtet, wie die Zeit Wort für Wort, Zeile für Zeile unaufhaltsam voranschreitet und die große Uhr lediglich ein Grinsen für die Bemühungen, die Zeit anzuhalten, übrig hat.

7. Der Leser mag urteilen

Es ist müßig, aus Döblins Erzählungen Krankengeschichten extrahieren zu wollen. Viel interessanter ist es zu untersuchen, mit welchen erzählerischen Mitteln Notate verrückter und außergewöhnlicher Zustände gelingen können. In erster Linie ist dabei festzustellen, dass es nicht in allen Texten die gleichen narrativen Mittel sind, die eingesetzt werden. Döblin nutzt vorrangig zwei Kategorien, um den Leser zum genauen Beobachten zu zwingen: den Modus, der Perspektivwechsel und wechselnde Distanzen ermöglicht, sowie die Geschwindigkeit, die in der Lage ist, verschiedene Zeitebenen miteinander ins Verhältnis zu setzen. Diese narrativen Besonderheiten werden unterstützt durch Wortwahl und Syntax.

Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Leser sich zum Text stets in genau dem Verhältnis befindet, in dem er sich befinden muss, um das Geschehen, das ihm vor Augen gestellt wird, umfassend wahrnehmen zu können. Damit ist eigentlich von Anfang an klar, worin das Problem der vorgestellten Person besteht und worauf es vermutlich hinauslaufen wird. Offensichtlich krankhafte Zustände werden evident. Zugleich bleibt unentschieden, wo genau die Grenze zwischen Normalität und Wahnsinn verläuft. Sie darf der Leser bestimmen, „in voller Unabhängigkeit“ (Döblin 1989, 121).

Literaturverzeichnis

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Prof. Dr. Ursula Kocher
Bergische Universität Wuppertal
Fakultät 1: Geistes- und Kulturwissenschaften
Allgemeine Literaturwissenschaft / Germanistik
Gaußstraße 20
42119 Wuppertal
E-Mail: kocher@uni-wuppertal.de
URL: http://www.avl.uni-wuppertal.de/ueber-uns/professoren-und-mitarbeiter/ursula-kocher.html

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1 „Döblin schätzte die Psychoanalyse gerade deshalb, weil sie sich, wie Freud wiederholt konzedierte, von literarischen Texten so stark inspirieren ließ und selbst literarischen Darstellungsformen annäherte; er schätzte sie aufgrund ihres literaturnahen Abstandes zu den Naturwissenschaften des 19. Jahrhunderts, auch zur naturwissenschaftlichen Psychiatrie.“ (Anz 2016, 271)

2 Die zeitliche Einordnung kann dem Artikel von Kyora 2016 oder Sander (2001, 113‒131) entnommen werden.

3 Dass Döblin sich erst ab etwa 1919 intensiver mit Freud auseinandergesetzt hat, ist inzwischen Konsens der Forschung. Für den Zeitraum davor spielt der Psychoanalytiker dagegen so gut wie keine Rolle für ihn. Er hatte ihn zwar zur Kenntnis genommen, er schien ihm aber nicht besonderer Aufmerksamkeit wert gewesen zu sein. Vgl. Anz 2016.

4 Man möge mir nachsehen, dass hier nicht lückenlos alle Forschungsbeiträge aufgezählt werden. Es geht vielmehr um Tendenzen, die sich nach Sichtung einer Vielzahl von Untersuchungen feststellen ließen.

5 Dabei verwundert mitunter die Selbstverständlichkeit, mit der die Diagnosen vorgebracht werden. Vgl. beispielhaft Joris Duytschaever: „Die Erzählung kann zunächst als exakte Beschreibung einer Zwangsneurose interpretiert werden. Der dargestellte Symptomenkomplex deckt sich wohl am genauesten mit demjenigen der ‚Abwehrneurosen‘; Freud hatte sie bereits in einigen frühen Aufsätzen ausführlich erörtert […].“ (Duytschaever 1973, 33)

6 „Minder [...] zitiert aus Gesprächen mit Döblin, die er mit ihm 1955 über die Freiburger Zeit führte. Demnach ist der ‚biographische Klartext zur Ermordung einer Butterblume [...] das Verhältnis, in das er zu einem Mädchen gekommen war‘. Dazu Döblin: ‚In der letzten Studentenzeit bekam sie ein Kind: es starb rasch, ich hatte Glück.‘“ (Sander 2001, 21)

7 „Jedoch bleibt fraglich, ob sich Döblins Erzählweise in der vorgeschlagenen Weise aus dem psychiatrischen Diskurs ableiten lässt.“ (Wübben 2008, 97) Wübben bezieht sich hier auf Reuchlein (1991).

8 Vgl. in eine ähnliche, wenn auch deutlich weitgefasstere Richtung gehend Kleinschmidt 2001.

9 Döblin 2001, 56: „Wenn ein gelbrotes Abendlicht zwischen den Stämmen die Augen zum Zwinkern brachte“.

10 Döblin 2001, 59: „Inzwischen gingen seine Füße weiter.“

11 [...] er fand sich nicht mehr zurecht.“ (Döblin 2001, 62)

12 „Das beleidigte die Herrische. Sie sperrte den Leib ein, legte ihn in Ketten. Das war nun ihr Leib, ihr Eigentum, über das sie zu verfügen hatte. Sie wohnte in diesem Haus; man sollte ihr Haus zufrieden lassen.“ (Döblin 2001, 19)

13 Hier wird angespielt auf den Anfang des Textes, an dem die Beherrschung des Körpers bildhaft durch Dehnungsübungen umgesetzt wird.