Florian Kragl

Episodisches Erzählen – Erzählen in Episoden

Medientheoretische Überlegungen zur Systematik, Typologie und Historisierung

The article discusses episodic storytelling in narratological terms. The focus lies on those cases of episodic storytelling in which a linear story is split into episodic entities by means of narrative and/or media-related caesurae. This episodic storytelling – we might speak of an episodic storytelling in a narrow, narratological sense – is systematically defined by characteristic techniques of narrative closure. It comprises two subtypes, a ‘storytelling in episodes’ versus a ‘proper episodic storytelling’, which – all interferences set aside – differ with respect to the stronger or weaker narrative autonomy of the individual episode. Both subtypes seem to have their own literary history at least since the European Middle Ages. Throughout the article, careful attention is given to the (historically variable) media-related mechanisms which facilitate, regulate and restrict episodic storytelling.

1. Fragestellung

Das Anliegen des vorliegenden Beitrags ist sowohl ein typologisch-narratologisches als auch ein historisches. Er gilt dem episodischen Erzählen als einem (im engeren Sinne1) narratologisch fassbaren Phänomen. Als solches unterliegt es bestimmten allgemeinen systemischen Gesetzen, tritt jedoch in verschiedenen Typen hervor, die ihrerseits (medien  )historisch bedingt sind. Die Geschichte des episodischen Erzählens liefert damit einen Baustein zu einer Geschichte des Erzählens und seiner medialen Voraussetzungen (ähnlich Scheffel 2017, 234).

Welche Konturen eine solche Geschichte des episodischen Erzählens in den vergangenen ca. 800 Jahren haben könnte und auf welche Weise mediale Gegebenheiten das episodische Erzählen beeinflussen und regulieren, ist die Frage, die hinter den folgenden Ausführungen steht und die ich – nach dem Versuch einer Definition von episodischem Erzählen im engeren narratologischen Sinne (2) – in Form von Überlegungen zur Systematik (3) und Typologie (4) des episodischen Erzählens umkreisen will. Die Definition (2) scheidet episodisches Erzählen im engeren narratologischen Sinne von weiteren Formen des Episodischen und legt damit die heuristische Basis für die systematischen und typologischen Überlegungen. Ausgenommen werden in erster Linie solche Fälle des Episodischen, die ihre Episoden nach gleichsam extradiegetischen Kriterien verbinden und die sich mithin narratologisch nicht oder nur schwer umreißen lassen; sie scheinen vor dem Autorenfilm des späteren 20. Jahrhunderts höchst selten, vor dem ,Roman des Nebeneinanders‘ aber, also vor dem mittleren 19. Jahrhundert (vgl. Scheffel 2017, 232), praktisch gar nicht existent zu sein. Die Systematik (3) stützt die entworfene Definition, indem sie ihre unmittelbaren narrativen Konsequenzen bedenkt, namentlich die Schwierigkeit der Schlussfindung; sie sichert damit auch die Vergleichbarkeit der hier untersuchten Spielarten des Episodischen über die Zeit.2 Die Typologie (4) hingegen bereitet den Boden für eine feiner ausdifferenzierte historische Betrachtung, indem sie zwei Subtypen des episodischen Erzählens unterscheidet, die ihre je eigene, medial bedingte Literatur- bzw. Erzählgeschichte haben.

In allen Fällen werde ich mich ganz auf die syntagmatische Perspektive konzentrieren. Dass paradigmatische Erzählstrategien eine wesentliche Rolle gerade beim episodischen Erzählen spielen, sei damit nicht negiert; doch will mir scheinen, dass die Gemeinsamkeiten und Unterschiede gerade zwischen ,altem‘ und gegenwärtigem episodischen Erzählen mit Blick auf die syntagmatischen Verknüpfungstechniken besonders deutlich zutage treten.

Die diskutierten Beispiele sind so gewählt, dass sie sowohl Extremfälle eines breiten Kontinuums des episodischen Erzählens besetzen als auch die historische Dimension möglichst weit aufmachen. Sie entstammen im Wesentlichen dem Bereich des mittelalterlichen Romans und der zeitgenössischen Sitcom. Wie sich andere historisch fassbare episodische Genres zu diesen Extremfällen verhalten, versuche ich in abschließenden Thesen zur Historisierung (5) anzudeuten, die vor allem die medialen Bedingungen der verschiedenen Modi des episodischen Erzählens reflektieren.

2. Präliminarien: Formen des Episodischen

Episodisches Erzählen hat viele Gesichter. Das liegt schlicht daran, dass es – von Kürzesterzählungen abgesehen – kaum ein Erzählen gibt, das nicht zumindest auf irgendeine Weise episodisch wäre.3 Wie weit die Spielräume des Episodischen sind, zeigt die Breite der Begriffsverwendung.4 Sie erstreckt sich – dem Handlungsumfang nach – von der Episode im Sinne des Teils eines zyklischen Werks (z.B. Star Wars, Episode I-VII, 1977-2015) bis hin zur Episode im Sinne eines Teilabschnitts, also dessen, was wir heute Kapitel nennen (z.B. die Joye de la curt-Episode im Erec); und sie reicht – der Verknüpfung der verschiedenen Episoden nach – von linear aneinandergereihten Handlungsbezirken (etwa jenen des Alexanderromans) bis hin zu parallel geschalteten Handlungssträngen, die sich intensiver (Aki Kurosawas Rashomon, 1950) oder weniger intensiv (Jim Jarmuschs Night on Earth, 1991) berühren können. Sie alle treffen sich darin, dass – sehr allgemein gesprochen – eine fortlaufende Struktur einen oder mehrere Aspekte aufweist, die ihre Komponenten zu einer fortlaufenden erst machen, zugleich aber und gegenläufig auch einen oder mehrere Aspekte, die diese fortlaufende Struktur stören und damit – mit geringerer oder größerer Intensität – diese in kleinere Teile zerschneiden. Was diese Komponenten und welches die gegenläufigen Aspekte sind, ist maximal variabel. Sie können narrativ, thematisch, figürlich, rhetorisch, medial, was immer, sein. Über all dies zugleich zu sprechen, wäre gleich mehrfach vermessen; ich beginne darum mit einer begriffsgeschichtlich bedingten Einschränkung.5

Wenn ich im Folgenden von episodischem Erzählen oder vom Erzählen in Episoden spreche, dann habe ich ausschließlich solche Erzählformen im Blick, für die gilt:

Diese Bestimmung hält einiges außen vor. Da sind, erstens, jene Fälle, in denen zwar episodisch erzählt wird dergestalt, dass das gesamte Werk aus einer Mehrzahl an Episoden sich zusammensetzt, in denen aber die einzelnen Episoden keine narrative Sukzession im engeren Sinne ausbilden, sondern paradigmatisch6 aufeinander bezogen sind;7 zum Beispiel Jim Jarmuschs Filme Mystery Train (1989) und der schon erwähnte Night on Earth oder Vittorio De Sicas Ieri, oggi e domani (1963), wo parallel geschaltete Episoden (vgl. Scheffel 2017) aneinander gereiht sind, ohne dass sie narrativ interferierten: die Episoden spielen üblicherweise zwar (in etwa) zur selben Zeit, doch an verschiedenen Orten, mit verschiedenem handelnden Personal.

Da sind, zweitens, Fälle, in denen zwar die narrative Stringenz einer ,Geschichte‘ gegeben ist, die Figuren aber chargenweise ausgetauscht werden, weil von einer Episode zur nächsten größere Sprünge durch Raum und Zeit stattfinden. Man denke an so genannte Hommagen an Städte mit mehr oder weniger realem Hintergrund wie Paris, je t’aime (2006) oder die düstere Verfilmung von Frank Millers Sin City (2005) durch Robert Rodriguez und Frank Miller; oder auch an kulturfundierende Erzählformen, etwa Landnahme-Geschichten, wie das monumentale Hollywood-Epos How the West Was Won (1962), das in fünf Episoden die Erschließung des amerikanischen Westens von den 1830ern bis in die 1880er Jahre, also über gut ein halbes Jahrhundert hinweg, exemplarisch schildert. Filme wie diese erzählen nicht die Geschichte einer Figur oder einer überschaubaren Figurengruppe, sondern die Geschichte etwa einer Stadt, eines Landes, einer Epoche, die dann zu gleichsam übergeordneten ,Protagonisten‘ werden.

Und da sind, drittens, Fälle, bei denen die Segmentierung des Handlungsfadens zu Episoden entweder so harsch oder aber so zögerlich ausfällt, dass man von Episoden kaum noch sprechen möchte, meist auch nicht mehr spricht. Das eine Extrem markieren Fälle wie Vergils Aeneis. Sie weist eine klare interne Gliederung in 12 Bücher auf, die umso deutlicher hervortritt, als diese Bücher (freilich medial bedingt) jeweils in etwa dieselbe Länge haben, und doch würde man sie wohl ,Episoden‘ nicht nennen. Denn so klar sie als poetische Einheiten abgegrenzt sind, so intensiv sind ihre Handlungen miteinander verzahnt, sodass also hinsichtlich der narrativen Tektonik eben kein klarer Einschnitt zwischen beispielsweise Aeneis XI (der Tod der Camilla) und XII (des Aeneas Sieg über Turnus) liegt. Umgekehrt gibt es Fälle, in denen zwar von ,Episoden‘ gesprochen wird, diese Episoden aber je für sich eine geschlossene Erzählung formieren, sodass sie – etwa durch das Fortschreiben derselben Geschichte – nur sehr lose aneinander hängen; die einzelnen Teile aber bleiben selbständig. Star Wars ist der heute klassische Fall, bei dem die Benennung und Nummerierung von Episoden bezeichnenderweise auch erst partim post festum – nach Vorliegen von drei Teilen – eingeführt wurde; man könnte genauso gut denken an The Godfather I-III (1972-1990), Indiana Jones I-III (1981-1989; Teil IV von 2008 ist gleichsam ein Nachtrag) und vieles mehr. Deutlich wird so, dass episodisches Erzählen ein ,Dazwischen‘ ist; es ist ein Erzählen, dessen Episoden in sich so kompakt sind, dass man sie klar als solche erkennt, und die aber zugleich doch auf die übrigen Episoden so intensiv angewiesen sind, dass sie je für sich nicht oder nur schwer bestehen können.8 Wenn episodisches Erzählen ein Erzählen von relativer Autonomie und von relativer Geschlossenheit ist, kommt es in erster Linie auf das ,relativ‘ an.

Diese begriffliche Einschränkung geschieht nicht aus Selbstzweck oder um ,richtiges‘ von ,falschem‘, ,echtes‘ von ,unechtem‘, ,besseres‘ von ,schlechterem‘ episodischem Erzählen zu unterscheiden. Sie beruht auf zwei heuristischen Gründen:

Der eine hat zu tun mit der Vermeidung eines Vergleichs zwischen Äpfeln und Birnen; er betrifft die ersten beiden der oben getroffenen Setzungen. Wenn ich unter episodischem Erzählen jene Erzählformen nicht begreife, deren Episoden nicht an einer protagonistenbezogenen, linear verlaufenden Erzählung teilhaben – die also kein Erzählsyntagma ausbilden –, dann tue ich dies deshalb, um Phänomene auszuklammern, deren Kohäsion nur in einem sehr weiten Sinne auf narrativen Verfahren beruht: Eine Stadt zum Beispiel mag man metaphorice als Protagonistin begreifen, im eigentlichen Sinne ist sie aber keine, sondern nichts weiter als die thematische Rahmung einzelner Erzählungen, die auf diese Weise inhaltlich gebündelt, aber eben nicht narrativ verknüpft werden. Oder, dass bei Ieri, oggi e domani drei Liebesgeschichten in drei unterschiedlichen sozialen Milieus im Italien der 1960er Jahre erzählt werden, gibt dem Film konzeptuellen Zusammenhalt, doch ist dieser Zusammenhalt kein narrativer, sondern ein rein thematischer, sodass es auch möglich ist, dass alle drei Liebespaare von denselben Schauspielern (Marcello Mastroianni und Sophia Loren) verkörpert werden. Es versteht sich, dass dann auch die Einschnitte im Erzählen, mit denen die Episoden überhaupt erst gebildet werden, keine narrativen im engeren Sinne sind – also keine Zäsuren innerhalb eines Erzählzusammenhangs –, sondern vielmehr Narration von Narration trennen.

Der zweite heuristische Grund betrifft den dritten oben genannten Punkt. Dort wird, nun durchaus narratologisch, unterschieden zwischen mehr oder weniger dicht verknüpften episodischen Verhältnissen, und episodisches Erzählen habe ich dann begriffen als eine Zwischenstufe, die sich irgendwo bewegt zwischen fortlaufenden narrativen Strukturen und zyklisch kombinierten Einheiten. Daraus folgt, dass es nie um binäre Relationen geht, sondern stets um ein in beide Richtungen zu denkendes Mehr oder Weniger des Episodischen, und die Entscheidung darüber, was nun episodisch, was zyklisch, was aber wie aus einem Guss wäre, ist immer eine Frage des Ermessens. Dieses Ermessen allerdings ist medial reguliert. Was als mediale Einheit präsentiert wird, ist – von postmodernen Bemühungen abgesehen – tendenziell auch narrativ kompakt: Vergils Aeneis ist ein Buchepos, und der narrative Bogen ist von der (freilich im Rückblick erzählten) Flucht aus Troja bis zum Tod des Turnus straff gespannt; Star Wars hingegen ist eine Folge abendfüllender Filme, die in lockerer Folge über viele Jahre hinweg erschienen sind und offenbar noch weiter erscheinen, jeder dieser Filme steht für sich.

Dass es bei alledem eine ganze Reihe von Überschneidungen gibt, die Kategorien also nie zu sauberen Distinktionen führen, sondern eine Zwischenstufe neben die andere tritt, versteht sich. Es lässt sich auch an den bisherigen Beispielen ablesen.9 Selbst die scheinbar klaren Fälle sind solche immer nur dem ersten Anschein nach.10 Diese mehr oder weniger intrikaten Zweifelsfälle tun dem Kategorienaufriss allerdings keinen Abbruch: Dass sich Erzählformen, die primär auf andere Strategien der Kohärenzstiftung setzen, zugleich auch narrativer Modellierungen im engeren Sinne bedienen, macht diese Differenz nicht obsolet, und die Dominanz der medialen Rahmung wiederum bietet eine sehr brauchbare Handhabe, um episodisches Erzählen im engeren narratologischen Sinne nun nicht länger nur vorläufig zu bestimmen:

Episodisch ist ein Erzählen, das (1) in sich zu episodenhaften Teilen von relativer Autonomie und relativer Geschlossenheit aufgefächert ist, wobei (2) die narrative Verfasstheit, mehr noch aber die medialen Gegebenheiten ausschlaggebend dafür sind, dass diese episodenhaften Teile als Erzähleinheit wahrgenommen werden.

3. Systematik: Episodik und Finalität

Die formulierte Definition des episodischen Erzählens lässt sich auch über die ihr inhärente Erzählschwierigkeit begründen: Episodisches Erzählen – als eine narrative Schwellenform zwischen homogener Narration hier und separaten, nur lose zu einem Zyklus verflochtenen Erzählungen dort – läuft beständig Gefahr, zwischen diesen beiden Polen gleichsam aufgerieben zu werden. Kennzeichnend für das episodische Erzählen ist, dass und mit welchen Mitteln auf diese Gefahr reagiert wird.

Äußeres Kennzeichen ist die mediale Rahmung, die dem episodenhaften Ganzen stabile externe Grenzen setzt, ganz gleich ob dies nun die Bemaßungen einer Serien-Episode im Fernsehen und die regelmäßige periodische Wiederkehr solcher Episoden betrifft oder die Segmentierung eines mittelalterlichen Romans oder Epos zu episodischen Einheiten, die man sich gut als Vortragseinheiten denken kann (die ,Aventiuren‘ des Nibelungenlieds wären der entsprechende locus classicus).

Inneres Kennzeichen ist die Notwendigkeit, die medial gefestigte, in sich aber narrativ labile episodische Konstellation durch bestimmte narrative Techniken weiter zu stabilisieren. Vermieden werden soll – in aller Regel –, dass sich die einzelnen Episoden wie lose zusammengeklebte Teile ausnehmen, die nur über die Identität der Protagonisten und den groben Fortlauf der Geschichte zusammengehören. Das probate Mittel, diesen Zusammenhalt zu stiften, ist die Schlussfindung. Sie muss leisten, was die, wenn man so möchte, Episodizität zuvor einfordert, nämlich das teils Heterogene, Disparate auf einen finalen narrativen Nenner zu bringen, der dem lockeren Zusammenhang den Stempel eines festen Zusammenhalts aufprägt. Im Wechsel der einzeln Episoden kann es nur sehr bedingt gelingen, so etwas wie einen übergreifenden narrativen Bogen deutlich zu etablieren; ein solcher Versuch würde immer wieder davon gehemmt, dass eine jede Episode für sich ihren narrativen Schluss sucht – sonst wäre sie keine –, was aber zugleich bedeutet, dass sie alles Übergreifende für den Moment kappen muss. Erst ganz am Ende ist es möglich, das Teil-Disparate der Episoden endlich auch narrativ auf ein Ziel hin zu führen und damit die Illusion zu erwecken, dass alles Episodenhafte von Anfang an auf dieses Ziel hin hatte laufen sollen. Episodisches Erzählen ist systematisch nicht abschließbar; umso deutlicher müssen die Schlusswendungen ausfallen, um diese systematische Lücke wirkungsästhetisch zu füllen.

Daraus folgt im Umkehrschluss: Wenn episodisches Erzählen sich dadurch auszeichnet, dass es mehr oder weniger selbständige Erzähleinheiten, die sich ihre Figuren und ihre ,Geschichte‘ teilen, zu einem größeren Ganzen verbindet, dann müssten sich dieses Verfahren und die mit diesem verbundenen Chancen und Schwierigkeiten an der narrativen closure besonders deutlich abzeichnen. Die Schlussfindungen des episodischen Erzählens heben dieses von anderen Erzähltypen deutlich ab. Dies gilt heute nicht weniger als in ,alter‘ Zeit. Zwei Beispiele – die vorletzte Staffel der US-amerikanischen Sitcom Friends sowie der deutsche Artusroman Lanzelet – mögen dies illustrieren.

(a) Friends, Season 9

Die Sitcom, die in den 1990er Jahren eine erstaunliche Reichweite aufweisen konnte, lässt sich am einfachsten über eine Vorstellung der sechs Hauptfiguren charakterisieren: Monica, eine erfolgreiche Köchin und Hauptmieterin jener Wohnung, in der ein Gutteil der Serie spielt; Ross, Monicas älterer Bruder, ein Paläontologe, dessen Wohnung auf der anderen Straßenseite liegt, mit Blickkontakt; Chandler, seit College-Zeiten der beste Freund von Ross und Datenverarbeiter, aktuell aber Werbetexter, der zunächst Tür gegen Tür mit Monica wohnt, inzwischen aber mit ihr zusammenlebt und also in der nämlichen Wohnung logiert; Rachel, die beste Freundin Monicas seit Kindestagen, immer schon der Schwarm von Ross, mit diesem befangen in einem on-again-off-again relationship, zuerst Kellnerin, später Modehändlerin, stets Fashionista; Phoebe, frühere Mitbewohnerin von Monica, Lebenskünstlerin und Masseuse; schließlich Joey, erfolgsarmer Schauspieler und Mitbewohner Chandlers in der Wohnung gegenüber, die Chandler später verlassen hat.

Season 9 zeichnet sich dadurch aus, dass die Freunde, nicht mehr ganz jung, zum einen immer erwachsener werden, zum anderen aber die internen amourösen Verstrickungen immer dichter wuchern. Das kontrastiert mit früheren Seasons, die unbefangene Twens gezeigt haben, deren Bindungen lockerer waren, die aber – abgesehen von der ständigen Krise um Rachel und Ross und der langsam sich abzeichnenden Liebe von Monica und Chandler – nur selten miteinander, häufiger mit guest stars ihre Liebesbeziehungen auslebten. Erwachsen werden Chandler und Monica, die ein festes Paar abgeben und sich mehr und mehr der Idee, Kinder zu haben, öffnen; durcheinander ist das Leben von Ross, der zwischen Rachel und einer Kollegin namens Charlie; von Rachel, die zwischen Ross und Joey; von Joey, der zwischen Rachel und der nämlichen Charlie; und von Phoebe, die – etwas abseits – zwischen David und Mike steht.

Das Finale nun, das den Titel „The One in Barbados“ trägt, sticht schon dadurch hervor, dass es als Doppelfolge inszeniert ist, und dies am ,falschen‘ Ort: Weit weg von Monicas Wohnung und dem Stammkaffee der Freunde, dem Central Perk (sic!), finden sie sich beim Kongress der Paläontologen auf Barbados ein, wo Ross eine Keynote halten soll, die anderen aber Urlaub machen wollen (der ins Wasser fällt: es regnet ununterbrochen). Chandler und Monica bleiben in dieser Doppelfolge ähnlich blass, wie sie es die ganze Season über waren: Von einem glücklichen Paar lässt sich schlecht erzählen. Hauptsächlich dreht sich das Finale um Phoebe, Rachel, Joey und Ross. Alles ist fürchterlich kompliziert, und die symmetrisch gebauten Beziehungsnetze verheddern sich mehr und mehr, bis sich plötzlich und schlussendlich eine stabile Reihe von Paaren bildet.

Das Finale greift die durch die Season laufenden Fäden auf und führt sie allesamt auf ein klares Ende. Wichtiger noch aber ist, dass dies mit einem bombastischen Effekt geschieht. Küsse, Break-Ups und neue Liebe gibt es bei Friends ständig, auch und gerade in Season 9. Das Besondere am Finale ist, dass nun die Aktionen gleichsam koordiniert erfolgen. Es geht Schlag auf Schlag, und dies hat zur Folge, dass am Ende nicht nur alle Zitterpartien entschieden sind, sondern dass die emotionale Dichte genauso enorm ist wie die ständigen Überraschungseffekte, die von ihr bedingt sind. Es geschieht Unerhörtes – fast eine volle Stunde lang.

(b) Lanzelet

Er stehe hier stellvertretend für den höfischen Roman überhaupt, dessen Schlussfindungen genauso vergleichbar sind wie ihre Handlungsführung. Lanzelet ist Protagonist und Ritter, er hat sich, ein Waisenkind, durch frühe ritterliche Erfolge zuerst einen Ruf, dann einen Namen gemacht (er weiß lange Zeit nicht, wer er ist), zur Hälfte des Romans ist er Artusritter und unter den Artusrittern der neue Held. Die zweite Handlungshälfte zeigt ihn und seine (dritte) Frau Iblis in zwei je für sich skurrilen Treuetests, dann befreit er die entführte Ginover in einer Gemeinschaftsaktion und demonstriert so, dass er auch ein hervorragender social player ist. Damit ist alles getan, was zu tun war, der Handlungsschluss steht an.

Ulrich von Zatzikhoven, der Verfasser des deutschen Lanzelet, dessen mutmaßliche französische Vorlage verloren ist, erzählt diesen Schluss folgendermaßen (V. 8041-9449): Zuerst rüstet Lanzelet in Kooperation mit Artus ein großes Heer in der Absicht, damit gegen Genewis zu ziehen. Genewis ist Lanzelets Erbland, aus dem das Kind von einer Meerfee gerettet worden war, als die Untertanen gegen Lanzelets Vater Pant, einen Despoten, rebellierten. Boten werden vorausgeschickt, um in Erfahrung zu bringen, wie die Landsleute auf Lanzelets Forderungen reagierten (und wie es seiner Mutter ginge). Die Situation ist politisch heikel, auch wenn dies – typisch für den höfischen Roman – nicht eigentlich ausgestellt wird. Doch alles löst sich rasch in Wohlgefallen auf. Ein treuer Gefolgsmann hat das Land verwaltet, der Mutter geht es prächtig, man sieht der Rückkehr des jungen Herrn freudig entgegen (oder behauptet es jedenfalls). Lanzelet zieht selbst nach Genewis und wird gekrönt.

Damit nicht genug: Durch den Sieg über Iweret, den bösen Vater seiner Frau Iblis, hat Lanzelet auch dessen drei Länder erworben, ohne aber dort die Herrschaft angetreten zu haben. Das will er nun ebenfalls nachholen. Er gibt sein Erbland also wieder in Verwaltung und zieht weiter nach Dodone – dem ehemaligen Machtzentrum Iwerets –, wo er wiederum in Freuden empfangen wird. Man trifft Vorbereitungen zu einem monströsen Hoffest, zu dem auch König Artus selbst anreist, auch in Dodone werden Lanzelet und Iblis gekrönt. Schier endlos wird gefeiert, bis Artus und die Seinen endlich Abschied nehmen. Lanzelet und Iblis aber – so informiert ein kurzer Ausblick – halten glücklich Herrschaft und zeugen für vier Länder vier Nachkommen – eine Tochter und drei Söhne. Auch ihre Enkel zu sehen, ist ihnen noch gegönnt, ehe sie hochbetagt und am selben Tag aus dem Leben scheiden.

Das Eigentümliche an closures dieser Art ist die fast völlige narrative Erstarrung. Während bei Friends das Schlusssignal mit sich überschlagenden Ereignissen gegeben wird, ist es im Lanzelet die schiere Handlungsarmut, die das leise Ausklingen der Geschichte anzeigt. Beiden gemeinsam ist aber, dass kein neues narratives Material dazukommt – auch das eben besprochene Friends-Finale wärmt nur auf, was in der Season davor schon mehrfach da war – und dass die Erzählung eine sonst nicht gekannte Ausdehnung gewinnt. Season 9 von Friends findet ihren Abschluss mit einer Doppelepisode. Der Lanzelet braucht für seine Schlusswendung in etwa anderthalbtausend Verse. Das Finale ist damit wesentlich länger als die meisten einzelnen Episoden davor, und die Handlungsarmut tut ihr Übriges dazu, dass diese Länge im Lesen oder Hören auch bewusst wird.

Es sind diese beiden Schlussfindungen von Friends und Lanzelet konventionell darin, dass sie sich ganz darauf konzentrieren, den potentiell unendlichen Lauf der Episoden mit Mitteln der Handlungsführung auf einen Ruhepunkt zu zwingen. Bei Friends hemmen die neu sich gefunden habenden Paare mit ihrem endlich reibunglosen Liebesglück (zumindest bis zum Start der nächsten und letzten Season 10) weitere Ent- und Verwicklungen, weil eben nicht nur – wie es auch während der Season geschieht – einzelne Figuren eine gewisse Stabilität in ihrem Liebesleben erreichen, sondern alle zugleich. Damit erlöschen alle narrativen Impulse automatisch. Beim Lanzelet wiederum zementiert die closure nicht nur Lanzelets Exzellenz, sondern führt auch in aller Deutlichkeit vor, dass Lanzelet nun sein coming-of-age überwunden und einen Lebensabschnitt zu Ende gelebt hat. Weitere mögen folgen, aber davon zu erzählen, lohnt nicht. Glücklich sind diese prolongierten Enden allemal, am intensivsten im höfischen Roman. Doch das Glück, das sie trägt, ist nicht das dynamisch waltende Schicksal, wie es häufig die episodische Erzählvielfalt davor als narratives perpetuum mobile antreibt (weshalb episodisches Erzählen häufig glücklich im doppelten Sinne ist), sondern es ist vielmehr ein Zustand allumfassender Glücklichkeit, die alle narrative Bewegung erstickt (ähnlich Kragl 2010, vgl. auch die grundlegenden Beobachtungen von Unzeitig-Herzog 1999).

Episodisches Erzählen zeichnet sich also durch bombastisch inszenierte Schlüsse von geradezu operettenhafter Dramatik aus, weil in diesen Schlüssen all jene narrativen Verknüpfungen geleistet werden, die im Erzählgefüge davor nur zum Teil, und oft nur in Ansätzen vorhanden sind. Eine solche Syntheseleistung fordert enorme narrative Energie (vgl. Störmer-Caysa 2010, 369). Im Finale wird alles geballt, sei es, dass alle wichtigen Figuren nochmals auf die narrative Bildfläche geholt werden, sei es, dass die wesentlichen Probleme der Episoden davor nochmals narrativ verdichtet erscheinen, die meisten davon wohl auch gelöst. Dass diese Schlüsse selten organisch aus dem Vorherigen entwickelt sind, vielmehr aufgesetzt und gekünstelt wirken, liegt in der Natur der Sache. Einen narrativen Konflikt, ein narratives Problem, eine schwierige Figurenkonstellation – was immer Motor der Handlung ist –, die über viele Episoden konstant vor sich hin schwelen, plötzlich vom einen aufs andere stillzustellen, aus der Erzählwelt zu eskamotieren, zu harmonisieren, muss notwendigerweise einen schalen Nachgeschmack hinterlassen.

Nirgends wird dies deutlicher als im Vergleich des episodischen Erzählens mit solchen narrativen Entwürfen, die sich nicht oder ungleich weniger stark auf episodische Prozesse verlassen. Man denke an drei beliebig herausgegriffene Fälle: Vergils Aeneis (29-19 v. Chr.), Johann Wolfgang von Goethes Wahlverwandtschaften (1809) oder Franz Kafkas Prozess (1925). Ihnen gemeinsam ist, dass sie mit einer Schlusssetzung enden, die sich ganz auf die Wucht eines einzelnen Handlungsmoments verlässt, in dem das Bisherige gleichsam gebündelt auf ein Ziel gebracht wird.


Vergil:

hoc dicens ferrum adverso sub pectore [scil. Turni] condit
fervidus [scil. Aeneas]; ast illi solvuntur frigore membra
vitaque cum gemitu fugit indignata sub umbras.
(XII, 950–952)

Goethe:

Was sollen wir, bey diesem hoffnungslosen Zustande, der ehegattlichen, freundschaftlichen, ärztlichen Bemühungen gedenken, in welchen sich Eduards Angehörige eine Zeit lang hin und herwogten. Endlich fand man ihn todt. […] Ganz deutlich war Eduard von seinem Ende überrascht worden. Er hatte, was er bisher sorgfältig zu verbergen pflegte, das ihm von Ottilien übrig gebliebene, in einem stillen Augenblick, vor sich aus einem Kästchen, aus einer Brieftasche ausgebreitet: […] Und so lag denn auch dieses vor kurzem zu unendlicher Bewegung aufgeregte Herz in unstörbarer Ruhe; und wie er in Gedanken an die Heilige eingeschlafen war, so konnte man wohl ihn selig nennen. Charlotte gab ihm seinen Platz neben Ottilien und verordnete, daß Niemand weiter in diesem Gewölbe beygesetzt werde. […]
So ruhen die Liebenden [scil. Eduard und Ottilie] neben einander. Friede schwebt über ihrer Stätte, heitere verwandte Engelsbilder schauen vom Gewölbe auf sie herab, und welch ein freundlicher Augenblick wird es seyn, wenn sie dereinst wieder zusammen erwachen. (Goethe 1809, 338-340)

Kafka:

Aber an K.s Gurgel legten sich die Hände des einen Herrn, während der andere das Messer ihm ins Herz stieß und zweimal dort drehte. Mit brechenden Augen sah noch K. wie nahe vor seinem Gesicht die Herren Wange an Wange aneinandergelehnt die Entscheidung beobachteten. „Wie ein Hund!“ sagte er, als sollte die Scham ihn überleben. (Kafka 1995, 211)

Genau diese Pointenhaftigkeit des Schlusses ist dem episodischen Erzählen verwehrt. Es muss sich seinen Schluss so mühsam erarbeiten, dass alle prägnante Zuspitzung unmöglich wird und das Finale in der zähen Masse der verdichteten Wiederholung seinen Ruhepol sucht. Darum auch gehören episodische Happy Endings zu dem Anstrengendsten, was die abendländische Erzählkunst hervorgebracht hat. (Dass dies, wie die Einschaltquoten moderner Fernsehserien zeigen, das Fernsehpublikum nicht davon abschrecken kann, gerade diese Finale unbedingt sehen zu wollen – getragen von der illusionären Hoffnung wohl, doch noch jenen dramatischen Höhepunkt zu erleben, den ein Serienfinale unmöglich bieten kann –, steht dahin.) Sie sind nötig, um Schluss zu machen, wo es keinen Schluss geben kann. Doch indem sie dies tun, zeigen sie doch nichts als ihre eigene Unmöglichkeit.

4. Typologie: Erzählen in Episoden und Episodisches Erzählen

All dies will nicht einer Gleichsetzung alles episodischen Erzählens das Wort reden. Unterhalb dieses systematischen Horizonts gibt es durchaus verschiedene narrative Strategien des episodischen Erzählens, die sich historisch je verschieden verteilen. Sie wirken nicht am Ende der Episodenreihe, sondern an den narrativen Bindegliedern zwischen den einzelnen episodischen Abschnitten. Zu Typen gefasst, wären dies ein ,Erzählen in Episoden‘ versus ein ,episodisches Erzählen‘ (im nun noch engeren, gleichsam eigentlichen Sinne). Für sie beide gilt, was eingangs zum episodischen Erzählen im narratologischen Sinne gesagt worden war, beide unterliegen sie den eben exponierten Systemgesetzen. Unterschieden sind sie jedoch in ihrem narrativen Wollen und in ihrer medialen Exposition.

Das Erzählen in Episoden ist eines, das die Einheit der Episode weit in den Vordergrund rückt, wie dies etwa an Friends zu beobachten ist. Schon die Titelfolge der Episoden von Season 9 zeichnet ein klares Bild: „The One where Emma Cries“, „The One with the Pediatrician“, „The One with the Sharks“, „The One with Phoebe’s Birthday Dinner“ usf. Die Grundeinheit eines solchen Erzählens ist die einzelne Episode, und dass diese Episoden zu einem übergreifenden Zusammenhang sich verbinden – einer Serie etwa –, ist demgegenüber sekundär. Das Erzählwollen hat primär in der einzelnen Episode statt, die auf diese Weise nicht nur nochmals autonomer und geschlossener wird gegen ihre Geschwister, sondern die damit auch die Entfaltung eines übergreifenden Zusammenhangs massiv stört. Darum ist es der klassischen Sitcom – der Urszene dieses Typs – energisch verwehrt, eine Geschichte zu erzählen, die über die einzelne Episode hinausreicht, und wo es doch geschieht, läuft ein solcher narrativer Zusammenhang immer nur nebenher und suggeriert Kohäsion, ohne wesentliche narrative Kohärenz zu stiften. Die eigentliche Aufmerksamkeit gilt stets dem szenischen Moment der Einzelepisode. Das Erzählen in Episoden ist darum jene Subspezies des episodischen Erzählens, die immer hart am narrativen Kollaps entlang erzählt; dass dieser Kollaps nie eintritt, garantiert die mediale Präsentation, also etwa des Immergleichen zur immergleichen Sendezeit am immergleichen Sendeort, womöglich mit den immergleichen Inhalten. Mit anderen Worten: Dieses Erzählen in Episoden läuft persistent Gefahr, zu einem zyklischen Erzählen zu werden, wie man es heute vor allem aus Krimiserien – von Kottan ermittelt (1976-1983) über die ortsgebundenen Tatorte (seit 1970) bis hin zu den Midsomer Murders (seit 1997) – kennt.

Die andere Spielart des episodischen Erzählens – das eigentliche episodische Erzählen, wenn man so möchte – vollführt eine gegenläufige Bewegung. Es ist am Vergleich von Lanzelet und Friends deutlich zu sehen: Während Friends stur reihend verfährt und dort Handlungsfäden, die über mehrere Episoden gespannt sind, die Ausnahme darstellen, ist dem höfischen Roman das Bemühen um solche übergreifenden motivationalen Zusammenhänge – also um klassische narrative Kohärenz – deutlich anzumerken. Im Lanzelet betrifft dies, ganz wie in den meisten anderen arthurischen Romanen davor, daneben und danach, die Einsortierung der Episoden in eine coming-of-age-Geschichte, die alles Disparate zu einer scheinbar homogenen Lebens-, oft auch Liebesgeschichte11 zusammenfängt.12

Lanzelet wächst auf als verwaistes Kind eines Tyrannen, den seine eigenen Untertanen erschlagen haben. Seine Erziehung übernimmt eine Meerfee, die ihm seinen Namen und seine Identität vorenthält. Lanzelet muss sich erst bewähren, ehe ihm diese kundgetan werden: Er zieht also als halbwüchsiger Ritter aus – dazu drängt ihn sein Naturell –, absolviert das Dümmlingsmotiv, lernt von Rittern, denen er zufällig begegnet, und findet endlich im grimmigen Galagandreiz seinen ersten Gegner, den er prompt mit dem Messer und im unhöfischen Kampf ersticht. Dessen namenlos bleibende Tochter heiratet er, um doch bald weiterzuziehen und mit Ade und Iblis noch zwei weitere Frauen auf ähnliche Weise zu gewinnen. Mit dem Sieg über Iblis’ Vater Iweret hat sich Lanzelet als würdig erwiesen, eine Botin der Meerfee sagt ihm Namen und Herkunft. Doch schon muss Lanzelet weiter, denn von einem Boten hat er gehört, dass Ginover in Gefahr ist. Am Artushof besiegt er für diesen den Kontrahenten Valerin und wird dann Teil der Tafelrunde: Lanzelet hat sich einen Namen gemacht, seinen eigenen gefunden, ist Artusritter geworden. Nach diesem ersten Handlungsteil festigt der zweite Teil das Erworbene in verschiedenen weiteren Aventiuren, auf die ich hier nicht weiter eingehe; am Ende hat sich Lanzelet als jener ,bester Ritter‘ erwiesen, für den er von Anfang an gegolten hatte, und er kann – nach dieser rasanten Ritterkarriere – mit Recht die Herrschaft in seinen Landen antreten.

Dass da einiges nicht stimmt – man denke an Lanzelets sonderbare Polygamie, daran, dass nicht nur Lanzelet, sondern auch der Text seine früheren Frauen sehr rasch vergisst, auch an sein ständiges Werden zum Besten der Besten, der er doch schon lange ist –, tut dem kaum einen Abbruch; die schiere Linearität der Episoden, die nur axiologisch, nie aber durch raumzeitliche Aporien gestört wird, trägt dafür Sorge, dass diese Strategie rezeptionsästhetisch aufgeht. Der Unterschied zu Friends bleibt markant: Die Episoden des höfischen Romans sind deutlich zu erkennen, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Aventiurestruktur (die Episoden sind strukturell identisch) stärker zyklisch-iterativ als linear-progressiv angelegt ist (vgl. Störmer-Caysa 2010, bes. 366-371). Aber ihre Abmessungen sind unschärfer, der Roman löst sich vom reinen Erzählen in Episoden, wenn diese Loslösung auch keine radikale, sondern nur eine graduelle ist. Das episodische Erzählen befreit sich vom narrativen Sog der einzelnen Episode und bettet diese schon im Verlauf des Erzählens stärker in einen kontinuierlichen narrativen Zusammenhang, der klare Relationen von Vorher und Nachher kennt – während bei Friends viele Folgen schlicht austauschbar wären –, sodass dieses episodische Erzählen im eigentlichen Sinne klarer die Zwischenstellung zwischen narrativer Homogenität und zyklischer Wiederholbarkeit für sich behauptet, als ein Erzählen in Episoden dies vermöchte.

5. Thesen zur Historisierung

Das eben entworfene typologische Modell lässt sich in den historischen Raum projizieren. Das Erzählen in Episoden, wie es der Normalfall der modernen Fernsehserie ist, nimmt seinen Ausgang bei einem im Grunde statischen Konzept, das sich aus zwar dynamischen, in ihrer Dynamik aber unveränderlichen Spannungen einer gesuchten Figurenkonstellation ergibt – ein Freundeskreis, eine Familie, eine politische Organisation. Diese Spannungen können immer wieder neu in Handlung abgeleitet werden, solange dies auf eine Weise geschieht, die den Spannungsgenerator selbst nicht neutralisiert. Die Episode ist das produktionsästhetische Ziel, auf das so lange hingearbeitet wird, bis irgendwann die Einschaltquoten so weit sinken, dass die Serie eingestellt wird. Das große Finale oder die großen Finale der einzelnen Seasons – das ist dasselbe, denn jede Season könnte die letzte gewesen sein, jede letzte Season ließe sich aber potentiell fortsetzen – formieren nur sensationelle Höhepunkte im narrativen System; eine echte narrative Notwendigkeit sind sie nicht.

Das eigentliche episodische Erzählen, wie es hinter dem höfischen Roman steht, ist dagegen aufs Erzählganze gerichtet. Von Chrétien de Troyes wissen wir – nämlich aus seinem Erec-Prolog (V. 1-26) –, dass hier die Episode das vorgängige Element ist und dass episodisches Erzählen – produktionsästhetisch – bedeutet, mehrere solcher Episoden unter Dach und Fach zu bringen und auf diese Weise zu bilden, was man später den mittelalterlichen Roman nennen wird. Kurze, selbständige Erzählungen stellen das narrative Material, das dann in seiner Zweitverwertung zur Episode überhaupt erst wird. Wir wissen nicht, was die mittelalterlichen Autoren den Proto-Episoden angetan haben, um sie in einen ,wohlgeordneten Zusammenhang‘ (Chrétiens molt bele conjointure; Erec et Enide, V. 14) zu bringen. Der Vergleich der Romane Chrétiens und seiner Nachfolger etwa mit den Lais der Marie de France lässt aber immerhin erahnen, dass dieses Zurichten sich nicht alleine darauf beschränkte, dem Protagonisten der Episoden denselben Namen zu geben (oder Erzählungen eines einzigen Protagonisten zu sammeln), sondern dass auch die Abfolge der Episoden und ihre Zentrierung um ein thematisches Problemfeld dem neuen Ganzen Kohärenz geben sollte.13

Wenn das bisher Gesagte zuträfe, wäre die historische Konsequenz daraus keine geringe. Was zunächst Typus zu sein schien, trüge damit ein unverkennbares historisches Etikett: Erzählen in Episoden wäre ein historisch sehr junges Phänomen, das auf die medialen Gegebenheiten des Fernsehens, davor vielleicht schon des Rundfunks überhaupt reagiert. Es setzt gewiss Phänomene wie den in Teilstücken publizierten Roman fort – nirgends ist dies deutlicher als bei der lateinamerikanischen Telenovela, die erzählgeschichtlich auf den Fortsetzungsroman zurückgeht (vgl. dazu Klindworth 1995, Aubry 2006, zusammenfassend Quitzsch 2008) – oder auch Textsammlungen, die sich um einen Protagonisten ansammeln. Solches hat es immer schon gegeben, der Pfaffe Amis des Stricker wäre ein früher Exponent dieser Strategie in der deutschen Literaturgeschichte, und der Fortsetzungsroman (überwiegend) des 19. und früheren 20. Jahrhunderts (vgl. die Überblicke Neuschäfer et al. 1986, Bachleitner 1999) lässt sich in dieser Hinsicht wohl als später, nicht nur, aber größtenteils trivialer Ausläufer des frühneuzeitlichen Ritterromans begreifen (vgl. zum Amadisroman Schaffert 2015). Die starre Systematik des Erzählens in Episoden jedoch, wie wir es heute gewohnt sind, setzt die Stabilität der technischen Gegebenheiten voraus, die den Episoden – in den Zeiten vor DVD und Video – einen festen Sendeplatz und eine feste Sendezeit gab, diese aber vor allem zeitlich streng normierte und so ein homogenes serielles Erzählen schuf, das es zumindest vor dem Fortsetzungsroman nicht nur nicht gegeben hat, sondern gar nicht hätte geben können. Erst das mediale Setting stabilisiert dieses Erzählen in Episoden so weit, dass man diese nicht für separate Geschichten desselben Personals um ähnliche Themen ansehen kann – so wie Le nozze di Figaro und Il barbiere di Seviglia, oder vielleicht auch irgendwelche mündlichen Geschichten von Erec, die im frühen und mittleren 12. Jahrhundert im insularen Raum herumschwirrten –, sondern als zusammengehöriges episodisches Ganzes.

Demgegenüber scheint das eigentliche episodische Erzählen eines zu sein, das heute wenn nicht ganz verschwunden, so doch aus dem Brennpunkt der kulturellen Produktion gerückt wäre. Auch dies liegt an mediengeschichtlichen Produktions- und Rezeptionsbedingungen. Autonome kurze Erzählungen zu einem neuen Ganzen zusammenzufügen, dabei aber die episodische Natur dieser Komposition nicht ganz zu verhüllen, mag im 12. und 13. Jahrhundert schlicht das Nächstliegende gewesen sein: Das Entwerfen neuer Geschichten war zumindest im Bereich des literarischen Höhenkamms der Volkssprachen nicht das comme il faut, sodass das Neue – in erster Linie der höfische Roman – notwendig auf vorliegendes, dann aber eben kurzes, episodenartiges Material zurückzugreifen hatte. Umgekehrt stellte die mündliche Vortragsrealität14 auch dieser schriftnächsten, romanhaften Erzählungen, die die volkssprachliche Literatur des Mittelalters kannte, sicher, dass auf klare episodische Einheiten nicht zu verzichten war: Auch der höfische Roman wird mutmaßlich in Etappen vorgelesen, vorgetragen, aber eben nicht open end. Die Vortragseinheiten sind nicht von derselben Verbindlichkeit wie die Publikationshäppchen des Fortsetzungsromans oder die Episoden einer Telenovela oder einer Sitcom; die Zäsuren sind greifbar, aber sie sind weniger tief geschnitten als in späterer Zeit.

Es regiert dieses – in dem beschriebenen, sehr speziellen Sinne – semi-orale Erzählen, dem eine fein austarierte Spannung zwischen der Autonomie der einzelnen Episode und ihrer Integration in einen Romankontext (man könnte auch sagen: zwischen zyklischer Iteration der Episodenstruktur und linearer Progression der Episodenreihe [vgl. Störmer-Caysa 2010, 370]) zu eigen ist, im Grunde das gesamte ,volkssprachliche Mittelalter‘ (derselbe Befund bei Bloomfield 1970, Haidu 1983, Evans 1986; vgl. ebenfalls Kipf 2014, 77f.) und es bleibt auch lange über die höfische Zeit hinaus traditionsbildend. Noch die Romane der Renaissance und der Frühen Neuzeit – Don Quixote, Orlando furioso, auch der Simplizissimus – sind davon gezeichnet.15 Spätestens aber mit der Neuerfindung des Leseromans (und des Leseepos) im 18. Jahrhundert verschieben sich die Gewichte. Literatur ist nun zwar, was ihre Stoffe und Motive anlangt, vielleicht nicht neuer als zuvor, aber sie geriert sich doch so und löst sich damit immer weiter von konkreten Vorlagen. Vor allem aber ist Literatur nun mehr und mehr eine für Leser – nicht für Vorleser und Hörer. Dem alten episodischen Erzählen, dem episodischen Erzählen im eigentlichen Sinne, sind damit seine wesentlichen Voraussetzungen abhanden gekommen.

Gewiss ist diese skizzierte historische Situation nicht als eine des Entweder-oder zu begreifen. Schon die – terminologisch bewusst ,weiche‘ – Typisierung des episodischen Erzählens in ein Erzählen in Episoden einerseits sowie in ein eigentliches episodisches Erzählen andererseits – die noch dazu beide denselben systematischen Erzählbedingungen unterworfen sind (schwierige Schlussfindung) – sollte gezeigt haben, dass hier keine binäre Opposition beschrieben ist, sondern vielmehr zwei Tendenzen des episodischen Erzählens, die in der Erzählpraxis nie als Idealtypen zu greifen sind.16

Wie komplex die Mischungsverhältnisse ausfallen können, ließe sich am Tristan Gottfrieds von Straßburg (um 1210) zeigen, der, je länger er geht, desto mehr vom eigentlichen (und typisch mittelalterlichen) episodischen Erzählen (Tristans coming of age) übergeht hin zu jenem Erzählen in Episoden (die Ehebruchsgeschichte in einer Reihe von schwankhaften Episoden, die keine Deklination mehr bilden17), wie man es ansonsten aus den schriftlich erhaltenen Texten des Mittelalters nicht kennt, wiewohl es im mündlichen Arrangement von Kurzerzählungen präsent gewesen sein möchte. Auch die allmähliche Degeneration des episodischen Erzählens zu einem Erzählen in Episoden vom mittelalterlichen zum frühneuzeitlichen Ritterroman (Amadis) führt vor, wie breit die Übergangsbereiche sind.

Noch schillernder sind vor allem die neueren Tendenzen des (US-amerikanischen) Erzählens in Episoden, das sich in jüngster Vergangenheit mehr und mehr von einem Erzählen in Episoden hin (zurück?) zu einem eigentlichen episodischen Erzählen bewegt. Während Sitcoms wie Friends noch ganz auf die Integrität der Episode setzten, bemühen sich Entwürfe vom Typus House of Cards (seit 2013) wieder mehr darum, die einzelnen Episoden zu einer übergreifenden narrativen Konstruktion zu verbinden. Noch weiter gehen darin schon seit den 1970er Jahren ,Miniserien‘ wie etwa jüngst Woody Allens Crisis in Six Scenes (2016). Mittel zum Zweck sind Episoden-übergreifende Handlungsfäden, die sich zwar (von Miniserien abgesehen) selten je auf eine ganze Season erstrecken, aber immerhin bis zu einer knappen Handvoll Episoden umfassen können; am auffälligsten wird diese Strategie, wenn sie in Form von Cliffhangern am Episodenende installiert ist, um das Publikum bei der Stange zu halten (vgl. Scheffel 2017, 234).

Von einem episodischen Erzählen wie im mittelalterlichen Roman lässt sich – wie auch beim Fortsetzungsroman und bei der Telenovela – meist noch nicht sprechen. Dazu sind die Handlungsbande zwischen den Episoden zu lose. Je weiter diese Bande ausgreifen, desto schwächer ist nämlich ihr narrativer Impact auf das konkrete Erzählen in den Episoden, was dazu führt, dass alle Season-umspannenden narrativen Fäden im narrativen Halbschatten verschwinden. Es sei beispielsweise erinnert an die düsteren Mysteries, die in Serien wie jener von den Desperate Housewives (2004-2012) jeder Season einen eigenen Stempel aufdrückten, ohne dass sie das episodische Leben auf der Wisteria Lane nachhaltig prägten. Ich bin darum versucht, diese Varianten des Erzählens in Episoden zuallererst als Versuche zu begreifen, der Episodenfolge so etwas wie narrative Schein-Kohärenz zu geben, mit der die nach wie vor hohe Eigenständigkeit der kleinteiligen Handlungskette kaschiert wird. Ziel ist die Illusion einer großen Geschichte, die aber – produktionsästhetisch – oft nicht viel mehr ist als genau jene heterogene Mixtur aus Einzelhandlungen, die kein narratives Gravitationszentrum kennt und die aber auf die Illusion eines solchen Zentrums angewiesen ist, wenn die Episodenfolge nicht zur Beliebigkeit verkommen soll. Gerade in Zeiten, in denen Serien verstärkt nicht mehr im regulären wöchentlichen Turnus konsumiert werden, sondern in dichter Folge auf DVD oder über Streaming-Portale – also nach einem abermaligen mediengeschichtlichen shift –, ist dies unverzichtbar.18

Es ließe sich darüber streiten, ob diese ,Telenovelarisierung‘ der TV-Serien nicht auch einen narrativen Reiz, damit auch eine narrative Ästhetik ganz eigener, neuer Art entfaltet. Die phasenweise, zum Teil auch mehrsträngige und phasenverschobene Verkettung kleinerer Episodengruppen dient zwar zum einen dazu, suspense aufzubauen und den Zuschauer noch ein, zwei Folgen länger vor dem Bildschirm zu halten, als er dies vielleicht vorhatte (die Nächte kürzen sich dann mitunter drastisch ein); doch zum anderen ersteht aus dieser narrativen Technik ein Erzählen, das den Eindruck einer narrativen Weitläufigkeit erweckt, eines breiten Erzähluniversums, wie es dem Erzählen in Episoden à la Friends verwehrt geblieben war, weil dieses immer nur der Entwicklung einer narrativen Situation gelten kann. Die Welt von Friends ist stabil, von kleineren Alterungsprozessen in zehn Seasons über zehn Jahre abgesehen, es sind die immergleichen Figuren, die immergleichen Probleme. Die Welt von House of Cards hingegen ist durch diese kleineren, einander überlagernden Spannungsbögchen vielgestaltiger, und die Art, wie ein Handlungsfaden zufallsgetrieben den nächsten ablöst oder sich zeitweise mit ihm verwickelt, nährt die Suggestion, hier würde ganz eng entlang jener ,Wirklichkeit‘ erzählt, die wir selbst für unseren Alltag wahrnehmen. Darum auch sind die Techniken, narrative Impulse zu generieren, in Friends und House of Cards je verschiedene, ist auch die Notwendigkeit ständiger Handlungsschwenks und neuer Handlungsprobleme – ohne welche den Serien die Geschichte ausginge – je eine andere: Während Friends das Kerninventar an Figuren verhaltensstabil hält und narrativer Anreiz immer von außen – in Form von Gastauftritten und Gastfiguren durch ,Zusätze‘ – in die Episoden getragen wird, gewinnen ,telenovelistische‘ Serien ihren narrativen Drive aus der schier unkontrollierbaren Flexibilität der Nebenfiguren ersten Ranges, deren charakterliche Inkonsistenz der Preis ist, den das ständige Schaffen neuer narrativer Spannungsbögchen einfordert.19 Sie müssen den Wechsel und die Umschwünge austragen, die der Handlungsfolge die nötige Kontingenz und Inkonsistenz geben, die es braucht, um ihr sowohl den Gestus des ,Wahrhaftigen‘ aufzuprägen als auch die Handlungsfolge überhaupt lebendig zu halten.

Vom episodischen Erzählen nach dem Muster des höfischen Romans unterscheidet sich diese junge Tendenz vor allem der Serien der Streaming-Dienste dennoch markant. Dieser kennt den Zufall nur innerhalb seiner Aventiuren, seine Tektonik und seine Verlaufskurve im Großen aber scheinen streng reguliert. Aleatorische Mehrsträngigkeit, pseudo-inkonsistente Nebenfiguren, ein Erzähluniversum, das seine Größe generiert, indem es langsam vor sich hin wächst, all das ist dem mittelalterlichen Erzählen fremd. Darum auch wird man suspense-Sensationseffekte wie Cliffhanger, die narrative Schein-Kohärenz zumindest über die Episodengrenze stiften, im mittelalterlichen Erzählen in aller Regel vergeblich suchen (zum Begriff und seiner Anwendung auf mittelalterliche Literatur vgl. Däumer 2013a; Däumer 2013b, 450-494), weil diese und die narrativen Überhänge, auf denen sie aufruhen, die Geschichte eben nicht tatsächlich in eine bestimmte Richtung fortschreiben, sondern nur ein Innehalten bewirken, von dem aus es sich beliebig weiter schreiten lässt. Man könnte auch sagen: Erzähltechnisch reagiert der Cliffhanger auf die konzeptionelle Schwachstelle des Erzählens in Episoden; da das alte episodische Erzählen durch die stabile Einhegung der Episoden in eine Mastererzählung diese Schwachstelle weitgehend geschlossen hat, bedarf es seiner nicht. Der höfische Roman zielt nicht auf die Ausbreitung einer weitläufigen Erzählwelt, sondern einer stringent erzählten Handlung.

Es mag ein Treppenwitz der Geschichte des Erzählens sein, dass – typologisch besehen – das Erzählen in Episoden der Vorstufe des episodischen Erzählens auffällig nahe kommt. Nicht nur wäre es gut denkbar, dass – wie angedeutet – die Vorstufen eines Lanzelet ähnliche narrative Bemaßungen hatten wie eine Episode von Friends, dass sie vielleicht sogar in regelmäßiger Folge, etwa an mehreren Abenden eines Hoffestes, vorgetragen worden sind.20 Auch umgekehrt scheint der Gedanke nicht ganz abwegig, aus einer ausgewählten Summe von Friends-Episoden einen Friends-Film zu machen,21 und sollten sich die neuen medialen Gegebenheiten (Streaming) mit ihrer charakteristischen Flexibilisierung der Rezeptionseinheiten weiter verfestigen,22 ist nicht auszuschließen, dass in absehbarer Zeit wieder jenes Äquilibrium aus Autonomie und Integration der Episode erreicht ist, wie es das mittelalterliche Romanerzählen ausmacht. Wenn dies zuträfe, müsste das oben zur historischen Positionierung der beiden Typen Gesagte ein Stück weit revidiert und relativiert werden:

Erzählen in Episoden hätte es dann immer schon gegeben, und zwar als eine ,einfache‘ Form der Konstruktion von Erzählzusammenhängen, deren schiere Länge die Abmessung einer Rezeptionseinheit (bei älterer Dichtung: einer Vortragseinheit) übersteigt. Das eigentliche episodische Erzählen hingegen wäre ein zwar höher entwickelter, aber doch genuin ,alter‘ Erzählmodus. Er ist an die poetischen Bedingungen einer semi-oralen Dichtung gebunden, die sich vom mündlichen Erzählen ein Stück weit artifiziell losgelöst hat, ohne es (gerade auch rezeptionsästhetisch) ganz hinter sich gelassen zu haben. Im Verlauf des Gutenberg-Zeitalters musste sich dieser Erzählmodus aus mediengeschichtlichen Gründen zusehends verlieren, während das ,einfache‘ Erzählen in Episoden als Erzähloption im Grunde unverändert verfügbar geblieben ist.

Literatur- und Medienverzeichnis

Aubry, Danielle (2006): Du roman-feuilleton à la série télévisuelle. Pour une rhétorique du genre et de la sérialité. Bern et al.

Bachleitner, Norbert (1999): Kleine Geschichte des deutschen Feuilletonromans. Tübingen.

Baddeley, Alan et al. (2002) (Hg.): Episodic Memory. New Directions in Research. Oxford / New York.

Bloomfield, Morton W. (1970): „Episodic Motivation and Marvels in Epic and Romance“. In: M. W. B., Essays and Explorations. Studies in Ideas, Language, and Literature. Cambridge, MA, S. 96-128.

Däumer, Matthias (2013a): Stimme im Raum und Bühne im Kopf. Über das performative Potential der höfischen Artusromane. Bielefeld. (= Mainzer Historische Kulturwissenschaften).

Däumer, Matthias (2013b): „Wolframs Schweigen. Versuch zu einem systematischen Cliffhanger-Begriff“. In: Kritische Ausgabe. Zeitschrift für Germanistik und Literatur 26 (Themenheft „Ende“), S. 7-10.

Dobbs, Michael / Andrew Davies / Beau Willimon (2013-): House of Cards. Netflix (USA).

Evans, Jonathan D. (1986): „Episodes in Analysis of Medieval Literature“. In: Style 20 (H. 2), S. 126-141.

Friedrich, Rainer (1983): „Epeisodion in Drama und Epic. A Neglected and Misunderstood Term of Aristotle’s ,Poetics‘“. In: Hermes 111 (H. 1), S. 34-52.

Fritsch-Rößler, Waltraud (1999): Finis amoris. Ende, Gefährdung und Wandel von Liebe im hochmittelalterlichen deutschen Roman. Tübingen. (= Mannheimer Beiträge zur Sprach- und Literaturwissenschaft 42).

Gilbert, Allan H. (1949): „The Word Epeisodion in Aristotle’s Poetics“. In: American Journal of Philology 70, S. 56-64.

Goethe, Johann Wolfgang von (1809): Die Wahlverwandtschaften, Zweyter Theil. Tübingen.

Haidu, Peter (1983): The Episode as Semiotic Module in Twelfth-Century Romance“. In: Poetics Today 4 (H. 4), S. 655-681.

Kafka, Franz (1995): Der Prozess. Stuttgart. [In der Fassung der Handschrift hg. von Malcom Pasley]. (= RUB 9676).

Kaminski, Nicola (2008): „Zeichenmacht: Gottfrieds Tristan“. In: Oxford German Studies 37 (H. 1), S. 3-26.

Kipf, Johannes Klaus (2014): „Episodizität und narrative Makrostruktur. Überlegungen zur Struktur der ältesten deutschen Schelmenromane und einiger Schwankromane“. In: Jan Mohr und Michael Waltenberger (Hg.), Das Syntagma des Pikaresken, Heidelberg, S. 71-101. (= GRM-Beiheft 58).

Klindworth, Gisela (1995): „Ich hab’ so schön geweint“: Telenovelas in Mexiko. Saarbrücken. (= Forschungen zu Lateinamerika 33).

Kragl, Florian (2010): „Sind narrative Schemata ,sinnlose‘ Strukturen? Oder: Warum bei höfischen Romanen Langeweile das letzte Wort hat und wieso Seifrit das bei seinem Alexander nicht wusste“. In: Harald Haferland / Matthias Meyer (Hg.), Historische Narratologie – Mediävistische Perspektiven. Berlin / New York, S. 307-337. (= Trends in Medieval Philology 19).

Krane, David / Marta Kauffman (1994-2004): Friends. NBC (USA).

Kuhn, Hugo (1948): „Erec“. In: Festschrift für Paul Kluckhohn und Hermann Schneider gewidmet zu ihrem 60. Geburtstag. Tübingen, S. 122-147 [Hg. von ihren Tübinger Schülern]; wieder in: Hugo Kuhn (1969) (Hg.), Dichtung und Welt im Mittelalter. Stuttgart, S. 133-150; wieder in: Hugo Kuhn / Christoph Cormeau (1973) (Hg.), Hartmann von Aue. Darmstadt, S. 17-48. (= Wege der Forschung 359).

Martínez, Matías (1997): „Episode“. In: Klaus Weimar (Hg.), Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Bd. 1: A-G, S. 471-473.

Neuschäfer, Hans-Jörg et al. (1986): Der französische Feuilletonroman. Die Entstehung der Serienliteratur im Medium der Tageszeitung. Darmstadt.

Nickau, Klaus (1966): „Epeisodion und Episode. Zu einem Begriff der aristotelischen Poetik“. In: Museum Helveticum 23, S. 155-171.

Peschel, Gerd-Dietmar (1976): Prolog-Programm und Fragment-Schluß in GOTFRITs Tristanroman. Erlangen. (= Erlanger Studien 9).

Quitzsch, Florian (2008): „Die Entwicklungsgeschichte der lateinamerikanischen Telenovela – Von den Anfängen bis zur transkulturellen Verbreitung“. In: Florian Quetzal (Hg.), Politik und Kultur in Lateinamerika. URL: http://www.quetzal-leipzig.de/themen/kultur/medien-und-kommunikation/die-entwicklungsgeschichte-der-lateinamerikanischen-telenovela-von-den-anfangen-bis-zur-transkulturellen-verbreitung-19093.html (02.10.2017).

Schaffert, Henrike (2015): Der Amadisroman. Serielles Erzählen in der Frühen Neuzeit. Berlin / Boston. (= Frühe Neuzeit 196).

Scheffel, Michael (2017): „Formen ,episodischen Erzählens‘ oder: Zwei Lebensgeschichten vom ,Frauenglück‘ in Romanen von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen und Arthur Schnitzler“. In: Euphorion Zeitschrift für Literaturgeschichte 111 (H. 2), S. 225-246.

Schmid, Elisabeth (1999): „Weg mit dem Doppelweg. Wider eine Selbstverständlichkeit der germanistischen Artusforschung“. In: Friedrich Wolfzettel (Hg.), Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze. Tübingen, S. 69-85.

Simon, Ralf (1990a): Einführung in die strukturalistische Poetik des mittelalterlichen Romans. Analysen zu deutschen Romanen der matière de Bretagne. Würzburg. (= Epistemata 66).

Simon, Ralf (1990b): „Thematisches Programm und narrative Muster im Tristan Gottfrieds von Straßburg“. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 109, S. 354-380.

Störmer-Caysa, Uta (2010): „Kausalität, Wiederkehr und Wiederholung. Über die zyklische Raumzeitstruktur vormoderner Erzählungen mit biographischem Schema“. In: Harald Haferland / Matthias Meyer (Hg.), Historische Narratologie – Mediävistische Perspektiven. Berlin / New York, S. 361-383. (= Trends in Medieval Philology 19).

Straßburg, Gottfried von (1978): Tristan. Wiesbaden. [Nach der Ausg. von Reinhold Bechstein hg. von Peter Ganz]. (= Deutsche Klassiker des Mittelalters 4).

Treber, Karsten (2005): Auf Abwegen. Episodisches Erzählen im Film. Remscheid. (= Filmstudien 42).

Troyes, Chrétien de (1987): Erec et Enide. Erec und Enide. Altfranzösisch/Deutsch. Stuttgart. [Übers. und hg. von Albert Gier]. (= RUB 8360).

Unzeitig-Herzog, Monika (1999): „Überlegungen zum Erzählschluß im Artusroman“. In: Friedrich Wolfzettel (Hg.), Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze. Tübingen, S. 233-253.

Vergilius Maro, Publius (2008): Aeneis. Lat./Dt. Stuttgart. [Übers. und hg. von Edith und Gerhard Binder]. (= RUB 18918).

Warning, Rainer (2003): „Die narrative Lust an der List. Norm und Transgression im Tristan“. In: Gerhard Neumann / Rainer Warning (Hg.), Transgressionen. Literatur als Ethnographie. Freiburg i. Br., S. 175-212.

Warning, Rainer (2001): „Erzählen im Paradigma. Kontingenzbewältigung und Kontingenzexposition“. In: Romanistisches Jahrbuch 52, S. 176-209.

Wolfzettel, Friedrich (1999) (Hg.): Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze. Tübingen.

Worstbrock, Franz Josef (1995): „Der Zufall und das Ziel. Über die Handlungsstruktur in Gottfrieds Tristan“. In: Walter Haug / Burghart Wachinger (Hg.), Fortuna. Tübingen, S. 34-51. (= Fortuna vitrea 15).

Zatzikhoven, Ulrich von (2013): Lanzelet. Text – Übersetzung – Kommentar. Berlin / New York. [Studienausgabe hg. von Florian Kragl].



Prof. Dr. Florian Kragl
Universität Erlangen-Nürnberg
Department Germanistik und Komparatistik
Bismarckstr. 1
D-91054 Erlangen
E-Mail: florian.kragl@fau.de

Bitte zitieren Sie nicht die HTML-Version, sondern ausschließlich die PDF-Datei / Please do not cite the HTML version but only the PDF file:

URN: urn:nbn:de:hbz:468-20171121-120800-0

This work is licensed under a Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International License.

1 Unter ‚narrativ‘ im engeren Sinne verstehe ich hier und im Folgenden solche Phänomene, die innerhalb einer diegetischen Struktur statthaben.

2 So würde beispielsweise, was unter (4) zur schwierigen Schlussführung ausgeführt ist, für ein episodisches Erzählen nach dem Muster des Episodenfilms Night on Earth (1991) von Jim Jarmusch – wo die einzelnen Episoden nicht Teil einer einzigen Handlungskette sind – eben nicht gelten.

3 Diese Universalie greift bis auf neuropsychologische Belange aus, insofern auch ein Teil des Langzeitgedächtnisses ein ,episodisches‘ ist oder genannt wird. Es ist dieses ,episodische Gedächtnis‘ jenes, das persönliche Erinnerungen umfasst, was – wenn man den psychologischen Begriff gleichsam beim Wort nimmt – nichts anderes bedeutet, als dass eine Lebenserinnerung – und sie ist gewissermaßen eine Urszene des anthropologischen Narrativs – grundsätzlich episodischer (und nicht kontinuierlicher) Natur ist. Vgl. u.a. Baddeley et al. 2002.

4 Dieses terminologische Problem ist ein althergebrachtes. Schon die aristotelische Begriffsverwendung ist bekanntlich eine hinlänglich undeutliche, was dazu geführt hat, dass die Forschung bis heute uneins darin ist, mit welchen bzw. wie vielen Begriffen des ,Episodischen‘ seine ,Poetik‘ operiert. Vgl. dazu Gilbert 1949, Nickau 1966, Friedrich 1983; zusammenfassend Scheffel 2017, 225-228.

5 Sie trifft sich in Vielem mit der Definition von ,episodisch‘ bei Martínez 1997, 471f.

6 Ich folge der Terminologie von Warning 2001 und Warning 2003. Kipf (2014, 72, Anm. 5) weist zurecht darauf hin, dass die (so besehen metaphorische) Übernahme des Begriffs ,paradigmatisch‘ aus der Linguistik eine gewisse Schieflage hat dadurch, dass paradigmatische Elemente im streng linguistischen Sinne Austauschbares bezeichnen, während Warning Vergleichbares im Auge hat. Dessen ungeachtet ist die Begrifflichkeit inzwischen in der Erzählforschung eingebürgert. Anders als Warning aber bezeichne ich den Gegenpol zu ,paradigmatisch‘, die Metapher fortführend, mit ,syntagmatisch‘, während Warning, sich an Lotman orientierend, den Widerpart ,sujethaft‘ nennt.

7 Diese Spielart ist besonders im Arthouse-Film der vergangenen drei bis vier Jahrzehnte sehr beliebt und hat entsprechend das Interesse der Filmwissenschaft auf sich gezogen. Vgl. v.a. Treber 2005.

8 Vgl. Scheffel 2017, 233f. und 246 (Zitat): „Zur Besonderheit des episodischen Erzählens im Allgemeinen gehört, dass in seinem Fall das für alle Erzählungen gültige Prinzip der ,Herstellung von Zusammenhang aus Einzelheiten‘ nicht vollkommen außer Kraft gesetzt, aber doch so schwach ausgeprägt ist, dass sich narrative Konfigurationsmuster im Sinne eines übergreifenden Kausalzusammenhangs von Handlungssequenzen vergleichsweise offen gestalten lassen.“

9 Man denke etwa an Sonderfälle wie Akira Kurosawas Rashomon, in dem dieselbe Geschichte mit denselben Protagonisten viermal, nämlich aus vier verschiedenen Perspektiven – von vier Erzählern – berichtet wird, deren Versionen aber so weit voneinander abstehen, dass es sich im Grunde um Erzählungen je eigenen Rechts handelt – der paradoxe Zustand einer Episodenreihe, deren Episoden zur selben Zeit, am selben Ort, mit denselben Figuren spielen, die noch dazu Ähnliches zumindest aushandeln. Oder man denke an 5x2 (2004) von François Ozon, in dem die Grenzen zwischen einem episodischen Erzählen im streng narratologischen und im weiteren Sinne (man könnte auch sagen: zwischen Syntagma und Paradigma) transzendiert wird, insofern darin zwar dieselben Figuren (das Liebes- und Ehepaar Gilles und Marion) dieselbe Geschichte – nämlich jene ihrer Liebe und ihrer Trennung – aushandeln, diese Geschichte aber in fünf Stationen diskontinuierlich und rückwärts erzählt wird.

10 Auch in How the West Was Won sind die einzelnen Episoden durch Übernahme von Figuren oder durch das Verfolgen familiengenealogischer Linien locker verbunden, und in Star Wars stand zwar der historisch erste Film – man nennt ihn heute Episode IV (1978) – ganz für sich, der zweite aber – The Empire Strikes Back (1980) – arbeitete schon deutlich auf den Schluss der alten Trilogie – The Return of the Jedi (1983) – hin, indem er im Finale ausreichend offene Fäden hängen ließ, die dann im nächsten, über viele lange Jahre scheinbar abschließenden Film bequem aufgegriffen werden konnten.

11 Während Ersteres selbstevident ist, hat man auf Zweiteres weniger Acht gehabt. Vgl. aber nachdrücklich zur strukturellen Erzählfunktion der Liebe Fritsch-Rößler 1999.

12 Als eine Sonderform dieser Struktur kann der von Hugo Kuhn wirkmächtig beschriebene Doppelte Kursus des Erec (und evtl. weiterer ,klassischer‘ Artusromane) gelten. Vgl. dazu grundlegend Kuhn 1948; eine kritische Revision findet sich bei Schmid 1999 sowie weiteren Aufsätzen im Band Wolfzettel 1999 (Sektion: „Probleme des ,Doppelwegs‘ im klassischen Artusroman“).

13 Am deutlichsten hat diese Zwitternatur des höfischen Romans aus Episodenreihe einerseits und straff motivierter, oft schemagebundener Geschichte andererseits die strukturalistische Forschung herausgearbeitet. Einen Höhepunkt dieses methodischen Zugriffs markiert Simon 1990a. Siehe auch Anm. 12.

14 Dass mündliches Erzählen stets episodisch ist, gilt als ausgemacht. Vgl. Martínez (1997, 472f. [mit Literaturhinweisen]). Vgl. auch Anm. 3.

15 Für den Schelmen- und den pikarischen Roman hat dies, mit einer fein abgestuften Differenzierung, Kipf 2014 herausgearbeitet, wobei sich der Schelmenroman in einem schwächeren, der pikarische Roman aber in einem stärkeren Sinne (und vielleicht nicht unähnlich dem höfischen Roman) ,episodisch‘ präsentiert.

16 Es ist dies ein Beispiel für die oben skizzierte typische Weite des Episodenbegriffs, wie sie schon die aristotelische Poetik prägt. Vgl. Anm. 4.

17 Dass diese Variationsreihe freilich insgesamt einen gewissen, gleichsam fatalen Abwärtsdrall aufweist, hat mit besonderer Deutlichkeit Worstbrock 1995 ausgearbeitet. Auch dass die Episoden des Tristan unbeschadet dieser Tatsache von einem gleichsam paradigmatischen ,Erzählprogramm‘ zusammengehalten werden (vgl. Simon 1990b), gilt unbeschadet dessen. – Ob der Tristan aufgrund dieses zusehends loseren episodischen Erzählzusammenhangs Fragment geblieben ist, sei dahingestellt. Dass aber der narrative Stillstand, der am Ende rhetorisch so eindringlich beschworen ist (V. 19300–19552), an genau diesem Erzählmodell liegt, wird sich schwerlich bestreiten lassen. Peschel (1976, 188) hält es als „zum Wesen des GOTFRITschen Tristansromans [gehörig], dass eine endgültige Entscheidung nicht möglich ist“: „vielleicht hat […] sein [Gottfrieds] Tod hier seine historische Pünktlichkeit“ (ebd., 152). Die heutige Forschung interpretiert den Abbruch überwiegend als einen kontingenten, vgl. aber nun Kaminski 2008, die den Fragmentstatus als ästhetisches Wesensmerkmal des Tristan ansieht.

18 House of Cards war bekanntlich die erste große Serie, die nicht über den Äther, sondern übers Glasfaserkabel gehen sollte, und zwar nicht Episode für Episode, sondern Season für Season.

19 Ich erinnere nur an die radikalen und z.T. mehrfachen Kehrtwenden von Zoe Barnes und Dough Stamper in den ersten beiden Seasons von House of Cards.

20 Dazu fügte sich auch, dass sich der Artusroman mit der Serie vom Friends-Typus die Eigenart teilt, verschiedene Episoden mit verschiedenen ,Zusatzfiguren‘ auszustatten, anstatt ein konstantes Set an Nebenfiguren ständig psychodynamisch umzukrempeln.

21 In seltenen Fällen wurde das in jüngerer Zeit sogar versucht, allerdings in der Regel unter Aufgabe aller episodischen Struktur, und fast immer mit sehr mäßigem Erfolg (Sex and the City: The Movie, 2008, und Sex and the City 2, 2010).

22 Unmittelbar evident ist diese Flexibilisierung – abgesehen von der Freigabe des Konsumrhythmus – schon jetzt daran, dass eine Season nicht mehr (wie früher) notwendig auf 24 Folgen festgelegt ist oder dass die Dauer der einzelnen Episoden punktuell erheblich schwanken kann (z.B. das überlange Christmas Special von Sense8).