Martina King

„Ich habe im Sommer des Jahres 1838 eine Reihe von Beobachtungen angestellt“

Naturwissenschaftliches Erzählen im frühen 19. Jahrhundert

This paper explores the possibilities of a historical narratology of the life sciences – by analysing exemplary articles of two leading scientific journals of 19th century Germany. Strikingly, the old tradition of constituting scientific knowledge through first-person narrative persists into the early 19th century, although scientists develop empirical and experimental methods and abandon philosophical speculation as well as natural history. The paper argues that in the fields of geology, comparative anatomy and embryology, nature itself becomes processual and is therefore highly suitable for sequential representation; even decades before Darwin’s epoch-making publication. Thus, two major functions can be attributed to homodiegetic narration: firstly, event sequencing within early experimental contexts reduces contingencies and produces coherent lines of thought. Secondly, the truth of the represented knowledge is authenticated by a first-person narrator who has witnessed everything with his own eyes. Hence, the explanatory and the persuasive function of epistemological narration are closely interlinked.

Einführung

„Die Vorrede eines Buches“, schreibt der Physiologe Johannes Müller 1830 im Vorwort zu seiner Entwicklungsgeschichte der Genitalien, sei mittlerweile „der einzige Ort [...], an welchem der Person des Schriftstellers zu erscheinen erlaubt ist“ (VII). Deshalb wolle auch er an diesem Punkt bekennen, welche Methode er befolge, nämlich eine „auf blosse Beobachtung und anatomische Empirie gegründete Untersuchung“, die von jeder subjektiven Reflexion oder „poetischen“ Naturbetrachtung frei sei (ebd., VIIIf.). Und Müller ist nicht der Einzige, der in dieser für die Wissenschaftsentwicklung entscheidenden Übergangsphase nach der großen Konjunktur idealistischer Naturphilosophie und vor dem Siegeszug der experimentellen Wissenschaften den Weg in eine aperspektivische Objektivität beschwört. Von jeder Station seiner Reise werde er „einen Artikel verfassen“, schreibt Adelbert von Chamisso, offizieller Naturforscher der russischen Rurik-Expedition (1815-1818), in einem offenen Brief an den Auftraggeber der Expedition; und zwar einen Artikel, „der nur objektive Tatsachen enthalten wird und bar von Erzählerischem ist. Ich werde allgemeine Beobachtungen und höchstens kleine Besonderheiten mitteilen“.1

Für das Projekt einer Narratologie der Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert sind diese Einlassungen in verschiedener Hinsicht bedeutsam. Zum einen erhält damit die Frage nach der „Umkehrung“ des Autoritätsverweises von den Wissenschaften in die Dichtung, die Michel Foucault (2000, 212) irgendwann „im 17. oder im 18. Jahrhundert“ ansiedelt, eine neue historische Stringenz, zumindest mit Bezug auf die Lebenswissenschaften.2 Die Frage, ob deren Texte mit oder ohne Autorfunktion funktionieren, scheint im frühen 19. Jahrhundert so virulent, dass sie explizit als Problem mitreflektiert wird. Zum anderen sind Behauptungen von der Verbannung des Autors ins Vorwort oder in die Poesie zugunsten selbstredender Fakten deshalb so bemerkenswert, weil sie nicht stimmen; zumindest nicht in dieser Entschiedenheit. Kursorische Stichproben aus zwei führenden Periodika der Naturforschung, aus dem von Müller herausgegebenen Archiv für Anatomie, Physiologie und Wissenschaftliche Medicin sowie aus dem Archiv für Naturgeschichte3 zeigen ein ganz anderes Bild. „Bei einer grossen Menge von Mistelfrüchten, welche ich im Anfang dieses Winters dem Keimungsprozess aussetzte“, so lautet etwa ein typischer Aufsatz-Anfang aus dem Jahr 1840, „war ich so glücklich zu finden, dass die Saamen einer Staude fast sämmtlich zwei Würzelchen entwickelten“ (Meyen 1840, 164). Mit vergleichbar genauer, raumzeitlicher Situierung und entschiedener Perspektivierung beginnt auch ein anatomischer Beitrag über die menschliche Nackenmuskulatur:

Nachdem ich öfters, bei der Präparation zu den Vorlesungen, unter den Muskeln des Nackens einen gefunden hatte, der von Dornfortsätzen zu Dornfortsätzen ging und den Musculus spinalis dorsi am Halse zu wiederholen schien, untersuchte ich im vorigen Jahre gemeinschaftlich mit Dr. Heilenbeck eine größere Zahl von Leichen,

so schreibt der junge Jacob Henle (1837, 297). Diese Beispiele, denen sich viele weitere hinzufügen ließen, sind aus zweierlei Gründen bemerkenswert. Erstens sprechen sie dafür, dass nach wie vor auktoriale Textsubjekte für die Wissenspräsentation zuständig sind und ihre individuellen Handlungen als erkenntnisgenerierend vorführen – wenn auch nicht mehr ausschließlich. Einschränkend ist zu sagen, dass sich im Zuge der Abwendung von spekulativer Naturphilosophie und gelehrter Naturgeschichte, im Angesicht großer Datenmengen und mathematischer Genauigkeit bereits ein neuer, objektivistischer Repräsentationstypus herausgebildet hat. Parallel oder überschneidend mit subjektiven Darstellungen in Ich-Form finden sich immer häufiger quasi ‚subjektlose‘ Deskriptionen bzw. allgemeingültige wissenschaftliche Erklärungen ohne Autorfunktion:

Die Chorda dorsalis liegt bei den Froschlarven, wie bei den Fischen in oder bei einigen unter den Körpern der Wirbel und setzt sich hinter dem Steissbein in der ganzen Länge des Schwanzes fort. Sie ist von einer festen Scheide umschlossen [...],

so beginnt etwa der Haupttext von Theodor Schwanns (1839, 11) epochaler Schrift zur Zelltheorie der Tiere. Müllers Verabschiedung des Autors aus der wissenschaftlichen Abhandlung ist also bis zu einem gewissen Grad von der zeitgenössischen Schreibpraxis gedeckt. Insbesondere in physiologischen Lehrbüchern und Aufsätzen zeichnet sich ein moderner Stil ab, den die Fachsprachenlinguistik für die Naturwissenschaften des 20. Jahrhunderts als ‚Ich-Tabu‘, ‚Ich-Verbot‘ oder ‚Deagentivierung‘ festhalten wird (vgl. Polenz 1981; Niederhauser 1999, 107-111; Weinrich 1989; Kretzenbacher 1994): An die Stelle des souveränen ‚Ich‘ tritt das allgemeingültige ‚Man‘, die Texte weisen weniger flektierte Handlungsverben auf, sind mit Transitivierungen und Passivkonstruktionen, ferner mit schematischen Illustrationen, Formeln, Graphen, Listen durchsetzt (vgl. Gross / Harmon / Reidy 2002, 117-139). Gleichwohl scheint diese textuelle Umsetzung mechanischer Objektivität durch das ‚Ausstreichen des Autors‘ (vgl. Rheinberger 2005, 88) keineswegs so alternativlos, wie Müller nahelegt. Sie verbindet sich vielmehr in vielen wissenschaftlichen Aufsätzen mit subjektiven Darstellungen zu eigentümlichen Mischformen: „Als wir im Mai des vergangenen Jahres eben anfingen, einige vorläufige Versuche mit Laab [...] anzustellen“, so beginnen der Physiologe Jan Evangelista Purkinje und sein Assistent Samuel Pappenheim eine Abhandlung über die Aktivität der tierischen Magenschleimhaut, „war es uns auffallend, jedesmal eine große Menge länglicher [...] Körperchen zu finden“ (Purkinje / Pappenheim 1838, 1). Nach einer etwa einseitigen Passage in fokalisierter Wir-Rede wandelt sich die Darstellung abrupt zur allgemeingültigen Versuchsbeschreibung ohne individuelle Situierung:

Man kann diesen Bau sehr deutlich zur Anschauung bringen, wenn man diese abgelösten Lappen der Schleimhaut in concentrirter kohlensaurer Kalilösung, 12-24 Stunden, in gelinder Wärme, erhärten läßt, wo sie dann [...] in sehr feinen, durchsichtigen Schnitten sich theilen lässt, die nun, unter das Mikroskop gebracht, den inneren Bau jener Membran verrathen (Purkinje / Pappenheim 1838, 2).

Solche textuellen Hybride aus starker und ‚ausgestrichener‘ Autorfunktion, subjektivem ‚Ich‘ und allgemeingültigem ‚Man‘ scheinen in je unterschiedlicher Zusammensetzung zeitspezifisch zu sein; mitunter organisiert die souveräne Ich-Perspektive sogar das Textganze, wir werden davon später hören. Diese mal stärker, mal schwächer ausgeprägte personale Deixis ist jedenfalls der zweite Grund, warum die zitierten Beispiele von experimentierenden, suchenden und findenden Ich-Instanzen so bedeutsam sind. Denn was Linguisten und Wissenschaftshistoriker bisher unter dem Stichwort ‚wissenschaftliche Autorschaft‘ als rhetorisch-stilistisches Phänomen verbuchen (vgl. Steiner 2009; Biagoli / Galison 2003, Part III, 253-359), das lässt sich ebenso aus anderer, nämlich narratologischer Perspektive in den Blick nehmen; für den literarisch geschulten Chamisso etwa ist Subjektivität im wissenschaftlichen Text ohnehin gleichbedeutend mit „dem Erzählerischen“. So kann man die Ich-Instanzen in den oben genannten Beispielen sämtlich auch als homodiegetische Erzähler bezeichnen, die im Modus der nachträglichen, perspektivischen Narration ihre Beobachtungen bzw. ihren Erkenntnisweg darlegen und ihre Meinungen rechtfertigen. ‚Dann und dann fand ich‘, ‚ – sah ich‘, ‚ – machte ich folgende Beobachtungen‘: Kennzeichnend für solche Einsätze ist die temporale, häufig auch spatiale Deixis, also die raumzeitliche Situierung einer Folge von Geschehnissen.

Der Darstellungstypus der epistemologischen Ich-Erzählung, der neben der philosophischen Reflexion seit der frühen Neuzeit unterschiedlichste Wissenskommunikationen steuert,4 setzt sich demnach bis in die expandierenden Lebenswissenschaften des frühen 19. Jahrhunderts hinein fort. Und er setzt sich nicht nur dort fort, wo man ihn auch erwarten würde: im biogeographischen Reisebericht, wo die Progression der Expeditionsreise eine temporale Sequenzierung ja nahezu unabdingbar macht – von Humboldts Südamerika-Expedition (1799-1804) über Chamissos Weltumseglung (1815-1818) bis zu Darwins legendärer Beagle-Fahrt (1831-1836). Jenseits der biogeographischen Erzählung vom Ganzen der Welt präsentieren souveräne Ich-Instanzen aber auch in der systematischen Forschung zur vergleichenden Anatomie, Physiologie und Embryologie das, was es von der Natur zu wissen gibt, immer noch als partikulare Sequenz von Geschehnissen. Im Gegensatz zum fiktionalen Erzählen referieren diese Textinstanzen auf den realen Autor, sind als Träger seiner Intention zu verstehen.

Es ist nun aber keineswegs selbstverständlich, dass Wissen in dieser Epoche noch partiell erzählerisch hergestellt wird. Schließlich hat sie sich in großen Zügen bereits dem induktiven Wissensgewinn verschrieben und verbürgt die Wahrheit ihrer Schlussfolgerungen nicht mehr rein spekulativ, sondern mit enormem ‚Empirisierungszwang‘.5 Allgemeingültigkeitsanspruch und subjektive Darstellung scheinen einander um 1830 jedoch keineswegs auszuschließen, und diesem bemerkenswerten Befund soll im Folgenden weiter nachgegangen werden.

Natur in Bewegung

Einen ersten Hinweis, warum das so sein könnte, gibt Müller in seiner Entwicklungsgeschichte selbst: Alle Vermutungen „über die Ursachen des Geschlechts-Unterschiedes“ seien nutzlos,

wenn wir nicht mit unbestrittenen Erfahrungen wissen, wie die Genitalien, und aus welchen Theilen sie zuerst entstehen, und wie sie sich von Schritt zu Schritt ausbilden, wenn wir hierüber nicht vollständige Beobachtungen von mehreren Thieren und vom Menschen mit gleicher Genauigkeit besitzen (Müller 1830, VIII).

Empirische Evidenz soll also an die Stelle idealistischer Spekulation treten, die Müller als „falsche[] Naturphilosophie“ und „fehlerhafte[] Dogmatik“ abkanzelt, und das wiederum impliziert Handlungsdichte statt Reflexionsdichte. Man müsse „unermüdet [...] im Beobachten und Erfahren“ sein, heißt es weiterhin, dies sei „die erste Anforderung“, die er, Müller, an sich „selbst mache und unausgesetzt zu erfüllen strebe“ (ebd., VIIIf.). Den vielfältigen Handlungen des Sezierens, Beobachtens, Klassifizierens auf Seiten der epistemischen Subjekte korrespondiert ein Gegenstand, der seinerseits narrative Darstellungen nahezu provoziert: Die Natur selbst ist in zeitliche Bewegung geraten, und zwar bereits Jahrzehnte vor der Publikation von Darwins epochaler Schrift. Gliedert sich die präevolutionistische Biologie grob in klassifikatorische, ordnende Disziplinen und in solche, die systematisch der Organisation des Lebens und seiner Pathologie auf der Spur sind – Pflanzengeographie, Tiergeographie, Paläontologie, Geologie einerseits, vergleichende Anatomie, Physiologie, Embryologie, Mikrobiologie andererseits6 – so ist Natur in all diesen Bezirken und an ihren vielen Schnittstellen zunehmend dynamisch bzw. prozesshaft konzipiert. Müllers embryologische Frage nach der Entstehung der Genitalien und ihrer Ausbildung „von Schritt zu Schritt“ macht das ganz deutlich. Müller macht ferner deutlich, dass sich diese Prozesshaftigkeit dem Auge des empirischen Beobachters enthüllt, und zwar beim genauen, zielgerichteten Beobachten spontaner oder auch experimentell induzierter Vorgänge.

So betrifft die neue Beweglichkeit der Natur, die nicht zufällig mit den gesellschaftlich-politischen Aufbruchsbewegungen der Epoche konvergiert, das Werden der Arten in den großen Bögen der paläontologischen Tiefenzeit ebenso wie die Übergänge der Arten in den Debatten der sog. transzendentalen Anatomen.7 Im Anschluss an Geoffroy St. Hilaire votieren besonders radikalliberale Naturforscher dafür, dass die vielen vorfindbaren Wirbeltier-Spezies lediglich „Abwandlungen eines gemeinsamen Grundbauplans“ seien (Bowler 1997, 174), die sich Wandlungen der Umweltbedingungen verdankten. Damit wenden sie sich zunehmend gegen Cuviers statisches Typenschema, dessen fixer, unveränderbarer Hierarchie der ideologische Beigeschmack des ancien regime anhaftet. Das räumliche Nebeneinander aller Entwicklungsstufen des Lebens im taxonomischen Tableau wandelt sich demnach schon lange vor Darwin schrittweise zur Geschichte der Natur: „In this vast host of living beings which all start into existence, vanish and are renewed, in swift succession, like the clouds in a summer’s day, each species has its peculiar form“, schreibt Darwins Lehrer Robert Edmond Grant in seinen zoologischen Vorlesungen von 1828; „[i]ndividuals appear and disappear in rapid succession upon the earth, and entire species have their limited duration, which is but a moment, compared with the antiquitiy of the globe“ (Grant 1829, 11). Die Hypothese der Entwicklungen von fossilen zu rezenten Arten durch veränderte Umweltbedingungen wird bei Grant, der sich an Lamarck und Geoffroy orientiert, zur finalisierten Gründungserzählung vom Kommen und Gehen verschiedener Lebensformen. Eine werdende Natur, mag man sie nun katastrophistisch oder gradualistisch konzipieren, erscheint jedenfalls als ‚rapide Sukzession‘ von Ereignissen.

Diese neue Ereignishaftigkeit der Natur, bzw. die ihr inhärente zeitliche Sequenzialität betrifft nun nicht nur Fragen der Phylogenese sondern ebenso die Ontogenese der Individuen einzelner Arten. Mit anderen Worten betrifft sie die überall wuchernden embryologischen Entwicklungsgeschichten im Anschluss an Karl Ernst von Baers epochale Entwickelungsgeschichte der Thiere (1828/1837). Müllers Bildungsgeschichte der Genitalien, Carl Vogts Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der Geburtshelferkröte (1842), auch Chamissos Beschreibung des Generationswechsels der Salpen während der Rurik-Expedition (vgl. Chamisso 1819) gehören in diesen Denkzusammenhang einer ereignishaften Natur des Werdens, der Transformationen und Metamorphosen. Schließlich betrifft sie fächerübergreifende Fragen nach Krankheitsprozessen, sinnfällig in den protodisziplinären Überlegungen zur Wirkungsweise unsichtbarer Parasiten in höher organisierten Lebewesen.

Dieser Prozessualität entsprechen epistemische Tätigkeiten der Forscher wie Reisen, Sammeln, Sezieren, Vivisezieren, Färbesubstanzen in sezierte Körperteile einführen, Inokulieren mit Kontagien. Vor allem wird im Rahmen abenteuerlicher Zootomie-Praktiken nahezu alles mit allem verglichen: Organe von höheren und niedrigeren Spezies, Organe von Embryonen und adulten Lebewesen, Organe von jüngeren und älteren Embryonen, Organe von lebenden und toten Organismen. Robert Edmond Grant (1829, 4) schreibt dazu

We compare the organs of the inferior animals with the similar organs of man, to determine the extent of their deviation, and by watching the result of this change of structure, important light is thrown on the function of the various parts.

Der Wandel von Strukturen und die dynamische Funktionalität einzelner Strukturen werden offensichtlich erfahrbar durch epistemische Handlungsfolgen; das betrifft im Übrigen auch die Geologie, der die Vermittlerrolle zwischen Lebenswissenschaften und Mineralogie zukommt. Der junge Charles Darwin (1844) etwa vergegenwärtigt sich auf den kapverdischen Inseln das Werden vulkanischer Gesteinslagen entlang einer Kette von Tätigkeiten: „I ascended a few of these hills, and from others, which I was able to examine with a telescope, I obtained specimens, through the kindness of Mr. Kent, the assistant-surgeon of the Beagle,“ so schreibt er über Santiago in seiner geologischen Monographie, die nicht als Reisetagebuch sondern als Abhandlung angelegt ist. „On the shores of Quail Island, I found fragments of bricks, bolts of iron, pebbles and large fragments of basalt“, so heißt es zwei Seiten später über die Strände der Insel,

united by a scanty base of impure calcareous matter into a firm conglomerate. To show how exceedingly firm this recent conglomerate is, I may mention, that I endeavoured with a heavy geological hammer to knock out a thick bolt of iron [...] but was unable to succeed (ebd., 19, 21, 22).

Berge besteigen, Beobachten mit Teleskopen und Mikroskopen, Hämmern mit dem Geologenhammer, Sezieren mit diffizilen Instrumenten, Instillieren mit feinen Nadeln, Konservieren, Vergleichen und Aufschreiben: Solche technikaffinen, materialen Praktiken treten mehr und mehr an die Stelle der Buchgelehrsamkeit, der vergleichenden Suche in den Schriften der naturgeschichtlichen Überlieferung sowie der idealistischen Spekulation. Dem zugrundeliegenden verzeitlichten Naturkonzept, dessen gesetzmäßige Geschehnisfolgen durch manipulierende und observierende Naturforscher und nicht mehr durch spekulierende oder räsonnierende Gelehrte ans Licht gebracht werden, entspricht nun am ehesten Narrativität als temporale und handlungsaffine Repräsentationsform.

Towards a Narratology of Natural Sciences – Forschungsdesiderate

Jene erzählerische Gegenstandskonstitution, die Kulturwissenschaftler gegenwärtig im Anschluss an Hayden Whites Metahistory in der Historiographie (vgl. Fulda 1996; Hardtwig 1998; Jäger 2009; Munslow 2007; Rüth 2005) und in den Gesellschafts- und Religionswissenschaften beschreiben, scheint demnach bis zu einem gewissen Grad auch für die frühe Biologie zu gelten. Dieser Vermutung soll im Folgenden an Einzelbeispielen der 1830er und 1840er Jahre nachgegangen werden, wobei meine Überlegungen eine präliminäre Skizze für ein größer angelegtes, interdisziplinäres Forschungsprojekt zur wissenschaftsgeschichtlichen Narratologie darstellen. Eine solche Studie zählt zu den dringenden Desideraten der kulturwissenschaftlichen Erzählforschung; diese setzt sich zwar gegenwärtig intensiv mit Narrativen der Medizin auseinander und fragt nach deren literarisch-ästhetischen bzw. diskursgeschichtlichen Dimensionen (vgl. Kennedy 2010; Epstein 1995) oder nach ihren kommunikativen, ethischen und therapeutischen Funktionen in der Gegenwart (vgl. Greenhalgh / Hurwitz 1998; Charon / Montello 2002; Boothe 2010; Lucius-Höhne 2002). Die Naturwissenschaften hingegen – sowohl in historischer wie aktueller Perspektive – bleiben weitgehend ausgeklammert: „A specifically narratological inquiry in the natural sciences remains a desideratum“, schreibt Norbert Meuter (2011) im Living Handbook of Narratology, und ganz ähnlich konstatiert Monika Fludernik, dass eine „an Hayden White angelehnte Analyse der Erzählformen in den Biowissenschaften“ noch ausstehe (Fludernik 2016, 23). Auch auf Seiten der kulturwissenschaftlichen Wissensforschung herrscht weitgehend narratologische Abstinenz. Zwar wurde die Wissensproduktion in den Naturwissenschaften in den letzten Jahrzehnten immer mehr als Produkt eines Denkstils, als semiotisches Konstrukt, mit anderen Worten als kreativer Prozess voller Kontingenzen und nicht mehr als zielgerichtetes Handeln begriffen. Dennoch blieb auch hier, so Christina Brandt (2014, 42f.),

die Frage aus welcher Perspektive in wissenschaftlichen Texten ‚erzählt‘ wird (wenn denn hier überhaupt erzählt wird), oder welche Instanz sich an der Schnittstelle von (wissenschaftlichen) Narrationen und konkreten lebens- oder besser laborweltlichen Situationen findet [...], merkwürdig ausgeblendet.

Einige wenige Bände und Einzelpublikationen haben bisher das Thema aufgegriffen. Allerdings arbeiten sie tendenziell mit einem sehr weiten Begriff von ‚Erzählung‘, der eher stilistische Phänomene an der Textoberfläche – Bildlichkeit, Rhetorizität – als diegetische Strukturen meint (vgl. Höcker / Moser / Weber 2006; Pernkopf 2013).8 Kriteriengeleitete narratologische Analysen von Texten bzw. Textgruppen aus Einzelwissenschaften oder definierten Genres fehlen weitgehend,9 insofern wurde auch die Frage nach der Funktion des Erzählens etwa für die biologische Wissenskonstitution bisher nur selten gestellt. Eine Ausnahme bilden – seit der älteren, vielzitierten Studie von Rom Harré (1990) – die einschlägigen Beiträge von Christina Brandt (2009, 2014, 2015), die systematisch nach Narrativität in biologischen und biomedizinischen Fachartikeln fragt. Brandts historischer Fokus sind allerdings die Biowissenschaften des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart, so dass bezüglich der Erzählgeschichte der Lebenswissenschaften nach wie vor eine Forschungslücke klafft.10

Besonders empfindlich erscheint Letztere durch die einseitige Gewichtung von Darwins plots, die seit Gillian Beers (2009) grundlegender Studie intensiv in den Fokus literaturwissenschaftlicher Aufmerksamkeit rückten.11 Mag das in Anbetracht der fundamentalen strukturbildenden Wirkung, die Darwins faktuale Gründungserzählung auf die gesamteuropäische fiktionale Literatur des 19. Jahrhunderts ausübte, mehr als berechtigt sein, so impliziert es gleichwohl gewisse Verkürzungen für die Geschichte epistemologischen Erzählens in der Naturforschung. Denn offensichtlich ist der Eindruck entstanden, ‚Darwins plots‘ seien Ur-Ei, Inbegriff und Höhepunkt eines solchen Erzählens im 19. Jahrhundert. Diesen Eindruck zu korrigieren strebt der vorliegende Beitrag an, und zwar dahingehend, dass sich mit Darwin vielleicht der letzte, aber keineswegs der einzige Höhepunkt biologischer Narrativität in diesem Jahrhundert verbindet.

Gerade die Jahrzehnte vor Darwins epochalen Publikationen, denen übrigens die frühen Publikationen des ‚vordarwinistischen Darwin‘ zuzurechnen sind, erweisen sich als eine ausgesprochen narrationsaffine, epistemologische Umbruchs- und Übergangsperiode zwischen spekulativer bzw. gelehrter und experimenteller Wissensgenese. Dabei ist in Müllers Worten ‚Erfahrung‘ das Paradigma dieser Schwellenphase, das neben der empirischen Beobachtung spontaner Phänomene durchaus schon Versuche – etwa vergleichende Vivisektionen – einschließt. Sie verlaufen gleichwohl noch relativ unsystematisch und willkürlich und sind nicht mit jenem institutionell regulierten Experimentalismus gleichzusetzen, der den laboratory turn der zweiten Jahrhunderthälfte kennzeichnet (vgl. Cunningham / Williams 1992). Letzterer bringt dann nicht nur eine Vielzahl an tierexperimentellen und optischen Technologien hervor, sondern all die Aufzeichnungsapparaturen für die Physiologie des Menschen – Kymograph, Sphygmograph, Polygraph etc. – die Lebensaktivitäten endgültig in Graphen, Ziffernreihen, Formeln und deren Erklärungen verwandeln (vgl. de Chadarevian, 1993). Nach 1850 vollzieht sich demnach, so ein weitreichender Konsens in der Wissenschaftshistoriographie, der gleitende Übergang zu einem neuen Wissenschaftskonzept, das Natur als mathematisch und in allgemeinen Sätzen erfassbar versteht: „Wo nur der Gegenstand es zuließ, ward die Physiologie angewandte Chemie und Physik, Mechanik und Mathematik“, schreibt Du Bois Reymond 1877 (Du Bois-Reymond 1912, 636).

Dieser Konzeption ist nun die stete Abnahme von Narrativität inhärent: Im Zuge der unaufhaltsamen Experimentalisierung, Mathematisierung und Abstrahierung des Lebens scheint auch die jahrhundertealte Tradition der wissenskonstitutiven homodiegetischen Ich-Erzählung, die im frühen 19. Jahrhundert noch blüht, langsam zu verlöschen und weitgehend jenem depersonalisierten Stil zu weichen, der die Evidenz des Faktischen axiomatisch zeigt und nicht individuelle Geschehnisse erzählt. Dass dieser Stil gegen Jahrhundertende dominiert, wurde von den Wissenschaftshistorikern Alan G. Gross, Joseph E. Harmon und Michael S. Reidy anhand eines statistisch repräsentativen Korpus von Fachartikeln überzeugend nachgewiesen; die Verfasser machen vor allem auf den signifikanten Schwund von konjugierten Handlungsverben aufmerksam (Gross / Harmon / Reidy 2002, 121-127). Demnach hat das wissenskonstitutive Erzählen der Biologen im Unterschied zur Geschichtswissenschaft einen zeitlichen Index und bedarf der konsequenten Historisierung, zu welcher der vorliegende Aufsatz beitragen will.

Anhand ausgewählter Beiträge aus den zwei oben genannten repräsentativen Periodika, aus ‚Müllers Archiv‘ und dem Archiv für Naturgeschichte, sollen Modi und Funktionen der epistemologischen Ich-Erzählung im Texttypus ‚wissenschaftlicher Aufsatz‘ um 1840 rekonstruiert werden.12 Die Selektion dieses Genres gründet in seiner Affinität zur Speerspitze der Forschung, schon in der ersten Jahrhunderthälfte. Im Zeitschriftenaufsatz wird tendenziell unsicheres, vorparadigmatisches Wissen formuliert, vorgeschlagen, verteidigt – im Gegensatz zu den großen Lehrbüchern oder Monographien, die autoritativ ein Wissen präsentieren, das den Anspruch der Letztgültigkeit hat und insofern gerade nicht geschehensförmig sondern tendenziell propositional und deskriptiv verfasst ist.

Lebenswissenschaftliches Erzählen um 1840: Epistemologische Funktion

Die ereignishafte, dynamische Natur der Übergangsperiode ist Sache der Physiologen und vergleichenden Anatomen, die im Verbund den Funktions- und Bildungsgesetzen dieser Natur auf der Spur sind. Anstatt aus äußerlich ähnlichen Merkmalen die künstlichen, statischen Klassifikationen der gelehrten Naturgeschichte abzuleiten, ist man nunmehr auf der Suche nach funktionellen Analogien zwischen verschiedenen Spezies: Bewegungsapparat, Gefäßsystem, zentrales oder peripheres Nervensystem etc. Solche funktionalistischen Vergleiche kreisen immer wieder um die ungelösten Probleme der Artenentstehung und des Artenwandels, der gemeinsamen oder getrennten Baupläne, der diachronen Sprünge oder des Kontinuums; sie widmen sich ferner den Funktionsabläufen einzelner Organe oder Organsysteme. Gefahndet wird also nach einer Natur in actu, sowohl mit Blick auf die synchronen Tätigkeiten des Lebens als auch auf dessen tiefenzeitliches Werden.

Wie eng diese doppelte Dynamisierung an empirische Handlungen und erzählerische Darstellung gebunden ist, zeigt etwa Müllers jahrelanges Ringen um die Physiologie der Erektion – und damit um ein klassisches Beispiel von funktioneller Bewegung: „Bei mehreren Versuchen am lebenden Pferde, Hunde, Schafbock“, so liest man in einem Aufsatz von 1835, „sah ich beim Anschneiden der Corpora cavernosa penis, dass diese Körper im schlaffen Zustande angeschnitten, zwar nicht stark bluten, dass aber Blut in den sinuösen Venen der Corpora cavernosa enthalten ist [...]“ (Müller 1835, 205). Die Frage nach den zentralen Prozessen des Lebens, zu denen die Erektion zweifelsohne zählt, erfordert idealerweise Vivisektion. Letztere ist als aktive Hervorbringung von beobachtbaren Lebensereignissen im eröffneten Körper des „Pferdes, Hundes, Schafbocks“ dem statischen Gemälde des toten, eröffneten Körpers weit überlegen. Diesen epistemischen Tätigkeiten korrespondiert nun im zitierten Aufsatz eine geschlossene, homodiegetische Binnenerzählung (innerhalb des ansonsten argumentativen Texts), die als linearer Progress von handlungsgenerierenden Vermutungen, Handlungen, Beobachtungen und Erkenntnissen angelegt ist. „Auf der anderen Seite“, so heißt es weiter,

hatte ich es durch später mitzutheilende Versuche und anatomische Untersuchungen für mich auf den höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit gebracht, dass die Ursache der Erection nicht in der blossen Hemmung des Blutes in der vena dorsalis penis liege und dass die Ursache in dem Gewebe des Penis selbst verborgen seyn müsse. Ich kam auf die Vermuthung, ob die Zweige der Arteria profunda penis, welche das zur Ernährung der Corpora cavernosa penis dienende Blut zuführen, nicht von den die Erection bewirkenden Zweigen derselben ganz verschieden seyn möchten (Müller 1835, 205f.).

Die diffizilen anatomischen Verhältnisse des männlichen Genitales vergegenwärtigt sich Müller also durch rückblickendes Erzählen der eigenen Handlungsschritte sowie jener Überlegungen, die die Handlungen in Gang setzten. In diesem Sinne folgen weitere experimentelle Praktiken, nämlich farbliche Darstellungen der tiefen Penis-Arterie beim Menschen. Sie führen dann schließlich zur intendierten Erkenntnis – des Stromgebiets dieser Arterie und der vaskulären Autonomie des Erektionsvorganges. Dabei inszeniert Müller innerpsychische Vorgänge und konsekutive Handlungen wie in jeder guten psychologischen Novelle als regelrechten Spannungsbogen:

Als sich diese Vermuthung bei mir bis zu der Stärke gesteigert hatte, welche uns unwillkürlich zu neuen Vermuthungen anspornt und durch alle Schwierigkeiten hindurch eine Idee zu verfolgen antreibt, beschloss ich, die schon so oft von mir versuchten Injectionen, bei welchen ich früher vorzugsweise auf die Venen hingearbeitet hatte, nun vorzugsweise den Arterien zuzuwenden. Die Idee, dass die Gefässe, welche das Blut bei der Erection ergiessen, andere seyen als diejenigen, welche es bei der gewöhnlichen Circulation [...] in die Venenanfänge übergeben, hatte mich schon seit einem Jahr verfolgt. [...] Bei der Abfassung eines Aufsatzes über das erectile Gewebe und die Erection für das encyclopädische Wörterbuch der medicinischen Wissenschaften war es, wo sich jene Vorstellung neuerdings in mir entzündete und mich veranlasste, in den nächsten Tagen neue, feinere Injectionen der Arterien zu machen (ebd., 206).

Bemerkenswert ist an dieser emotionalisierten Darstellung zunächst die ausgeprägte Fokalisierung bzw. Introspektion, die die Wissensgenese an die Autorität und Integrität eines einzelnen Forscher-Individuums koppelt. Bemerkenswert und zeitspezifisch ist ferner, dass hier auf doppelte Weise Kontingenz durch Selektion reduziert wird.

Erstens durch die individuelle, wissenschaftliche Beobachtung des Vivisektionisten und Experimentators Müller: Sie ist unter der Optik einer rezenten Beobachtungsgeschichte als perzeptive Praxis der gerichteten Aufmerksamkeit zu verstehen, die das wissenschaftliche Objekt erst konstituiert, indem sie es von einer Menge möglicher anderer Objekte unterscheidet (vgl. Daston 2011; Klausnitzer 2013): Müller sieht beim Anschneiden der Genitalien bestimmte Blutungsphänomene, die nun zu seinem Untersuchungsgegenstand werden. Solche Beobachtung ist demnach nicht passiv, unausweichlich, indifferent, als rein retinale Impression gedacht, sondern vielmehr aktiv, intentional, expressiv; eine eigenständige perzeptive Tätigkeit, die ‘die Sinne erzieht, Urteile kalibriert und Arbeitsobjekte selegiert’ (vgl. Daston / Lunbeck 2011, S. 1). Insofern kann sie in der Vertextung des Geschehens auch nicht stillschweigend vorausgesetzt werden, sondern bedarf – als zentrale Handlung in der Handlungskette – der expliziten Benennung: das ‘Sehen’ der angeschnittenen Corpora Cavernosa, die ‘vollständigen Beobachtungen’ von Genitalien, auch die teleskopischen examinations von Gesteinshügeln auf Darwins Reise.

Zweitens wird in Müllers Binnengeschichte Kontingenz auf narrative Weise reduziert, insofern der Erzähler Müller ganz bestimmte Handlungspartikel selegiert und in eine ereignishafte Chronologie bringt: bestimmte Dinge beobachten – eine ungewöhnliche Vermutung anstellen – angespornt werden – eine alte Idee wieder aufgreifen – eine alte Versuchsanordnung variieren – glückliches Ergebnis. Er blendet dabei die vielen alternativen Versuchsmöglichkeiten und anatomischen Erklärungen in einer völlig offenen Forschungssituation aus und erzeugt einen kohärenten Sinnzusammenhang, der kausal geordnet und tektonisch gebaut ist. Beide Formen der Selektion bzw. Kontingenzreduktion sind nun aufs engste miteinander verknüpft: So wie die selektive Vertextung von Wissenspartikeln vor der endgültigen Wende zum Untersucher-unabhängigen wissenschaftlichen Experimentalismus an einen subjektiven Erzähler gebunden ist, so ist die selektive Observation an einen individuellen, subjektiven Beobachter gebunden. Beide, der aufmerksame Beobachter und der homodiegetische Ich-Erzähler nehmen demnach eine Perspektivierung von Welt vor, und so kann man dem von Lorraine Daston (2011) beschriebenen Typus des aktiven und kreativen wissenschaftlichen Beobachtens eine genuine Affinität zur Narration attestieren. Nicht von ungefähr wurde die kognitive Tätigkeit des Erzählens an die Qualität der experienciality und die epistemische Tätigkeit des gerichteten Beobachtens an den Begriff der experience gekoppelt (vgl. Fludernik 1996, 12, 15-19, 46-52; Daston / Lunbeck 2011, 2)

Müllers Geschichte einer beobacht- und erfahrbaren Genitalien-Physiologie läuft nun linear und scheinbar notwendig auf jenes Telos zu, von dem her die Narration ihren eigentlichen Sinn bezieht:

Es war einer der glücklichsten Tage meines Lebens, an welchem ich diese Injection wieder an einem menschlichen Penis durch die Arteria profunda penis versuchte; sie führte mich zu der Erkenntniss der wunderbaren Verschiedenheit in der Verbreitung der feineren Zweige der Arteria profunda penis (Müller 1835, 206).

Natur in prädarwinistischer Bewegung ist demnach immer noch eine, die sich progresshaft auf ihre erhabenste Form, den Menschen zubewegt. Insofern ist das Erzählziel, die Erkenntnis menschlicher Physiologie durch eine teleologische Handlungssequenz vom Einfachen zum Komplexen, sinnfällig als happy end inszeniert: Müller vergleicht die Genitalienanatomie verschiedener Säugetiere, bis er schließlich beim menschlichen Genitale landet, das ist dann der „glücklichste Tag seines Lebens“.

Objektivität also nicht durch Austreibung des Autors aus dem Text, wie Müller fünf Jahre früher behauptet hatte – sondern vielmehr durch eine homodiegetische Ich-Erzählung, die der Konstitution von storyworlds in realistischer Fiktion so unähnlich nicht ist. Erzählendes und erlebendes Ich sind zeitlich und hinsichtlich ihres Überblicks über die storyworld weit getrennt. Jene Zweifel, Fehler und epistemologischen Sackgassen, mit denen sich der Protagonist Müller in der Vergangenheit herumschlagen musste, kann der hochgradig zuverlässige Erzähler Müller in der Erzählgegenwart souverän motivieren, richtigstellen und zur Explikation nutzen: „Ich hatte sie [die Idee der arteriellen Erektionsperfusion, MK] schon fast aufgegeben, weil ich, mit unvortheilhaften Injectionsmassen arbeitend, an einer mir naheliegenden Entdeckung vorbeigeführt wurde“ (ebd., 206), heißt es im Vorgriff auf den abschließenden, zielführenden Versuch; die Übersicht des erzählenden Ichs über die erzählte Welt scheint uneingeschränkt. Zentrales Ereignis und Klimax der entschieden finalisierten, ca. zweiseitigen Binnenerzählung, die man mit einigem Grund als novellistisch bezeichnen könnte, ist nun ausgerechnet ein Akt des Schreibens, nicht des Beobachtens: Bei der Abfassung eines Aufsatzes für das enzyklopädische Wörterbuch (s.o. Blockzitat) ‚entzündet‘ sich im erlebenden Ich die richtige Idee und setzt das beweisende Experiment mit der richtigen Färbung in Gang. Damit kommt just an der Peripetie der Narration ein hermeneutischer Prozess des Schreibens, Lesens und Verstehens ins Spiel, der Residuen der alten, literarisch-naturkundlichen Gelehrtenkultur verrät und noch weit entfernt ist von jener mathematisierten Natur Du Bois-Reymonds und Bernards, die sich kaum mehr erzählen lässt.13 Insofern ist es auch nur folgerichtig, wenn Müller mit narrativen Mitteln ein noch völlig ungesichertes, hypothetisches und doch Wahrheit beanspruchendes Wissen über den Erektionsvorgang formuliert und gleichzeitig stabilisiert – und darüber hinaus eine diskursiv adäquate Darstellung für Natur in actu findet.

Beschränkt sich das Erzählen in Müllers Abhandlung auf dieses eingebettete Narrativ, so sind andere Aufsätze umfassend als homodiegetische Ich-Erzählungen organisiert bzw. weisen ein zugrundeliegendes Plot-Schema auf. In einem Artikel des dänischen Anatomen und Physiologen Adolph Hannover (1839) etwa,14 der der brennenden Frage von Krankheitsentstehung durch lebende Kontagien nachgeht, sind prozesshafter Inhalt und temporalisierende Darstellungsform – oder wenn man so will histoire und discours – umfassender miteinander verwoben. Zunächst setzt auch diese Erzählung, ähnlich wie Müllers Binnengeschichte, mit Vivisektion ein. Nachdem sich auf einem toten, „anatomirten“ Wassersalamander zufällig eine pflanzenartige Wucherung gebildet hat, die den ganzen Körper überzieht, muss das erlebende Ich diesem unerwarteten Befund – einem epistemologischen byproduct im Sinne Rheinbergers – selbstredend am lebenden Organismus nachgehen:

Einigen der lebenden Thiere hatte ich die Spitze des Schwanzes abgeschnitten, um ihre Reproductionsfähigkeit kennen zu lernen [...]. Wenn die Durchschneidung oder völlige Wegnahme des Schwanzes nicht zu nahe an der After-Öffnung geschah, überlebten die Thiere gewöhnlich die Operation, und es bedeckte sich alsdann nicht allein der durchschnittene Theil des Schwanzes, sondern auch die Schnittfläche [...] mit derselben Efflorescenz [Hautwucherung, MK] (ebd., 339-341).

Auch im Falle der seltsamen Hautwucherung geht es um eine zeittypische Natur in actu; deren geheimnisvolle Prozesse werden durch Handlungssequenzen enthüllt bzw. gelegentlich überhaupt erst hervorgebracht. Schließlich schneiden die nahezu hyperaktiven Protagonisten der erzählbaren Natur auf alle erdenkliche Weise in alle erdenklichen toten oder lebenden Körper hinein, in Pferde, Hunde, Schafe, Mollusken, Wassersalamander; und zwar mit unsterilen Instrumenten. So ist das Ereignis der plötzlichen „Efflorescenz“ auf Amputationsflächen, das der Beobachter Hannover als Arbeitsobjekt selegiert und zum Ausgangspunkt seiner Geschichte macht, aus heutiger Sicht nicht besonders verwunderlich: Es handelt sich um eine Wundinfektion mit mikrobiellen Hautbewohnern, wie sie der vivisektionistische Eifer den Anatomen zuhauf beschert haben mag. Eine Erzählung ist der Vorgang deshalb wert, weil es für ihn im zeitgenössischen Wissenssystem weder feste Begriffe noch gesicherte explanatorische Modelle gibt; Hannover benennt seinen Gegenstand tentativ als „Pflanze“ bzw. als „Conserven“ (ebd., 341), letzterer Terminus findet sich gehäuft bei Physiologen und Anatomen für mikroskopische Kleinstlebewesen.15

Dem kreativen Blick des willkürlich Experimentierenden stellt sich das Infektionsgeschehen demnach zunächst als Prozess ohne klare Kausalität dar. Genau genommen erscheint es als lose Folge von Ereignissen, der allerdings ein tektonischer Bau und zwei mögliche Ausgänge, ein glücklicher und ein fataler immanent sind: Beginn mit kleinen Herden auf der Haut – weitere, unvorhersehbare Ausbreitung in der Tiefe des Körpers – lebensbedrohliche Überwucherung, septische Klimax – spontane Rückbildung der Erscheinungen oder aber Tod. Dieser beobachtbaren Wirklichkeitsfolge entspricht nun der Fortgang von Hannovers Wirklichkeitserzählung, nur dass aus der losen Folge von Geschehnissen ein stringenter Zusammenhang geworden ist, der Kausalität nahelegt:

Anfangs konnte man sie [die Hauterscheinungen] samt der Epidermis mit dem Messer abschaben; [...] ungefähr sechszehn Stunden später war die Efflorescenz wieder hervorgewuchert, sogar dichter als zuvor [...]; in jener kurzen Zeit hatte sie die Höhe einer halben Linie erreicht, acht Stunden später die Höhe einer Linie; sechszehn Stunden später war sie eine halbe Linie höher geworden, hatte die Afteröffnung erreicht, auch die eine hintere Extermität war davon bedeckt und das Thier starb. [...] Sehr häufig zeigten die von der Krankheit ergriffenen Thiere einen beständigen Trieb das Wasser, worin sie sich aufhielten, zu verlassen; sie krochen an den Seiten des Gefässes hinauf, und blieben da mit vieler Anstrengung sitzen, gerade als ob sie ihren bevorstehenden Untergang bei einem fortgesetzten Aufenthalte im Wasser ahneten und ihm zu entgehen suchten. Ich konnte indessen hierüber keine weiteren Versuche machen, denn die Thiere hielten einen Aufenthalt in einem trockenen Gefässe nur einen oder zwei Tage aus (ebd., 339f.).

Besonders die dichte temporale Deixis der acht- und sechzehn-Stunden-Segmente, in denen die infektiöse Wucherung auf der Haut des längsgestreiften Tiers fortschreitet, zeigt, wie naheliegend erzählerische Wissenskonstitution im Falle des ungeklärten Infektionsprozesses ist. Indem das erzählende Ich rückblickend einzelne Versuchsbeobachtungen in eine minutiöse Ereignis-Chronologie überführt, stellt sich der undurchschaubare Vorgang, dessen Mechanismen keiner kennt, als schlüssiger Sinnzusammenhang dar, als story of infection. Schließlich ist um 1840 weder gesichert, dass Kontagien lebende Mikroorganismen sind, die sich im Wirt exponentiell vermehren, noch dass die skizzierte Geschehensfolge mit gutem oder bösem Ende vom Zusammenspiel zwischen Wirtsimmunität und Parasit abhängt.16 Ungeachtet dieser Unsicherheiten greift Hannover in einem weiteren experimentellen Schritt aktiv in die Geschehensfolge ein und erzeugt künstlich, was er zuvor durch kreative Beobachtung als Objekt selegiert hatte. Er bringt die zufällig entstandenen, dubiosen „Conserven“ gezielt in die Haut gesunder Tiere ein – mit den gewünschten Effekten:

Einem andern magern Thiere inoculirte ich Conserven, die auf einer todten Fliege wuchsen; die Inoculation geschah an dem vorderen Theile des Schwanzes; gleich nach der Operation zeigte das Thier heftige Aeusserungen von Schmerz; es wälzte sich auf die Seite und schlug stark mit dem Schwanze. Es war im Begriff sich zu häuten. [...] 24 Stunden später hingen einzelne sehr kurze Fäden von der Wunde herab, welche das Aussehen der Conserven der Fliege hatten. Nach Verlauf von 24 Stunden fielen sie ab und die Oberfläche des Schwanzes war glatt (ebd., 345).

Auf diese Weise kann der Erzähler Hannover das hypothetische Kontagion, von dem niemand weiß, ob es Pilz oder Tier, Einzeller oder Vielzeller ist und ob es überhaupt existiert, rückblickend als Antagonisten der oben skizzierten story of infection erzählen; in einem dramatischen Kampf um Leben und Tod triumphiert der gequälte Salamander über den bösen Parasiten. Mit dieser Aktantenfiktion von ‚Conserve gegen Salamander‘ reduziert sich das Chaos der explanatorischen Möglichkeiten nochmals: Es entsteht eine sinnfällige zeitliche Ordnung, die von zwei Agenten getragen ist und sich aus den Ereignissen ‚Inokulation‘, ‚Schmerz‘, ‚Widerstand gegen den Parasiten durch Häutung‘, ggf. ‚Abfallen der Extremität‘, ‚Tod‘ oder ‚Gesundung‘ zusammensetzt. Dieses einfache, tektonische Narrativ zieht sich dann in vielen, jeweils leicht abgewandelten Versionen durch das Textganze, da Hannover immer neue Inokulationsversuche macht und so das Objekt seiner gerichteten Aufmerksamkeit immer wieder beobachten kann.

Wenn hier wiederholt von Ereignissen und Ereignisfolgen die Rede ist, muss freilich eingeräumt werden, dass damit eher eine geringgradige Ereignishaftigkeit gemeint ist (vgl. Schmid 2003, 26f.; Köppe / Kindt 2014, 65f.): Die Ereignisse sind zwar relevant, das heißt sie konstituieren den Verlauf der story, stellen aber keine unvorhersagbaren Momente oder Grenzüberschreitungen dar, die doch eher der Fiktion vorbehalten sind. Weder die induzierten Wucherungen auf der Salamanderhaut noch die venöse Blutfülle im Genitale dürften es an Unerwartetheit beispielsweise mit der Geburt von Charlottes und Eduards hybridem Kind oder dem Erscheinen verführerischer Zaubererinnen in Bergwerken aufnehmen. Solche vergleichsweise starken Ereignisse produzieren eher überraschende Umschwünge – und dienen insofern der ‚Immersion‘ des Lesers – als jene zwingende Stringenz, die Ziel der lebenswissenschaftlichen Erzählung im 19. Jahrhundert ist. Im Gegensatz zur Fiktion muss hier die erzählte Welt in denkbar höchstem Maß auf die Wirklichkeit des intendierten Lesers referieren, der seinerseits konkret definiert ist: ein akademisch geschulter, wissenschaftlicher Experte. Für diesen spezialisierten Rezipienten hat das narrativierte Wissen seine eigene Wahrheit und Gültigkeit im Prozess des Erzählt-Werdens permanent unter Beweis zu stellen. Zu den dabei implizierten Kommunikationsregeln zwischen Autor und Leser, die sich als faktualer Pakt umschreiben ließen – Christian Klein und Matías Martínez (2009, 3) sprechen von „Abkommen“17 –, gehört die maximal transparente Motivation aller Handlungen durch den homodiegetischen Ich-Erzähler. Er stellt sein eigenes Tun als Protagonist der erzählten Welt mit größtmöglicher Distanz dar, kommentiert und begründet es; man hat das schon bei Müller gesehen.

Noch prononcierter zeigt sich diese Verpflichtung zur Zuverlässigkeit bei Hannover, denn hier ist das Textganze durch eine spezifische Rhythmik von Narration, subjektiver Reflexion und objektiver Deskription organisiert; genauer gesagt von Handlungssequenzen (Manipulationen und Beobachtungen) und von auktorialen Kommentaren, die die Handlungen im Vorhinein motivieren, im Nachhinein interpretieren und die konsekutiven Ereignisse erklären. „Ehe ich zu den folgenden Experimenten übergehe“, so unterbricht Hannover etwa die erste Sequenz an Beobachtungen, „ist es nothwendig, Einiges über das Wachsthum und den Bau der Pflanze selbst zu erwähnen” (Hannover 1839, 341). Es folgt eine etwa einseitige Passage, in der das erzählende Ich zugunsten einer sachlichen Beschreibung vollkommen verschwindet.

Dieser fortlaufende auktoriale Selbstkommentar, der erzählendes und erlebendes Ich weit voneinander distanziert, schließt nicht nur subjektive und objektiv-unpersönliche Redeformen sondern sogar Metanarrativität mit ein: „Statt mehrerer Fälle, wo ich die Inoculation mit Erfolg vornahm“, so Hannover über die narrative Selektion bestimmter und die Ausblendung anderer Ereignisse, „werde ich nur diejenigen beschreiben, welche mir die interessantesten scheinen, und welche den Gegenstand am besten erläutern“ (ebd., 342). Der Ich-Erzähler legt demnach Rechenschaft ab, und zwar über seine vergangenen Handlungen ebenso wie über den Vorgang des Erzählens selbst; besonders die letztere Strategie, diegetische Authentizität zu suggerieren, erinnert erneut an fiktionale Erzählformen des 19. Jahrhunderts – etwa an Rahmenerzähler, die narrative Selektionen anhand vorgefundener Tagebücher, Briefe, Nachlässe ‚authentifizieren‘. Aus der skizzierten Rhythmik von Narration, Reflexion und Deskription ergibt sich jedenfalls eine hybride Mischform, die dem Texttypus ‚wissenschaftlicher Aufsatz‘ um 1840 weitgehend eigen scheint und ihn unter die Kategorie der „deskriptiven Wirklichkeitserzählung“ fallen lässt, die Klein und Martínez (2009, 6-7) von „normativen“ und „voraussagenden Wirklichkeitserzählungen“ abgrenzen.18

In Hannovers Aufsatz korrespondiert nun der genrespezifische Oberflächenstruktur aus erzählenden, reflektierenden und beschreibenden Passagen (wie in vielen anderen auch) eine erzählerische Tiefenstruktur, die im vorliegenden Fall das folgende teleologische Schema aufweist: Beobachtung der spontanen infektiösen Wucherung – wegweisende Lektüre der Abhandlung eines Kollegen – gezielte Inokulationsversuche an gesunden Tieren19 – Bestätigung der gemachten Schlussfolgerungen per analogiam und empirisch20 – Begegnung mit einem etablierten Wissenschaftler (Jakob Henle), der die Beweiskraft der Experimente bestätigt. Die Bestätigung durch Henle ist das Telos, auf das der finalisierte Plot zuläuft: Er habe, so Hannover, als er dieses Jahr „nach Berlin kam, [...] das Vergnügen [gehabt] den Herrn Dr. Henle kennen zu lernen und die Rede kam zufälligerweise auf diesen Gegenstand“ (Hannover 1839, 346); es folgt eine Beschreibung paralleler Observationen.21

Iterative narrative Einheiten (bzw. die story of infection) an der Textoberfläche, die mit gewissen Variationen das Schema von Wucherung, Ausbreitung und Heilung / Tod wiederholen, sind demnach mit der erzählerischen Struktur des Textganzen derart verzahnt, dass der Eindruck nahezu zwingender Kausalität entsteht – von beobachteten Ereignissen A, daraus hervorgehenden Schlussfolgerungen, daraus hervorgehenden epistemischen Manipulationen, daraus hervorgehenden Ereignissen A1 und schließlich der Verifikation der Schlussfolgerungen. So bestätigt sich die Wahrheit des Vermuteten in der Geschlossenheit eines Plots, der Anfang, Mitte und Ende, akzelerierende (Inokulationsversuche) und retardierende (Reflexionen, erhellende Lektüren) Momente aufweist und ebenfalls auf ein happy end, die Legitimierung durch den etablierten Kollegen zuläuft. Man sieht an diesem Beispiel, wie hypothetisches, vorparadigmatisches Wissen, das bislang keiner Normalwissenschaft und keinem Denkstil angehört, durch Narrativierung zum gesicherten Sinnzusammenhang stabilisiert wird.

Lebenswissenschaftliches Erzählen um 1840: Persuasive Funktion

Nun gehen die Stabilisierung des Wissens und seine Rechtfertigung in der homodiegetischen Ich-Erzählung Hand in Hand; auf die Tendenz, Rechenschaft über Handlungen, Gedanken und diegetische Darstellung abzulegen, wurde bereits hingewiesen. Dabei geht es nicht nur um die Herstellung von innerer Kohärenz, sondern um Wahrheit; wissenschaftliche Kommunikation folgt bekanntlich der Leitdifferenz wahr / falsch. Dass szientifische Sachverhalte tatsächlich zutreffen, kann textuell grundsätzlich auf zweierlei Weisen verbürgt werden: entweder durch die Allgemeingültigkeit der Proposition oder aber durch das Gegenteil, die Authentizität des individuellen, subjektiven Zeugnisses. Diese beiden Formen haben freilich einen historischen Index, und um 1840 scheint die authentische Zeugenschaft in dem Maß zu überwiegen, wie die wissenschaftliche Beobachtung noch als “observation as persuasion” (Gordin 2011, 136) konzipiert ist. So fällt in jenen Aufsätzen, die vornehmlich als Ich-Erzählungen konzipiert sind, eine hohe Dichte an Verben der visuellen Wahrnehmung auf, immer wieder zeigt sich die erwähnte Affinität von Observation und Narration: „Es gelang mir mehrmals, das Thier in diesem Akte zu sehen“, heißt es etwa in einem Aufsatz „zur Entwickelungsgeschichte der Mollusken“ über die Ei-Ablage der Tiere, weiterhin betont der Verfasser, das alles wiederholt mit eigenen Augen gesehen zu haben:

Es ist von nicht geringer Wichtigkeit, daß dieses interessante physiologische Phänomen, welches die Naturforscher nur noch wenig kennen, sich auch, und noch deutlicher und leichter zu beobachten, bei den Mollusken zeigt, welches diese meine während zweier Winter fortgesetzten Beobachtungen bestätigen (Sars 1840, 197, 200).

Empirische Beobachtungen, ob von spontanen oder von willentlich induzierten Naturphänomenen, lassen sich offensichtlich deshalb zu glaubhaften Aussagen verbinden, weil ein starkes, souveränes Text-Ich unter genauer Angabe von Raum und Zeit die Wahrheit dieser zielgerichteten Observationen verbürgt: „Am 18. April 1837 fand ich nämlich in der See bei Florö einige Akalephen dieser Art von fast ½ mm im Durchm. [...], deren große Aehnlichkeit mit den Jungen der Medusa in die Augen sprang“, heißt es in einem weiteren Aufsatz zur Molluskenforschung (Sars 1841, 16). Immer wieder heben die Erzählinstanzen ihre Augenzeugenschaft hervor, um anschließend persönliche Schlussfolgerungen zu präsentieren, die sich genau dieser Augenzeugenschaft verdanken. In Abwesenheit von wissenschaftlichen Standards, von standardisierten Versuchsanordnungen und entsprechend standardisierten Textsorten mit kanonischen Aufbau – Fragestellung, Versuchsaufbau, Ergebnisse, Diskussion –, müssen Erkenntnisweg und textuelle Darstellung nolens volens individuell ausfallen: durch kreative Beobachtung, die im Sinne Dastons Urteile kalibriert und durch perspektivische Narration, die Beobachtung und Urteil zusammenbindet; der Aufwand an Authentifizierung ist dabei mitunter immens. So werden etwa am „12. October 1839“, „am 14. October“, „am 15. October“, „am 16. October“ unterschiedlich entwickelte Weichtiere an einem norwegischen Strand (ebd., 19-22) oder nach acht, sechzehn und wieder sechzehn Stunden unterschiedliche Parasitenwucherungen auf Salamanderhaut gefunden; derartig repetitive, zeitliche und räumliche Markierungen grenzen bisweilen ans Obsessive. Und das ist wissenschaftsrhetorisch durchaus sinnvoll: Um 1840 existieren noch kaum Kriterien der Objektivierung, etwa Kriterien des Experimentalismus, wie sie Claude Bernard 1865 in seiner Introduction à l’étude de la médicine experimentale formulieren wird. So ist auch die Darstellung von Wissen noch nicht an schematisierte Textstrukturen gebunden und noch nicht durch jenes unmarkierte, epistemische ‚Wir‘ organisiert, für das Christina Brandt (2014) den Begriff des modest witness von Donna Haraway übernimmt. Übertragen auf Textinstanzen des 20. Jahrhunderts, gelte für das kollektive, anonymisierte ‚Wir‘ die epistemische Tugend der Zurückhaltung, die im transitivierten ‚man sieht‘ zum Ausdruck kommt (vgl. Brandt 2014, 34).

Nun verwendet Donna Haraway (1997, 23) das Konzept des modest witness, der unter Verzicht auf jegliche persönliche Meinung absolute Objektivität garantiert und als „inhabitant of the potent ‚unmarked category‘“ einer diskursiven Leerstelle gleichkommt, als Indikator des wissenschaftlichen Modernisierungsprozesses von der frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert. Mit Blick auf Steven Shapin und Simon Schaffer entwirft sie ein rhetorisches Kontinuum der Zurückhaltung von der wissenschaftlichen Revolution des 17. Jahrhunderts, die bekanntlich im Zeichen von mechanistischer Physik, Mechanik und Astronomie steht, bis in die Gegenwart. Mag das mit Blick auf einen makrohistorischen Modernisierungsprozess überzeugend sein, lässt sich indes die Formel des modest witness für die Geschichte der Lebenswissenschaften und ihrer Repräsentationsformen doch etwas kleinteiliger historisieren; das zeigt gerade die Narrativität biologischer Darstellungen um 1840. Denn aus ihr spricht eine ganz spezifische transitorische Situation des epistemischen Subjekts, die mit dem Konzept des modest witness gerade nicht erfasst wird. Genau genommen spricht aus ihr eine spezifische Beschaffenheit jenes Raumes, in dem sich Wissenschaftskommunikation vollzieht. Die arbiträren biologischen Forschungspraktiken der 1840er Jahre – gerichtetes Beobachten, Mikroskopieren, Sezieren, Vergleichen – sind nicht durchgehend in einen public space mit beschränktem Zugang eingebettet, der demjenigen der physikochemischen Experimentatoren des 17. Jahrhunderts, etwa Robert Boyles gemeinschaftlichem Labor, vergleichbar wäre (vgl. Haraway 1997, 25f.); in ihm hätten kollektive Autorschaft und modest witnessing ihren legitimen Ort. Die Wissensproduktion findet indes noch kaum in Denk- bzw. Forscherkollektiven statt, das ändert sich erst mit der großflächigen Institutionalisierung der Lebenswissenschaften, die Timothy Lenoir (1992, 15f.) in der zweiten Welle von physiologischen Laborgründungen nach 1850 verankert. Protagonist dieses neuen experimental life wird dann jener Forschertypus mittleren Talents mit einer standardisierten Karriereerwartung sein, den Emil du Bois-Reymond 1877 in der Eröffnungsrede seines Labors als wissenschaftlichen „Durchschnittskopf“ kennzeichnet (Du Bois-Reymond 1912, 651; vgl. Lenoir 1992, 16). In diesem Klima der regulierten Gruppen-Forschung setzt sich endgültig der depersonalisierte Wissenschaftsstil der Moderne durch, hier ist das Konzept des modest witness sinnvoll: Die Autorität anonymer Textinstanzen als Sprachrohr der Objektwelt verdankt sich dem Umstand, dass sie keine subjektiven Kommentare oder Interpretationen anbieten (vgl. Haraway 1997, 24), mit anderen Worten: dass sie nicht mehr erzählen. Dieser Deprivilegierung des Narrativen korreliert diejenige der kreativen Observation. Da wissenschaftliche Beobachtung unter Bedingungen eines standardisierten Experimentalismus ja übertragbar sein muss und insofern der ihr eigene Perspektivismus zu verschwinden hat, ist der Typus des wissenschaftlichen ‚Durchschnittskopfs‘ auch nicht mehr mit einer speziellen oder gar genialen Beobachtungsgabe ausgestattet; vielmehr mit durchschnittlichem sinnlichen Vermögen. Beobachtung wird zur passiven, unvoreingenommenen Datenregistrierung vereinfacht, der nichts Individuelles oder gar Ingeniöses mehr anhaften darf (vgl. Daston / Lunbeck 2011, 3f.).

Diese doppelte Unmarkiertheit als Beobachter und Textinstanz gilt nun aber gerade nicht für den Träger des epistemischen Prozesses in der ersten Jahrhunderthälfte. Er ist als „man of scientific genius“ (Lenoir 1992, 15) bzw. als ‚Genie der Beobachtung‘ (vgl. Daston / Lunbeck 2011, 13) noch dem goethezeitlichen Modell vom Schöpfer-Künstler verpflichtet:22 ein herausragendes, kreatives Einzelindividuum, wie ihn etwa der naturkundliche Autodidakt Charles Lyell oder auch Johannes Müller verkörpern. In Deutschland bringt die erste Welle an physiologischen Labor- und Institutsgründungen diesen Typus hervor,23 der sich am Modell literarischer Autorschaft orientiert.

In diesem Sinn wird die Wahrheit des Wissens auch nicht durch das Befolgen von experimentellen und textuellen Standards, sondern durch die Einzigartigkeit und Originalität herausragender Akteure garantiert. Wissensproduktion ist ein elitäres Unterfangen, gebunden an singuläre Figuren und singuläre Forschungsmomente. Insofern wurzelt ein weiteres wesentliches Kriterium für homodiegetische Narrativität – neben der dynamisierten Natur und der Handlungsfreudigkeit ihrer Erzähler – schon in der Forschungssituation selbst: situatedness bzw. Singularität, also ein spezifischer Redeanlass und eine individuelle Sequenz von Ereignissen. Dementsprechend sind die Ich-Instanzen in den Texten gerade nicht durch epistemische Zurückhaltung, sondern durch starke persönliche Präsenz gekennzeichnet: als räsonnierende, selbstkritische Erzähler, als Träger von Meinungen, als Akteure origineller Taten und als aktive Beobachter singulärer Ereignisse. Im Kontrast zum modest witness könnte man diese Form der Legitimation als marked witness bezeichnen, sie zeigt sich besonders deutlich in den Eingangssentenzen der Aufsätze: „Ich habe im Sommer 1838“, so beginnt etwa ein Beitrag Purkinjes von 1845,

indem ich die von Jürgen Burdach zuerst durch Sichtbarmachung der feinsten Nervenfasern in Anwendung gebrachte Essigsäure in einem noch erweiterten Kreise in Versuch zog, eine Reihe von Beobachtungen über die Verhältnisse der elementaren Nervenfasern verschiedener Gewebe angestellt, die ich bald darauf, aufgefordert von einigen Professoren der Krakauer Universität, dorthin für das Jahrbuch der medicinischen Fakultät einschickte, wo sie in dem Jahrgange 1839 abgedruckt wurden (281).

Hier sprechen die Fakten gerade nicht für sich selbst, vielmehr wird ihre Faktizität erst durch die Zeugenschaft eines elitären Erzähler-Protagonisten verbürgt. Er steht persönlich mit anderen elitären Forschern in Verbindung, observiert persönlich, rechtfertigt seine Meinung persönlich. Ganz in diesem Sinn der herausgehobenen Zeugenschaft funktioniert auch das kollektive ‚Wir‘, das es zwar durchaus gibt, das aber keineswegs jene anonymisierte, multiple Autorschaft indiziert, die in der Gegenwart bis zu mehrere hundert Verfasser in einer einzigen Publikation vereint (vgl. Galison 2003). Ganz im Gegenteil fungiert ‚Wir‘ als autoritativer Plural eines singulären Forschergenies und erweist sich insofern als besonders hervorstechende Variante des marked witness. In Lyells epochalen Principles of Geology (1830) etwa, denen schon qua aktualistischer Ausgangshypothese ein narratives Plot-Schema zugrunde liegt – die Erdgeschichte verdanke sich einer „uninterrupted succession of physical events“ (145) – werden Denkhandlungen durchgehend von einer Wir-Instanz präsentiert. Sie besticht nicht durch epistemische Zurückhaltung sondern durch einen autoritativen und persuasiven Gestus gleichermaßen: „If, on the other hand“, heißt es über die Kohlestrata sizilianischer Vulkane,

we examine the fossil remains in these strata, we find the vegetation of the coal strata declared by botanists to possess the characters of an insular, not a continental flora, and we may suppose the carbonaceous matter to have been derived partly from trees swept from the rock by torrents [...] (ebd., 128f.).

„We examine“, „we find“, „we may suppose“: Die kollektive Sprechinstanz bezieht den Leser hier ebenso in die Interpretation paläontologischer Naturzeichen ein, wie sie ihm die richtige Beobachtung und richtige Interpretation dieser Zeichen vorschreibt. Insofern suggeriert Lyells autoritatives ‚Wir‘ die Illusion eines Bündnisses zwischen Verfasser und Leser – im Vorangegangenen war bereits vom ‚faktualen Pakt‘ die Rede – und stellt gewissermaßen eine Dialog-Fiktion dar. Damit steht sie im diametralen Gegensatz zur anonymisierten Wissenschaftskommunikation des späten 19. und 20. Jahrhunderts, die sowohl den Autor als auch den Leser zur unmarkierten Kategorie erklärt.

Zusammenfassung

Abschließend lassen sich meine vorläufigen Überlegungen zum lebenswissenschaftlichen Erzählen folgendermaßen resümieren: Narrativität scheint der angemessene Darstellungstypus einer prozesshaft konzipierten Natur, der unterschiedliche, teleologische Ereignisfolgen inhärent sind; beispielsweise der Ablauf einer kontagiösen Erkrankung, das tiefenzeitliche Werden der biologischen Arten bis hin zum Menschen, die Funktionsabläufe von Organen und Organsystemen oder die embryonale Aggregation von Organen zum funktionsfähigen Organismus. Im Übrigen stellen auch die tektonisch gebauten Krankheitsverläufe der humoralpathologischen oder reiztheoretischen Krisenmedizin eine solch finalisierte Ereignisfolge dar, sogar eine mit novellistischer Struktur: Verschlechterung des Allgemeinzustandes – Klimax mit eruptiver Entleerung vermeintlich schädlicher Körpersäfte – fallende Kurve – Gesundung oder Tod – was partiell die Blüte des narrativen Texttypus ‚Fallgeschichte‘ im 18. und frühen 19. Jahrhundert erklärt (vgl. King 2016, 250-262). Jedenfalls kann man mit Blick auf diese Äquivalenz von Naturkonzept und narrativer Form der Letzteren zwei grundlegende Funktionen zuschreiben: erstens eine epistemologische, insofern Erzählen im Verbund mit gerichtetem Beobachten die Kontingenzen einer noch wenig geregelten Forschungspraxis reduziert und zeitliche wie kausale Sinnzusammenhänge herstellt. Zweitens hat das Erzählen eine persuasive Funktion, die letztlich ebenfalls der Erkenntnis dient: Wissenschaftsakteure können in Abwesenheit von experimentellen und textuellen Standards Meinungen mit Wahrheitsanspruch nur rechtfertigen, indem sie erzählerisch bezeugen, wie sie zu diesen Meinungen gekommen sind.

Mit der fiktionalen Prosa des 19. Jahrhunderts teilt das lebenswissenschaftliche Erzählen Tendenzen zur zeitlichen und räumlichen Deixis, ferner Geschlossenheit und Finalisierung, Distanzierung von erzählendem und erlebendem Ich bzw. den diegetischen Modus sowie elaborierte Strategien der Authentifizierung. Narrative Strukturmerkmale, die hingegen in den Erzählungen der Biologen aufgrund des genretypischen Wahrheitsanspruchs notwendig fehlen und sie von (realistischer) Fiktion kategorial unterscheiden, sind ausgefeilte Innendarstellungen, anachrone Zeitordnung, Mehrstufigkeit und natürlich erzählerische Unzuverlässigkeit. Was die Ereignishaftigkeit der Texte angeht, so stellt sie sich im Gegensatz zur Fiktion eher als schwach dar, so dass die Ereignisse zwar den Verlauf der Geschichte konstituieren, jedoch ohne jene überraschenden Wendungen, die den Leser in fiktionale storyworlds eintauchen lassen. Dass dies noch kein erschöpfender Funktionenkatalog ist, versteht sich ebenso von selbst wie der große Anreiz, der hier für die weitere, genre-, medien- und merkmalsbasierte Forschung zum faktualen Erzählen liegen dürfte.

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PD Dr. phil. habil. Dr. med. habil. Martina King
Institut für Germanistik
Institut für Medizingeschichte
Universität Bern
Länggassstrasse 49
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E-Mail:
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1 Adelbert von Chamisso: „Lettre écrite à M. le Comte de Romanzoff“ (Dezember 1818), in: Journal des Voyages, Paris 1818, zitiert nach Görbert 2014, 91.

2 Dass diese chiastische Umkehrung für die experimentelle Mechanik viel früher anzusetzen oder ggf. auch durch ein komplexeres Modell zu ersetzen ist, dürfte seit Steven Shapin und Simon Schaffers Grundlagenschrift Leviathan and the Air-Pump: Hobbes, Boyle, and the Experimental Life (1985) deutlich geworden sein; vgl. dazu auch Roger Chartier 2003, 27f.

3 Beide sind bereits fachwissenschaftlich konzipierte Medien, die im Gegensatz zu Lorenz Okens Isis keine poetischen oder philologischen Beiträge mehr enthalten. Das Archiv für Naturgeschichte wird seit 1835 von Wiegmann und Troschel herausgegeben, die beide in Berlin unter dem führenden Zoologen Lichtenstein arbeiten (zur Führungsrolle der deutschen Zoologie unter Lichtenstein vgl. Geus 2000, 335) und mit Müller in Verbindung stehen. Hier erscheinen vor allem zoologische und botanische Beiträge, das impliziert natürlich auch anatomische und embryologische Vergleiche, doch kaum medizinische Themen. Das Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medizin, das Müller zwischen 1835 und 1858 herausgibt, hat hingegen den postenzyklopädistischen Anspruch, die gesamte zeitgenössische Naturforschung zu bündeln und stellt insofern einen polydisziplinären Kreuzungspunkt dar, in dem alle Forschungsbereiche der erst zaghaft disziplinär strukturierten Lebenswissenschaften vertreten sind. Sämtliche deutschsprachige Physiologen, Embryologen, Mediziner und vergleichenden Anatomen der Epoche, die sich einen Namen machen konnten, publizieren in ‚Müllers Archiv‘: von Müller selbst über Carus, Purkinje, Schleiden bis zu Remak, Vogt, Henle und von Baer.

4 Vgl. Jan Swammerdamm (1672, 7) über die anatomische Präparation der vena spermatica: „[...] duas enim illius generis, meo more praeparatas penes me servo, quarum alteram arteria eleganter admodum pertransit. Nequeo mihi temperare, quin paucis hic inseram, processus peritonaei in viris aeque ac mulieribus nun ultra inguina produci, id quod in diversis subjectis videre mihi contigit“. Dieser Darstellungsmodus des räsonnierenden und handelnden Ich-Erzählers organisiert das Textganze. Vgl. auch die Darstellung alchemistischer Versuche als Handlungssequenzen im Präteritum bei Herman Boerhaave (1735, 16): „[...] egi mercurium ex cornuta vitrea igne arenae totum; egressum refudi in eandem retortam, ursi igne ut prius. Opus repetivi sexagies“. Vgl. auch die anthropologischen Untersuchungen Johann Friedrich Blumenbachs (1793, 41): „In dem entsetzlichen Skelett eines wirklich ungeheuer großen, Menschenähnlichen Affen von der Insel Borneo, welches ich in dem Naturalienkabinett des Fürsten von Oranien sorgfältig und zum wiederholtenmale untersucht habe, habe ich auch nicht die geringste Spur von jenen Nähten [des Zwischenkieferknochens, MK] entdeckt [...]“.

5 Vgl. Wolf Lepenies’ (1986, 16-21) Beschreibung der Dichotomie von „Erfahrungsdruck“ und „Empirisierungszwang“ als Ausgangspunkt für den Wandel von der Naturgeschichte zur Geschichte der Natur.

6 Ich beziehe mich hier auf Wolfgang Lefèvres (2009, 18) Unterscheidung zwischen „Disziplinen der Ordnung“ und „Disziplinen der Organisation“.

7 Ansatzweise findet sich die Verzeitlichung der Natur bereits im späten 18. Jahrhundert mit Theorien der Epigenesis und der Monstrositäten sowie der Vorstellung vom Bildungstrieb (z.B. Caspar Friedrich Wolff, Johann Friedrich Blumenbach); für diesen Hinweis danke ich Michael Hagner, Zürich.

8 Ebenso unspezifisch scheint mitunter das zugrunde gelegte Wissenschaftskonzept, wenn fachwissenschaftliche und popularisierende, also deskriptionsaffine und narrationsaffine Texttypen ohne Gattungsdiskussion gleichermaßen darunter fallen, vgl. exemplarisch Engler 2010.

9 Eine Ausnahme ist etwa Ariana Borellis (2015) Aufsatz zur Hochenergiephysik.

10 Eines der seltenen Beispiele für Erzählen in der Wissenschaftsgeschichte ist Roland Borgards (2007) Aufsatz zur Narkose-Erzählung um 1850.

11 Exemplarisch für die kaum mehr überschaubare Forschungslandschaft zum ästhetischen Darwinismus vgl. Glick / Shaffer 2014; Amigoni 2007. Narratologische Aspekte finden besondere Berücksichtigung bei Landau 1991, Richter 2011 und Schepsmeier 2015.

12 Für Monika Fludernik zählt die Frage nach der Funktion von faktualen Erzählungen mit Blick auf ihre Äußerungskontexte und institutionellen Rahmenbedingungen zu den zentralen Aspekten, die die Faktualitätsforschung zu beachten habe (vgl. Fludernik 2013, 131).

13 Dass die Nähe Müllers auch zur Naturphilosophie größer ist, als es Selbstbekundungen und zeitgenössische Einordnung vermuten lassen, wurde von der Forschung immer wieder betont, vgl. exemplarisch Hagner / Wahrig-Schmidt 1992. Dies gilt nicht nur für ihn, sondern auch für andere Akteure der frühen Biologie, die sich mit drastischen Gebärden vom ‘Unrat der Spekulation’ distanzieren.

14 Der Kopenhagener Mediziner und vergleichende Anatom Adolph Hannover (1814-1894) arbeitete auf einer Studienreise 1839-41 in Berlin bei Müller und publizierte in dieser Zeit zahlreiche Aufsätze in dessen Archiv.

15 Vgl. Ehrenberg 1839; vgl. auch die sog. ‚Epiphytenlehre‘ des Mikroskopikers Hermann Klencke (1843, 1-94), die ‚Conserven’ als pilzartige, pathogene Mikroorganismen in den Blick nimmt.

16 Dieses Wissen wird sich erst nach dem Geltungsverlust der orthodoxen, monokausalen Bakteriologie in den 1910er Jahren langsam durchsetzten; zur Kulturgeschichte der Mikrobenforschung vgl. King 2015, 433-498.

17 Vom autobiographischen Pakt Philippe Lejeunes unterscheidet sich das Autor-Leser-Abkommen innerhalb lebenswissenschaftlicher Kommunikation ab dem 19. Jahrhundert erstens durch die geteilte Fachsprache und zweitens durch die Uneingeschränktheit der Wahrheitsverpflichtung. Freilich gibt es Grauzonen, etwa den biogeographischen Expeditionsbericht, der sich zwar einerseits als Darstellung empirischen Wissens versteht, andererseits aber den Diskursregeln autobiographischen Schreibens folgt und insofern gewisse Lizenzen zur Fiktionalisierung enthält.

18 Auch die Hybridität auf der Ebene des discours zählt für die Verfasser zu den allgemeinen Kennzeichen faktualen Erzählens, nicht selten würden sich narrative mit nicht-erzählenden Passagen, „etwa Zustandbeschreibungen oder Argumentationen“ abwechseln (Klein / Martínez 2009, 7).

19 „So weit waren meine Beobachtungen gediehen, als mir die schätzbaren Arbeiten des Herrn Audouin über die Muscardine der Seidenwürmer zu Händen kamen **). Ich war schon im Voraus von der Ansteckbarkeit der Krankheit überzeugt, beschloss aber, um zu einem positiven Resultate zu gelangen, an gesunden Individuen die Inoculation der Conserven vorzunehmen“ (Hannover 1839, 342).

20 „Die Inoculation [...] lässt sich also mit reifen und mit unreifen Conserven vornehmen. [...] Es ist hier eine vollständige Uebereinstimmung mit den Versuchen des Herrn Audouin. Wurde der Thallus der Botrytis den Seidenwürmern inoculirt, wuchs der Schimmel ungleich schneller hervor und tödtete die Thiere in weit kürzerer Zeit [...]“ (Hannover 1839, 345).

21 „Eine genaue Vergleichung beider Bildungen zeigte aber auf das Bestimmteste, dass sie durchaus verschieden sind, und dass wir Beide, obgleich in dem fraglichen Gegenstande nicht übereinstimmend, Jeder für sich richtig observirt haben“ (Hannover 1839, 346). Henle, der zum Zeitpunkt des Treffens mit Hannover bereits als Privatdozent bei Müller arbeitet, wird dann seinerseits in seiner Schrift Pathologische Untersuchungen (1840, 5f.) Hannovers Abhandlung mit lobenden Worten erwähnen und ihre argumentative Beweiskraft hervorheben.

22 Auch wenn Daston und Lunbeck (2011, 3) erste Anzeichen für einen Geltungsverlust der individuellen, kreativen ‚Beobachtungskunst‘ zugunsten der rein passiven und übertragbaren Datenregistratur bereits bei wissenschaftlichen Autoren der 1820er Jahre ausmachen, so zeigen meine Quellenbeispiele, dass dies zumindest für die Lebenswissenschaften keineswegs verallgemeinerbar ist. Bezeichnenderweise enthält die im nämlichen Sammelband vorgelegte Geschichte der wissenschaftlichen Beobachtung trotz ihrer enormen historischen und thematischen Breite keinen Beitrag, der genau auf das lebenswissenschaftliche Beobachten in der Schwellenphase um 1830 zielt.

23 Gemeint sind die Gründungen von physiologischen Instituten und Labors 1824 in Freiburg, 1836 in Göttingen, 1837 in Rostock, 1839 in Breslau und 1845 in Jena (vgl. Geus 2000, 335).