Johannes Stephan

Von der Bezeugung zur narrativen Vergegenwärtigung

Fokalisierung im Reisebuch des Syrers Ḥanna Dyāb (1764)

Travelogues involve different truth claims, depending on whether their authors attempt on the one hand to convey received knowledge about entities and places, or on the other hand, present accounts of the traveler character’s own experiences. This study focuses on a travelogue from 1764 written by the Arabian Nights’ Syrian storyteller, Ḥanna Dyāb. Having written his travelogue more than 50 years after his trip to Paris, he evidently conceived of his narrative as a means to re-enact his experiences as a young traveler. To describe his particular self-staging in this autodiegetic narration “before fiction” (Paige 2011), I argue that an understanding of focalization as a graded visual mediation between the character’s inner life and the reader is needed. This approach helps one grasp how, with reference to Dyāb’s travelogue, truth is not something the traveler witnesses, but rather something the reader is invited to realize. I conclude that, with this shift from witnessing to visualization (Vergegenwärtigung), Dyāb’s travelogue fulfills a core function of literature.

1. Einleitung

Alles, was ich gerade erwähnt habe, ist von äußerster Bewahrheitung (taḥqīq) ohne Hinzufügung noch Auslassung. Allerdings schrieb ich es in einer Kurzfassung, damit der Leser sich ja nicht einbilde, ich würde in meinen Worten träumen. Ich habe viele Dinge gesehen, die ich nicht aufschrieb, oder die über die vergangenen 54 Jahre nicht in meiner Erinnerung geblieben sind. Denn als ich diese Reise (siyāa) aufschrieb – und dies geschah im Jahre 1763, wobei ich doch im Jahre 1709 in der Stadt Paris war – kam mir alles, was ich gesehen und gehört hatte, vollständig in den Sinn? Gewiss nicht. (96r)1

Wahrheit ist nicht gleich Wahrheit. Was der Erzähler zu Beginn als einen Anspruch auf Bezeugung zu formulieren scheint und mit „Bewahrheitung“ (taqīq) ausdrückt, wechselt im Verlauf des Metanarrativs2 in ein Geständnis des Schreibens aus sehr später Erinnerung. Und natürlich ist diese wie jede menschliche Erinnerung lückenhaft. Die Dinge, an die sich Ḥanna Dyāb, als er ab 1763 sein Reisebuch3 in Aleppo schreibt, zu erinnern behauptet, können nur zum Teil dem Anspruch auf eine gut prüfbare Realität genügen. Zu einem großen Teil nämlich gilt das Erzählen aus der Erinnerung dem persönlichen Erleben als junger Reisender: seinen Absichten und Illusionen, seinen Ängsten und Zweifeln. Die Wahrheit der Reiseerfahrung wird dabei nicht in erster Linie mithilfe der Figur bezeugt, sondern sie wird mit einem bestimmten biographischen Blick auf die Figur erzeugt.

Im Zentrum dieses Beitrags4 steht daher die Frage, was im Erzählvorgang passiert, wenn das Ziel des Wahrheitsanspruchs zwischen der persönlichen Wahrheit des Erzählers auf der einen und der Wahrheit der Dinge in der Welt auf der anderen Seite wechselt. Mittels eines graduellen Verständnisses von Fokalisierung werde ich aufzeigen, wie Ḥanna Dyāb seine Erfahrungen persönlich gestaltet und offenbar vergegenwärtigt. In der Vergegenwärtigung deutet sich – nach Gottfried Gabriel (2014) – eine zentrale Funktion von Literatur an.

Ḥanna Dyābs Reisebuch ist ein Erzähltext „before fiction“ (Paige 2011). Das heißt, er ist vor der Entstehung eines autonomen Bereichs der Fiktion (moderner Prosa-Literatur) im arabischen Schrifttum entstanden.5 Da Formen der Fokalisierung bislang vorwiegend im fiktionalen Erzählen überprüft wurden, verstehen sich folgende Ausführungen als Beitrag zum Umgang mit Fokalisierung in – grundsätzlich – „faktualen Erzählungen mit fiktionalisierenden Erzählverfahren“ (Klein / Martínez 2009, 4). Ich schreibe ‚grundsätzlich‘, da die Differenzierung zwischen faktualen und fiktionalen Erzähltexten erst mit der Etablierung von fiktionaler Literatur vollends gelten kann.6

Ḥanna Dyāb ist bislang nicht als Autor, denn vielmehr als prominent zitierter storyteller bekannt. Er erlangte Bekanntheit, da Antoine Galland „M. Hanna Maronite d’Halep“ (Galland 2011, 290) während seiner Zeit in Paris darum bat, ihm dabei zu helfen, seine Mille et une nuits zu vervollständigen. Wenn auch die Motive zum Großteil ganz andere sind, so finden sich in Dyābs Reisebuch deutliche Anzeichen einer der Nuits ähnlichen Erzählkultur. Auch fügt sich der Text in eine lange Tradition des arabischen Reiseschrifttums, genauer der Ego-Dokumente (Meier 2013, Elger / Köse [Hg.] 2010) über Reisen arabischer Christen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Viele von ihnen reisten zum Zweck der Almosensammlung für ihre Kirchen oder im Dienst einer wachsenden Orientalistik durch Europa. Aus letzterem Grund hat sich Ḥanna Dyāb ursprünglich nach Frankreich aufgemacht.

Im Folgenden gebe ich zunächst einen Überblick über die Spezifika und Kontexte des Reisebuchs. Anschließend führe ich aus, wie Reiseerzähler auch in der arabischen Textproduktion Reiseerfahrungen durch den Verweis auf sinnliche und insbesondere visuelle Wahrnehmung bezeugen. Da die Wahrnehmung in Erzähltexten unter den Begriff der Fokalisierung fällt, werde ich daraufhin ein graduelles Modell der Fokalisierung für nicht-fiktionale autodiegetische Erzähltexte vorschlagen. Mithilfe dieses Verständnisses von Fokalisierung zeige ich in einem weiteren Schritt auf, wie Ḥanna Dyāb als Erzähler den reisetypischen Blick mit der Figur zum Blick auf die Figur wendet. Abschließend diskutiere ich, wie sich der Blickwechsel auf den Wahrheitsanspruch des Reisebuchs auswirkt.

2. Reisen zwischen Wahrheiten

„Wohin reist du?“
Ich schämte mich, ihn über meine Geschichte in Kenntnis zu setzen. Statt­ dessen sagte ich ihm:
„Ich bin unterwegs, in der Welt herumzureisen und zu schauen.“
Dies erzählte ich ihm, um ihn von mir abzubringen. Allerdings war er nun über­ zeugt, dass ich unterwegs wäre, um herumzureisen. So fügte es Gott.
Dann sagte er zu mir:
„Wenn du herumreisen willst, dann wirst du keinen besseren finden als mich.“
So erzählte er mir, dass er ein Gesandter des Sultans von Frankreich sei.
„Ich reise durch die Länder und schreibe auf, was ich sehe und suche nach alten Büchern und nach Medaillen“ – gemeint sind Münzen der alten Könige – „und nach so manchen Kräutern, die es hierzulande gibt.“
Darauf fragte er:
„Kannst du Arabisch lesen?“ (8r-v)

Ungewollt und gestützt auf Flunkereien bewirbt sich Ḥanna7 als Dragoman und Diener bei Paul Lucas, einem Gesandten von Louis XIV. Ḥanna hat sich zuvor von seiner Familie in Aleppo davon gestohlen, da er sich dazu entschlossen hat, es noch ein weiteres Mal als Novize mit dem Leben im Kloster zu versuchen. Auf dem Rückweg ins Kloster schließt er sich einer Reisegruppe um Lucas an und kommt nun auf einer Rast zufällig mit ihm ins Gespräch. Ḥannas unehrliche Aussage eröffnet zum einen eine lange Reisegeschichte. Indem der Erzähler sich an dieser Stelle als Lügner offenbart, erfährt der Leser zum anderen etwas von der persönlichen Wahrheit, den Gefühlen und Gedanken, des jungen Ḥanna.

Lucas, selbst auch Reiseschriftsteller8, ist für seine Fabulierkunst bekannt, die sich im Reisebuch Dyābs andeutet. In dem Dialog zu Beginn kümmert er sich offenbar nicht besonders um Ḥannas persönliche Wahrheit. Er verspricht Ḥanna, dass ihn, wenn er ihn auf seinen Reisen begleite, eine besondere Anstellung in der orientalischen Bibliothek des Königs in Versailles erwarte. Lucas ist als Antiquar am französischen Hof angestellt. Er zieht, unter dem Vorwand Arzt zu sein, durch die Länder des Osmanischen Reiches. Damit ermöglicht er sich Zugang zu begehrten Münzen und seltenen Steinen. Die Reise führt Ḥanna und Lucas über die heutigen Länder Libanon, Zypern, Ägypten, Libyen, Tunesien und Italien bis in die französische Hauptstadt und vor Louis XIV.

Lucas und Dyāb finden zwar immer wieder gut umsorgt bei den Provinzgouverneuren und französischen Konsuln Unterkunft, doch die Reise ist auch von Abenteuern geprägt: wilde Stürme auf hoher See, Flaute und Auseinandersetzungen mit Piraten sowie nächtliche Ritte durch unheimliche Täler. Aber es gibt auch schöne und eindrucksvolle Momente, nämlich dann, wenn Ḥanna durch das grüne Zypern wandert, wenn er das Mittelmeer in Alexandria betrachtet, die städtische Ordnung in Paris bestaunt und Louis XIV. in seinen königlichen Gemächern begegnet.

Ḥanna erlebt die meisten Dinge in Paris allein. Schließlich kann Lucas sein Versprechen um eine besondere Anstellung für Ḥanna nicht halten. Ḥanna wird daher und besonders während des kalten Pariser Winters 1708/1709 missmutig. Er erfährt von dem brutalen französischen Strafregime, dem er durch einen unglücklichen Zufall beinahe selbst ausgesetzt ist. Weil er es in Paris nicht mehr aushält, reist er auf eigene Faust zurück. Die Reiseroute ist nun eine andere als die der Hinreise. Er reist von Marseille über Izmir und Istanbul. Eine weitere Herausforderung erwartet ihn auf der Rückreise durch Anatolien. Ähnlich wie zuvor Paul Lucas nimmt Ḥanna hier die Rolle eines europäischen Arztes an und sichert sich und seiner Reisegruppe auf diese Weise Reiseunterkünfte und -verpflegung. Als falscher Arzt ist er jedoch ständiger Angst ausgesetzt und muss wiederholt Unwahrheiten von sich geben. Obwohl er von Medizin wenig versteht, hat er mit Gottes Hilfe aber doch Erfolg und gelangt sicher nach Aleppo zurück zu seiner Familie. Schließlich lässt er sich dort als Tuchhändler nieder, heiratet und gründet eine eigene Familie. Nachdem Paul Lucas einige Jahre nach Ḥannas Rückkehr, nämlich 1714, wieder in die Levante reist, erleben die beiden ein letztes Reiseabenteuer.9 Die Reise­ erfahrungen bringt Ḥanna Dyāb beinahe 50 Jahre später, im Alter von etwa 75 Jahren, 1763 bis 1764 zu Papier.

Das Reisebuch ist in Kapitel gegliedert, so dass sich der Text grob in neun unterschiedlich große Abschnitte teilen lässt, die der Reiseroute entsprechen. Auffällig an der Unterteilung ist zuvorderst, dass die Hinreise über das Mittelmeer und Nordafrika den größten Raum einnimmt. Es handelt sich um fast ein Drittel des Narrativs. Der Zeit in Europa („den Ländern der Christenheit“) widmet der Erzähler ebenso etwa ein Drittel. Auch wenn Paris im Reisebuch relativ viel Platz einnimmt, wäre es somit vermessen, es zum zentralen Thema der Erzählung zu erklären.

Ḥanna Dyābs Reisebuch blieb wohl deshalb so lange Zeit kaum beachtet, da es als anonym eingestuft wurde (Graf 1949, 3. Bd, 467). Denn unglücklicherweise fehlen die ersten neun Seiten des einzigen Manuskripts, wohl ein Autograph (Heyberger 2015, 7), das bislang unediert in der Bibliothek des Vatikans liegt. Einer breiten Leserschaft ist es erst seit Kurzem durch eine kommentierte Übersetzung ins Französische zugänglich, die der Komplexität des Textes auf erfrischende Weise Rechnung trägt (Dyâb 2015).

Das Reisebuch liest sich als eine abenteuerliche Reiseerzählung mit Ansätzen einer Bildungsgeschichte. Es enthält Aspekte eines Geständnisses und umfasst dazu den ständigen Verweis auf göttliche Fügung und persönliches Unglück. Zuweilen trägt Dyābs Erzählung pikareske Züge, denn es spielen Begegnungen mit Menschen unterschiedlichen sozialen Standes sowie manche Tölpeleien und Maskierungen eine auffällige Rolle.10 Aber das Manuskript wurde nicht als Roman, sondern in der Sammlung des syrischen Priesters Paul Sbath (1928, 122) als „récit de voyage“ katalogisiert. Da das Buch Dyābs vom Reisen spricht und es unverkennbar Charakteristika des Reiseerzählens umfasst, liegt es nahe, den Text in eine Reihe von Reisetexten11 einzuordnen, die man in Aleppo aus dem 18. Jahrhundert vorfindet. Zu diesen gehört auch eine Kurzfassung des berühmten Reiseberichts von Ibn Baṭṭūṭa aus dem 14. Jahrhundert, die in verschiedenen Versionen verfügbar war (vgl. Elger 2010). In Aleppo wurden viele Reisetexte arabischer Christen aus dem 17. und 18. Jahrhundert gesammelt. Heute bekannt geworden ist unter ihnen das Reisebuch Ilyās al-Mawṣilīs, einem der ersten babylonischen Konvertiten zum Katholizismus (vgl. Ghobrial 2014, 59) und außerdem „erster orientalischer Reisender nach Amerika“ (Mawṣilī 1905, 52).12

Neben al-Mawṣilīs Reisebericht, der, was die Hinreise angeht, auch Passagen über sein Umherziehen in der Mittelmeerregion enthält, zeugt auch Dyābs Text von einer besonderen Mobilität orientalischer Christen im Mittelmeerraum. Ḥanna Dyāb erzählt neben seiner eigenen manche ihrer Geschichten: u.a. von dem angeblich ersten armenischen Kaffeesieder in Paris oder von der Frau eines syrischen Katholiken in Livorno, die partout ihre Kleidungsgewohnheiten nicht an die europäischen anpassen will. Das Reisen dreht sich also nicht nur um Ḥanna, sondern ist im Zusammenhang mit den Geschichten anderer Figuren mehrfach Thema des Textes. Anders als die Gelehrtenreisen auf der „Suche nach Wissen“ (Touati 2000, 10), von denen die islamische Welt besonders in der so genannten klassischen Zeit geprägt war, sprechen Texte wie Dyābs und al-Mawṣilīs vom Reisen aus Gründen finanziellen Drucks, zum Zwecke des Handels und möglicherweise wegen einer gewissen Lust auf Abenteuer.13 Gemeinsam haben diese beiden Reisetexte, dass relativ wenig über ihr Nachleben bekannt ist (vgl. Ghobrial 2012, 260-264). Auch die Anlässe des Schreibens al-Mawṣilīs und Dyābs, im Fall des Letzteren beinahe 50 Jahre nach Abschluss seiner Reisen, erschließen sich nicht.14

Wie die Welt Ilyās al-Mawṣilīs, der sich als Priester präsentiert und auf seinen Reisen durch Südamerika Messen hält, ist auch die Welt Ḥannas, des Laien, stark von katholischen Institutionen geprägt. Der Erzähler spricht von Jesuiten und Kapuzinern, auch erwähnt er Bittgebete an Schutzheilige sowie Andachten und Eucharistiefeiern. Er bestaunt neben Moscheen auch Kirchenbauten, eine Darstellung des Kreuzwegs, Marien-Ikonen und findet sich an Orten, an denen auch Josef der Sohn Jakobs oder Maria von Magdala ihre Spuren hinterlassen haben. Es ist dabei gut möglich, dass nicht nur viel mündlich vermitteltes Frömmigkeitswissen, sondern auch hagiographische Textkenntnisse in Dyābs Reisebuch eingeflossen sind, obwohl der Erzähler stets beansprucht, erst vor Ort von diesen und jenen Ereignissen gehört zu haben.15

Das Reisebuch liest sich als ein fein verwobener Flickenteppich von Reiseabenteuern, Ortsbeschreibungen, und, neben wundersamen Legenden, auch erstaunlichen Anekdoten. Mehrere ‚sekundäre Erzählungen‘ (vgl. Schmid 2008, 85) folgen im Stile von Tausendundeine Nacht Dialogen, wenn Ḥanna auf Unbekannte trifft oder sich mit Paul Lucas unterhält. Alles in Allem erscheint das Reisebuch durch die häufige Verwendung von direkter Rede als Ergebnis eines lebendigen Vortrags. Auch erhält es in seiner sprachlichen Gestalt Aspekte mündlicher Kommunikation durch die Verwendung des so genannten Mittelarabisch, das in diesem Fall sehr nah an der aleppinischen Umgangssprache gewesen sein muss (vgl. Lentin 2015; 1997, Vol. II, 902; Kallas 2012) und das den Eindruck eines Textes vermittelt, der sich aus der mündlichen osmanisch-arabischen Erzählkultur speist (vgl. Heyberger 2015, 32-35).16

Das Reisebuch veranschaulicht wie kein anderer arabischer Reisetext, wie der Orient Anfang des 18. Jahrhunderts in Paris zur Mode geworden war: Nicht nur erwähnt Dyāb den Beginn des Kaffeekonsums in der französischen Hauptstadt, auch deutet er auf das Interesse, das ihm selbst am Hof von Louis XIV. entgegengebracht wird, wo er als Katholik aus Syrien und als eine orientalische Kuriosität präsentiert wird. Besonders aber ist der junge Aleppiner für einen Mann interessant: Antoine Galland (1646-1715), der sich in dieser Zeit darum bemühte, eine Sammlung orientalischer Geschichten, die Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht, zu übersetzen und um fehlende Geschichten zu ergänzen.17 Ḥanna erzählt von seinem Treffen mit ihm und bestätigt damit indirekt seine Mitwirkung an der Popularisierung der Geschichten von Ali Baba und Aladin (vgl. Leeuwen / Marzolph 2004, 582f).

Die Lebendigkeit seines Reisetextes durch Dialoge, die Schilderungen menschlicher Umtriebe und die Tatsache, dass die ‚Reise‘ eine Rahmenerzählung für das Schicksal verschiedener berühmter und weniger berühmter Menschen darbietet, rücken Dyābs Buch in die Nähe der Mille et une nuits. Während Dyāb in den 1760er Jahren sein Reisebuch schrieb, suchten europäische Orient-Reisende nach vollständigeren oder verlässlicheren Versionen der Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht.18 Das Reisebuch enthält zwar kaum märchenhafte Motive, die an die Tausendundeine Nacht erinnern, aber eine ganze Bandbreite an populärem Erzählgut. Neben Heiligenlegenden finden sich darin historische Nachrichten und wundersame Erzählungen wie zum „Der Stein der Weisen“19 oder „Lebendig begraben“.20

Trotz der Nähe zur Umgangssprache reflektiert das Reisebuch auch die sprachliche Bildung seines Autors (vgl. Lentin 2015, 50f.). Es ist damit Teil einer wachsenden Textproduktion der Christen in Aleppo im 18. Jahrhundert, die durch die römisch-katholische Missionierung gefördert wurde.21 Über Ḥanna Dyābs sozio-ökonomischen Stand ist nur wenig bekannt. Als lange Zeit seines Lebens im Handel tätig mag man ihn zu einer Art kaufmännischer Mittelschicht zählen. Das Phänomen, dass sich in der frühen osmanischen Zeit (16.-18. Jhdt.) sehr viele Menschen aus einer Art Mittelschicht über sich und ihre Welt schriftlich zu artikulieren beginnen, begrenzt sich gewiss keineswegs auf die Katholiken. Es zeigt sich z.B. im Text des Sufi-Scheichs Muṣṭafā al-Laṭīfī, der Anfang des 18. Jahrhunderts von seinen Weltreisen Fabelhaftes und Erstaunliches zu erzählen weiß (vgl. Elger 2003), und in jenen historiographischen Texten, die Dana Sajdi (2013) als „commoner chronicles“ bezeichnet hat. Unter diesen „commoners“ finden sich ein Barbier und der Sohn eines Landwirts, die neben großen herrschaftsgeschichtlichen Ereignissen auch Erlebnisse aus ihrem Alltag dokumentieren. In der übermäßig reichen Buchkultur des Osmanischen Reiches fallen so besonders die Ego-Dokumente (Meier 2013, Elger / Köse [Hg.] 2010) teils marginaler, teils sehr kurioser Gestalten ins Gewicht.

Im katholischen Zusammenhang Aleppos ist dabei sehr wahrscheinlich, dass die Art und Weise der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte auch durch Praktiken der Beichte gefördert wurde (vgl. Heyberger, 2015, 26). Die Beichte findet sich z.B. in den autobiographischen Texten der Nonne, Mystikerin und Gründerin des libanesischen Herz-Jesu-Orden Hindiyya al-ʿUǧaymī (1720-1798) thematisiert. Hindiyyas „Geheimis der Vereinigung“ mit ihrem Liebhaber Jesus Christus und die Skandale, die aus diesem Anspruch und der Gründung ihres Ordens entstanden, erreichten Bekanntheit und Einfluss in der Region Syriens und darüber hinaus (vgl. Heyberger 2001, Khater 2011). Zu Lebzeiten Dyābs waren Erzählungen über Hindiyya in Aleppo bekannt. Es deuten sich manche Anknüpfungspunkte zwischen dem Narrativ Dyābs und dem Hindiyyas an: Dazu gehört der hagiographische Topos, das Familienleben hinter sich zu lassen und – im besonderen Kontext Aleppos – zum Zwecke des Klosterlebens in den Libanon zu ziehen (vgl. Heyberger 2001, 74f). Zu seinem Anschluss an das katholische Milieu passt nun auch, dass Dyābs Narrativ Innenansichten vermittelt, die den Charakter eines Geständnisses tragen. In der eingangs zitierten Passage werden Schamgefühl und eine Lüge offengelegt. Die selbstzitierte Lüge deutet so auf eine innere Wahrheit der Figur, die dem Leser bereits bekannt ist. Robert Folkenflik (1993, 225) betrachtet Lügen während der Kindheit als ein entscheidendes Element in Autobiographien, da es einen Raum kreiert, der nur dem Erzähler selbst zugänglich ist. Mithilfe des Erzählens von Lügen kann sich der Autobiograph von anderen differenzieren.

Betrachtet man das Reisebuch hingegen als Reisebericht, stehen zwei Wahrheitsansprüche einander gegenüber: die Wahrheit über einen jungen Reisenden (und seine Geschichte) auf der einen Seite und die Wahrheit über die Welt, die der Reisende gesehen haben will, auf der anderen. Der Erzähler erzeugt immer wieder eine Bewegung hin zum Handeln, aber ebenso Fühlen und Denken der Figur. Diese Bewegung, die von der Wahrheit des Reisens – wie ich sie hier provisorisch bezeichne – hin zu biographischen Innenansichten führt, mag uns als Kontrast zum Repräsentationsanspruch frühmoderner europäischer Reiseberichte erscheinen.22 Dyābs Reisebuch ist auch unter den arabischen Reisetexten der osmanischen Zeit ungewöhnlich. Es enthält zahlreiche sekundäre Erzählungen und erscheint zugleich nah an den Topoi der Autobiographie: kindliche Naivität und Neugier sowie jugendliche Fehltritte. Zudem vermittelt sein Erzähler reihenweise Innenansichten. Im Folgenden soll diese Bewegung zwischen beiden Wahrheiten narratologisch analysiert und in ihren ästhetischen Implikationen nachvollzogen werden.

3. Von der Bezeugung zur Vergegenwärtigung

Besonders Ralf Elger (2011, 15) hat auf den Konstruktionscharakter arabischer Reisetexte in der Frühen Neuzeit23 aufmerksam gemacht. Abgesehen von Mirabilien und erfundenen Fakten verleihen arabische Reiseschreiber ihren Reiseerfahrungen über Handlungsschemata Sinn (vgl. Elger 2011, 64-68). Gewiss erscheint auch Ḥanna Dyābs Orientierung an einem Handlungsschema (vom unbedarften Jungen zum gottgeleiteten Heiler wider Willen, schließlich zum geläuterten reifen Erzähler), das z.T. hagiographisch anmutet, als Stilisierung.

Als Ergänzung zu Elgers Beobachtungen schlage ich jedoch vor, einen anderen Wahrheitsbegriff zu bemühen. Wahrheit lässt sich nicht nur als Signifikat einer passenden oder schwachen Referenzialität24 bestimmen, sondern auch in der Gestaltung des narrativen Discours erkennen: In seinem Discours formuliert der Erzähler zum einen den Anspruch, Wahres zu erzählen, zum anderen kann er mittels erzählerischer Modi Wahrhaftigkeit erzeugen. Anstatt also das emplotment von Einzelerfahrungen bzw. die Konstruktion einer Geschichte als Abweichung vom realen Geschehen zu untersuchen, schlage ich vor, den narrativen Discours, und zwar insbesondere die Fokalisierung als Form narrativer Modalisierung von Wahrheit, zu untersuchen. Ich folge dabei Gérard Genettes (2007, 13-20) Aufteilung des Discours in Narration und Récit.

Auf der Ebene der Narration wird die Erzählung als Erzählhandlung eines Sprechers betrachtet. Vereinfacht ausgedrückt kann sie durch die Fragen, wer, wo, wann und zu wem spricht, erschlossen werden. Genette bezeichnet diese Ebene als Narration im Unterschied zum Récit als Ebene der konkreten sprachlichen Vermittlung von Erzählinhalten, der Fokalisierung und der Distanz sowie der zeitlichen Organisation von Ereignissen beim Erzählen. Diese Unterscheidung zwischen Narration und Récit – oft zugespitzt als die zwischen Stimme und Modus – ist, wie Dorrit Cohn (1990) gezeigt hat, besonders für faktuales Erzählen maßgeblich. Faktuale Erzählungen bringen den Anspruch mit sich, dass die Erzählstimme eine textliche Repräsentation des realen Autors im Moment der Texterzeugung darstellt. Dem Anspruch nach bilden Autor und Erzähler eine Einheit. Demnach liegt Fiktionalität im faktualen Erzählen genau dann vor, wenn die Aktivitäten des Erzählers klar von den realen Möglichkeiten des Autors abweichen.

Mein Ziel ist es zunächst aufzuzeigen, was im erzählerischen Vorgang passiert, wenn der Wahrheitsanspruch, den die Erzählstimme formuliert, nur zum Teil mit der Gestaltung im Modus übereinstimmt. Von einer Rhetorik des Bezeugens, die typisch für den Reisebericht ist, wechselt Dyāb so zu einem Modus, den ich als Vergegenwärtigung bezeichne.

3.1 Bezeugen

Wahrheitsansprüche können verschiedentlich erhoben werden. Die Art des Anspruchs, der gewöhnlich mit dem Reisebericht und so auch mit arabischen Reisetexten assoziiert wird, konzentriert sich auf das visuelle bzw. akustische Erfahren, z.B.: „Das, was ich über diesen Ort und über dieses Schauspiel erwähnt habe, ist nichts im Verhältnis zu dem, was man dort hören und sehen kann, etwas Unbeschreibliches!“ (114v). Ḥanna Dyāb vermittelt auch noch über 50 Jahre nach seiner Reise seine Begeisterung über eine von ihm besuchte Aufführung von Lullys Atys in der Pariser Oper (vgl. Dyâb 2015, 299f, Anm. 2). Wie jeder Reiseschreiber bedient er sich einer Rhetorik, um das, was er gesehen hat, als authentisch zu bezeugen. In der akribischen Schilderung der Oper zeigt sich ein Versuch, den ästhetischen Eindruck an das Publikum seines Textes zu vermitteln. Indem der Erzähler selbst zugibt, dass er dieses Erlebnis nicht in seiner ganzen sinnlichen Fülle sprachlich wiedergeben kann, attestiert er die Authentizität sowohl des Erlebten als auch des Erlebens. Doch liegt die Wahrheit schwerpunkmäßig bei den prüfbaren Objekten, von denen der Erzähler spricht: Die erzählte Welt korrespondiert mit der erfahrenen Welt.

Noch viel häufiger und intensiver als Ḥanna Dyāb bedienen sich andere arabische Reiseschreiber aus derselben Zeit dieser Rhetorik. Oft erklären sie sich als unfähig, die vielen Eindrücke in Worte zu fassen.25 Die Rhetorik der Bewahrheitung geht so weit, dass die Erzähler explizit die Gegenstände und Ereignisse der erzählten Welt als wahr bestimmen: seien dies die Kosten eines Kirchenbaus in Paris (Arsāniyūs 1967, 348), ein witterungsbedingter Engpass in Anatolien (Paul 1930, Bd. 1, 73) oder wie im Fall Ḥanna Dyābs die Begegnung mit Louis XIV.26 Der Begriff des taqīq, eingangs mit Bewahrheitung übersetzt, scheint dabei eng mit vorwiegend visueller Erfahrung bzw. Überprüfung assoziiert.

Berichte von Reisen sind in der europäischen Tradition stark an das Erfahren über den Sehsinn geknüpft (Huck 2009). In der europäischen Reiseforschung zur Frühen Neuzeit spricht man daher von der Autopsie als einer Grundlage der ars apodemica (vgl. Stagl 1987). Ähnlich ist in der arabischen Tradition mit der rila, (arab. für „Reise“), eine Textgruppe entstanden, in der Autorität vor allem über den Sehsinn etabliert erscheint und nur in zweiter Instanz über das Hören von Kunden anderer.27 Passend bezeichnet Manfred Pfister (2006, 12) den Reisebericht als das Genre „negierter Intertextualität“.

Anders als in den älteren islamischen Wissenskulturen beruft man sich im „klassischen“ arabischen Reisebericht (ab dem 12. Jhdt.) nicht auf die Rede zweiter (vgl. Touati 2000, 259-63). Auch wenn die von Poesie durchzogenen Reisetexte muslimischer Literaten in der Frühen Neuzeit Intertextualität nicht grundsätzlich zu negieren scheinen (vgl. z.B. Elger 2000, 380-85), taucht das „Sehen mit eigenen Augen“ auch in der osmanisch-arabischen Reisetextproduktion häufig auf.28 Die Autopsie wird so besonders häufig durch Erzählerkommentare bestätigt. Nach der Rhetorik des Reiseberichts wird sie zum einen über das Sehen der Figur evoziert, zum anderen durch ihr verlässliches Handeln, das den Absichten des Autor-Erzählers idealerweise nicht widerspricht.29

Ḥanna Dyāb folgt nur zum Teil dieser Rhetorik des Reiseberichts. Seltener allerdings als andere bescheinigt er die Autopsie durch Erzählerkommentare im Sinne von „Ich habe dies mit eigenen Augen gesehen“. Umso deutlicher verweist er auf den sehenden Reisenden im Moment der Erfahrung.30 Der Bezeugungsakt verlagert sich damit konkreter in die erzählte Welt. Einige Dutzend Male tritt die Äußerung „ich sah“ (anā ra’ayt) in der Erzählung auf, bevor das Geschehen oder die Objekte in der Welt geschildert werden. Der Unterschied zwischen der Affirmation des eigenen Sehens auf der einen Seite und den erzählten Handlungen des Sehens auf der anderen ist gewichtig. Bekommen wir im Fall des Erzählerkommentars nur versichert, dass der Reisende (irgendwo als Zeuge) dabei war, haben wir im zweiten Fall meistens einen genaueren Eindruck von seiner spezifischen Perspektive auf das Geschehen. So sieht Ḥanna, was er sieht, am Speisetisch im Kloster, am Fuße eines Schiffsmasts oder hinter dem Vorhang einer Tür zum Innenhof. Die eigene Anwesenheit wird im ersten Fall also durch das erzählende Ich bestätigt, im zweiten Fall als Erfahrung des erlebenden Ich präsentiert.

Ḥanna Dyāb bezeugt seine Reiseerfahrung vorwiegend über das Handeln der reisenden jüngeren Figur, und zwar in einem solchen Ausmaß, dass die Differenzierung zwischen dem erwachsenen Erzähler und der jugendlichen Figur überaus deutlich wird. Der idealtypische Reisebericht, der allerdings gradliniger nach den Regeln der Autopsie funktioniert, versucht eine möglichst weitgehende Harmonisierung zwischen Erzähler und Figur.31 Ich betrachte es daher als eine Implikation der Rhetorik des „autobiographischen Akts“ (Bruss 1976) des Reiseberichts, dass das erzählende Ich und das erlebende Ich harmonisieren. Dies trifft auf die europäische Reisemethodik der Frühen Neuzeit weitgehend zu. Die Erwartungshaltung an den arabischen Reisebericht als Träger eines Blicks, hat sich so in der Forschung zum Blick auf die andere Welt, in diesem Fall die „Länder der Christen“ (Matar 2003), niedergeschlagen (vgl. Newman 2000; Matar 2009).

Im Gegensatz dazu konnte Elger (2003a; 2007) nachweisen, wie stark biographisch und damit autobiographisch im engeren Sinne manche Reisenarrative ausgerichtet sind. Z.B. nehmen sie nicht nur Aspekte der eigenen Bildung, sondern auch Topoi des Familienlebens und der Kindheit auf. Es entsteht der Eindruck, dass weniger die Beobachtungen des Reisenden denn sein Leben – seine Konflikte, sein Lernen und sein persönliches Heil – im Mittelpunkt steht.32 Texte der frühen Neuzeit, die als Reiseberichte (auch Reisebeschreibungen) katalogisiert und ediert wurden, gehen im Einzelfall also weit über das Thema der Reise hinaus. Elger (2003b) beobachtet zudem für das 18. Jahrhundert eine hohe Diversität im arabischen Reiseschreiben im osmanischen Osten (die Region Syriens und Ägypten).

Obgleich die metanarrativen Passagen und Erzählerkommentare meist der Rhetorik des ‚Reisens‘ entsprechen, widerspricht das Reisebuch immer wieder dem Prinzip verlässlicher Zeugenschaft. Ḥanna Dyāb liefert zusätzlich zum Blick in die äußere Welt zahlreiche Innenansichten in Gestalt der Darstellung von eigenen Wünschen, Ängsten und Schamgefühlen. Auch deuten sich mancherorts selbstkritische Kommentare an. So stellt der Erzähler über seine eigene Vergangenheit in Istanbul fest: „[I]ch war jener Tage nicht aufmerksam, um Wissen zu erwerben, vielmehr befand ich mich auf Irrwegen und war überwältigt von dem Rastlossein der Jugend und der Ignoranz.“ (151r)

Der Kommentar über den jugendlich unwissenden Status ist eine Schlüsselstelle für den besonderen Blick, den Dyābs Reisebuch zusätzlich zum Blick des Reisenden erzeugt. Durch diesen stellt sich der erste Blick nur als ein erinnerter Blick des Erzählers dar. Der zweite Blick auf den Blick der Figur ist dabei keine räumlich definierte Sicht, geschweige denn eine Perspektive im eigentlichen Sinne, sondern eine Instanz erzählerischer Vermittlung an den Leser. Durch die erkennbare Struktur des Textes als Reiseerzählung muss der imaginierte Blick der Figur immer wieder durch den Blick auf die Figur neu vermittelt werden. Den Blick auf die Figur, den reisenden Ḥanna, kann der Erzähler zum einen mithilfe der Distanz herstellen. Der Erzähler lässt seine jüngere Figur mit sich und anderen Figuren sprechen und erzeugt somit Nähe zwischen der erzählten Welt und seinem Adressaten. Zum anderen kann der Erzähler die Fokalisierung bemühen. So wechselt er von einer Abwesenheit oder unspezifischen Beteiligung der Figur an der Handlung zu ihrer subjektiven Perspektive sowie ihren Gefühlen und Gedanken. Im Folgenden sei die Bewegung von dem Blick der Figur auf den zweiten Blick mithilfe einer genaueren Analyse der Fokalisierung nachvollzogen.

3.2. Fokalisieren

Die Vermittlung des Blickes von Figuren fällt unter das viel diskutierte Konzept der Fokalisierung, das Genette 1972 durch seinen Discours du récit geprägt hat. Fokalisierung wurde lange Zeit vorwiegend im Zusammenhang mit fiktionalem Erzählen diskutiert. In ihrem Potenzial, Erkenntnisse über das Funktionieren faktualer bzw. im Besonderen faktualer autodiegetischer Erzählungen „before fiction“ zu gewinnen, ist sie meines Wissens bislang kaum systematisch behandelt worden.33 So ein Vorhaben kann im Rahmen dieses Beitrags gewiss nicht umgesetzt, sondern nur skizziert werden.

Eine wichtige Frage, die sich m.E. in der Untersuchung nicht-fiktionaler Texte stellt, ist, inwiefern die so oft diskutierten Genette’schen Idealtypen der Fokalisierung („zéro“, „interne“ und „externe“, Genette 2007, 194f.)34 erweitert oder modifiziert werden müssen. Im Anschluss an die oben diskutierten Alternativen des Bezeugens schlage ich vor, den Akt der Fokalisierung, das Fokalisieren selbst, grundsätzlich als erzählerisches Gestaltungsmittel zu betrachten. Grob orientiert an den Genette’schen Idealtypen fasse ich Fokalisierung als graduell.

Bevor ich auf die spezifische Fokalisierung im Reisebericht und dem Reisebuch Ḥanna Dyāb zu sprechen komme, taste ich mich in den folgenden sieben Schritten zunächst zu einem Definitionsversuch vor. In diesem stütze ich mich auf die Genette’sche Konzeption und vor allem auf die überaus erhellenden Ergänzungen Burkhard Niederhoffs (2001, 2013) und zuvor Dorrit Cohns (1990).

Erstens verstehe ich Fokalisierung allgemein als Mediation narrativer Informationen, die sich in jedem Erzähltext finden kann, aber nicht zwangsläufig muss. Denn so handelt es sich genauer um eine Mediation von Vorgängen in Figuren durch den Erzähler an den Leser. Dies schließt Aktivitäten des Wahrnehmens ein. Die Vorstellung eines Inneren (oft mit Bewusstsein oder gar Psycho-Narration assoziiert), das von einem Äußeren geschieden ist, ist keine historische Konstante. Manfred Jahn (2007, 94f) wirft zurecht die Frage auf, ob man vor der Moderne überhaupt von Fokalisierung sprechen könne.35 Emotionen von Figuren (außer der Figur des homodiegetischen Erzählers) müssen nicht zwangsläufig als die Interpretation innerer Vorgänge aufgefasst werden. Zudem finden sich im vormodernen Schrifttum Gedanken und Gefühle meistens von Figuren ausgesprochen, wenn nicht in gebundener Rede, präsentiert.36 Es ist gut denkbar, dass diese Feststellung auch auf das arabische Schrifttum zutrifft. Emotionen werden in den arabischen Reisetexten der Frühen Neuzeit oft in poetische Einschübe eingebunden. Gegenwart wird somit durch das stark gebundene Sprechen im Präsens, das sich vom sonstigen Prosa-Narrativ (bzw. Reimprosa-Narrativ im Präteritum) abhebt, kreiert.

Dyābs Text ist frei von Poesie. Emotionen erscheinen zwar immer wieder in direkter Rede oder Gedankenzitaten, zugleich sind die Betonung von „äußerlich“ und „innerlich“, „offensichtlich“ und „verborgen“ sowie besonders der Verweis auf Sorgen, Gefühle der Angst und des Zögerns in seiner Erzählung überaus präsent. Daher nehme ich zumindest provisorisch an, dass ein Begriff des Innenlebens vorliegt.

Zweitens verstehe ich Fokalisierung, wie der Terminus ausdrückt, als Prozess und versuche sie daher so gut wie möglich als dynamisch zu beschreiben. Denn die Analyse von Fokalisierung erhält besonders dann ihr Gewicht, wenn Wechsel des Blicks bzw. der Perspektive festgestellt werden können. Genau in der Betonung der Prozesshaftigkeit deutet sich die Differenz zu einem anderen Konzept des narrativen Modus an, der Perspektive (bzw. point of view), die oft als synonym (vgl. Niederhoff 2001, 16-20; Jesch / Stein 2009, 62-64) oder als Gegenkonzept zu Fokalisierung (vgl. Schmid 2008, 131ff) konzipiert wird.

Drittens: Obwohl Fokalisierung und Perspektive funktional unterschiedlich einzuordnen sind, möchte ich mich Niederhoffs (2001) „Plädoyer für eine friedliche Koexistenz“ anschließen. Fokalisierung, wie Genette (2007, 347) im Zusammenhang mit der focalisation interne einführt, deutet als „focalisation sur“ auf die Möglichkeit des Erzählers, den Gedanken und Gefühlen einer Figur zu folgen und damit ihr Innenleben zu vermitteln. Die Figur ist damit nicht der Fokalisator (focalizer), sondern das fokalisierte Ziel. Im Unterschied dazu deutet der Begriff der Perspektive auf einen Punkt in der erzählten Welt, von dem aus Figuren Geschehen wahrnehmen (vgl. Niederhoff 2001, 9). Über Perspektiven und Wahrnehmungsfähigkeiten verfügen in der erzählten Welt damit allein Figuren. Fokalisierung ist zugleich eine Vermittlungsleistung an den Leser und ein Prozess der Annäherung an eine Figuren-Perspektive.37

Viertens ist der Blick gewiss nicht die einzige Sinnestätigkeit einer durch den Erzähler fokalisierten Figur (vgl. Nelles 1990, 376). So richtet sich, wie Genette korrigiert hat, die Frage der Fokalisierung darauf, wer in der erzählten Welt wahrnimmt (vgl. Huck 2009, 204f) bzw. ob es überhaupt ein definierbares Zentrum der Wahrnehmung gibt. Die Verwendung des Wortes „Blick“ plausibilisiert sich hier allerdings zunächst dadurch, dass der Reisebericht sich außerordentlich stark auf den Sehsinn stützt. Sehr wahrscheinlich ist dieser Aspekt, wie Christian Huck (2009, 207) am Beispiel von zwei englischen Reiseberichten aus dem späten 17. und frühen 18. Jahrhundert aufzeigt, mit der Dominanz des Sehsinns vor anderen Sinnen seit der Neuzeit zu erklären (grundsätzlich gilt die Rede vom „Blick“ aber stellvertretend für alle anderen Sinne, die eine lebendige Erzählung involvieren kann).

Dies deutet, fünftens, darauf hin, dass Fokalisierung zwar auf die Tätigkeit von Erzählern und Autoren zurückzuführen ist, aber schließlich allein durch eine Interpretationsleistung des Lesers festgestellt werden kann (vgl. Fludernik 1996, 345). Die Feststellung einer bestimmten Art von Fokalisierung basiert auf subjektiven Lesehaltungen. Die Untersuchung von Fokalisierung in Texten vor der Entstehung moderner Literatur bereitet Probleme, da uns ihre Interpretationskontexte deutlich fremder sind.

Sechstens lässt sich Fokalisierung als Gegenstand der Untersuchung heterodiegetischen Erzählens offensichtlich am besten beschreiben. Genette beabsichtigte jedoch, sein Konzept auf andere Erzählsituationen auszuweiten. Im homodiegetischen (oder autodiegetischen) Erzählen ist durch das (pseudo  )autobiographische Ich der Unterschied zwischen Figuren-Perspektive und Erzähler-Blick zwar schwer festzustellen; dennoch ist diese Vermittlungsleistung latent vorhanden oder gar dem Narrativ vorangestellt. Genette (2007, 253) folgert wohl aus diesem Grund, dass homodiegetisches Erzählen „präfokalisiert“ sei, woraufhin William Nelles (1990, 370) ebenso Idealtypen für die Präfokalisierung in homodiegetischen Erzählungen vorgeschlagen hat.

Im Anschluss an die Überlegungen zum homodiegetischen Erzählen schlage ich siebtens vor, Fokalisierung als graduell und unabhängig von der Erzählsituation zu untersuchen. Um die verschiedenen Abstufungen der Fokalisierung festzulegen, ist es nötig, zu den Genette’schen Idealtypen zurückzukehren. Ich konzentriere mich auf die interne Fokalisierung und die Nullfokalisierung.

Im Anschluss an die oben formulierten Grundsätze bedeutet erstere die „Mitsicht“ (Martínez / Scheffel 2012, 67), das heißt die Vermittlung der erzählten Welt durch die Figur, auf die der Erzähler fokalisiert. Die Nullfokalisierung als „Übersicht“ (ebd., 67) bedeutet die Vermittlung der erzählten Welt ohne eine festgelegte Perspektive. Einblicke in Figuren können Teil dieser Übersicht sein.

Der Entstehungskontext für diese beiden Idealtypen ist bedeutsam. Denn so geht Genette vom bis dahin dominierenden Konzept des allwissenden Erzählers aus, dessen theoretische Grundlagen er zu revidieren beabsichtigt. Daher versteht er Fokalisierung als eine „restriction de ‚champ‘, c’est-à-dire en fait une sélection de l’information narrative“ (Genette 2007, 348). In Genettes Konzeption ist damit notwendigerweise angelegt, dass man die Idealtypen ganzen Erzähltexten zuordnet, auch wenn er deutlich auf das Problem dieser Operation hinweist (2007, 196). In dem Sinne einer allgemeinen Zuordnung hat Cohn (1990, 786f) zurecht ergänzt, dass weder Mitsicht noch Übersicht im faktualen Erzählen (sie nennt es den „historical discourse“, ebd., 786) gelten können. Stellte man diese Typen der Fokalisierung fest, lägen fiktionale Verfahren vor. Denn so entstünde der Eindruck, der Erzähler kreiere – entgegen den Möglichkeiten des realen Autors – durch sein Herumschweben in der erzählten Welt eine erzählte Gegenwart ohne eine Beobachterposition, zu der der Leser eine Referenz in der realen Welt erkennen kann.

Cohns Kritik, die sich vor allem auf das heterodiegetische historische Erzählen bezieht, werde ich nun folgen. Ergänzen möchte ich dazu die Feststellung, dass Fokalisierung, wenn auch nicht intern oder zéro, im nicht-fiktionalen autodiegetischen Erzählen gewiss immer wieder stattfinden kann.

Cohns Kritik am Genette’schen Konzept trifft meines Erachtens die Einschätzung, es handele sich im Reisebericht um eine – im Wesentlichen – interne Fokalisierung.38 Die interne Fokalisierung als dominierender Modus ist kaum möglich, wie ich weiter unten darlegen möchte. Gut denkbar ist allerdings zunächst die Erzählung aus der Perspektive der Figur. Die Reisenden-Perspektive dominiert allerdings nie den gesamten Text, tragen doch die meisten Reisetexte eine Ebene der Artikulation, in der sich keine Perspektive findet, in der kein Blick erkennbar ist und keine Figur handelt. Dies gilt für die immer wieder zu erwartenden Beschreibungen von Orten und Landschaften als nicht-eigentlich narrative Passagen, die aber dennoch als Teil des Gesamtkonstrukts Reiseerzählung betrachtet werden müssen. Entscheidend ist also, dass die ‚Reisen‘ im Modus zwischen der Einnahme einer Perspektive und einer Nicht-Perspektive wechseln. So findet sich dies häufig auch im Reisebuch:

Nach ein paar Tagen trafen wir im Hafen von Marseille ein. Zur Zeit unserer Ankunft feuerte man Kanonen von den Festungen ab, die an der Hafeneinfahrt waren. Denn der Eintritt der Schiffe in diese Meerenge passiert zwischen zwei geschützten Festungen. Wenn das Schiff diese Meerenge erreicht, dann zieht es die Segel ein und man zieht das Boot in das Innere der Bucht, dass es in den Hafen einfahren kann und sie es an Land festbinden können. Denn dieser Hafen ist inmitten der Stadt. (87r)

Von einer zeitlich – ausgedrückt im Präteritum – relativ fixierten Perspektive (wir / auf dem Schiff) wechselt der Erzähler zu einer Nicht-Perspektive, die sich im faktographischen Präsens ausdrückt (der Hafen ist inmitten der Stadt). Michael Harbsmeier (2001, 37) markiert diesen Wechsel unter Berufung auf frühe strukturale Charakterisierungen des Reiseberichts als den Wechsel zwischen narrativ-dynamischen und statisch-deskriptiven Modi. Reiseerzähler wie Ilyās al-Mawṣilī oder Ḥanna Dyāb geben zudem Anekdoten und Nachrichten wieder, an denen sie nicht selbst teilhaben und somit keine Perspektive in der erzählten Welt einnehmen können.

Denken wir nun an die Perspektive des Reisenden, auf die der Erzähler im Reisebuch immer wieder zurückkommt, so kann ich auch diese kaum als interne Fokalisierung bezeichnen. Denn der Erzähler erzählt nicht nur – wie in den meisten Erzähltexten – über Vergangenes (Weber 1998, 32), sondern fokalisiert meist auch retrospektiv. Der Reisetext als autobiographischer Text – so zumindest die „authentische Autobiographie“ im Sinne Philippe Lejeunes (nach Genette et al. 1990, 763) – enthält in der Regel Hinweise auf eine Erinnerungssituation, die jedes Erleben als durch den älteren Erzähler vermittelt wirken lässt. Diese Vermittlung wird im Falle des Reisebuchs überaus deutlich. Sein gealterter Erzähler ist an vielen Stellen präsent.

Genette (2007, 197) weist darauf hin, dass eine interne Fokalisierung dann schon nicht mehr vorliegt, wenn eine Figur nur ansatzweise von außen beschrieben wird. Dies ist aber in Reiseerzählungen oft der Fall. Der Reiseerzähler führt mittels seiner dem Narrativ vorgelagerten Position durch das Narrativ und kann wie der Erzähler im „historical discourse“ (Cohn 1990, 786) kaum so erzählen, als würde die Figur während des Erzählakts erleben oder sehen. Bei der internen Fokalisierung sensu stricto müsste also der Erzähler gänzlich in der Figur aufgehen bzw. es müsste zumindest der Eindruck der Verschmelzung erweckt werden. Der autodiegetische Erzähler kann nur durch eine Fingierung des Modus echte Perspektiven entstehen lassen. Der Verdacht auf interne Fokalisierung erscheint damit als ein Schluss, der der Rhetorik des Reiseberichtes, wie ich sie oben skizziert habe, folgt.

Cohn (1990, 787) spricht nun auch der Nullfokalisierung ihren Platz im faktualen Erzählen ab. Sie bezeichnet sie als „notoriously vague category“. Denn nach Genettes Verständnis ist die Nullfokalisierung variabel. So definiert er sie in seiner Revision (1983) als „focalisation variable, et parfois zéro“ (2007, 348). Aus diesem Grund übersetzt sie Nelles (1990, 369) als „free focalization“. Genaugenommen besteht damit also das, was Genette als „zéro“ zusammenfasst, aus zwei Komponenten: der Übersicht und der Möglichkeit des Einblicks.

Meines Erachtens kann die Nullfokalisierung in ihrer Inklusivität dahingehend beobachtet werden, inwiefern sie tatsächlich Richtung „zéro“ als nicht-fokalisiert tendiert. Diese Frage ist für die Untersuchung des Reisebuchs zentral. Entscheidend ist also für das nicht-fiktionale Erzählen der Wechsel, der sich im Rahmen dessen abspielt, was man als Nullfokalisierung bezeichnet.39 Fokalisierung als die Vermittlung von Wahrnehmen, Denken und Fühlen bewegt sich im Reisebuch zwischen den folgenden Abstufungen:


3.3 Vergegenwärtigen

Während seiner Zeit in Italien und Frankreich erlebt Ḥanna mehrmals künstlerische Darstellungen. Dazu gehören die bereits erwähnte Oper, eine Darstellung des Kreuzwegs Jesu und schließlich, als er bei einem adeligen Bekannten von Paul Lucas in Paris zu Besuch ist, eine Begegnung mit der Kunst des Trompe-l’œil:

An einem dieser Tage traten wir in das Haus eines Prinzen (amīr) (1). Dort sah ich vorne im Saal ein Bild eines Mannes, der in seiner Hand einen Vogel hielt (2). Dem Betrachter allerdings erscheint es so, als ob sein Arm mit dem Vogel aus dem Bild rage (3). Als ich dieses Gemälde so betrachtete, da war ich mir sicher, dass sein Arm tatsächlich herausragte (4). Doch die anderen, die dort waren, sagten mir, dass dies ein Gemälde sei (5). Das konnte ich nicht für wahr halten, bis dass einer von ihnen hinaufstieg und das Bild mit seiner Hand berührte (6). Da dann hielt ich es für wahr und dankte jenem Meister, der dieses wundersame Bild gemalt hatte (7). (101v-102r [Nummerierung J.S.])41

Ḥanna, die Figur, hinkt im Gegensatz zu allen anderen Figuren der Realität hinterher. Der Erzähler verfolgt seinen Erkenntnisprozess. Im ersten Satz erscheint die Figur kaum fokalisiert, höchstens erscheint die Fokalisierung schwach eingeleitet. Mit dem zweiten Satz dann, typisch für das Reisebuch, wird die Aufmerksamkeit von dem „wir“ der Reisenden auf den Blick der einzelnen Figur gelenkt. Der Erzähler verstärkt die Fokalisierung. Im dritten Satz hält er die Fokalisierung an und trifft eine faktographische Aussage. Hier erfahren wir gewissermaßen schon die Pointe, für die das „als ob“ (s.o.) bedeutsam ist: Es kann passieren, dass man durch den Anblick dieses Gemäldes einer Illusion ausgesetzt ist. Prompt ist Ḥanna von dieser Illusion betroffen (Satz 4). So erkennt der Leser seine Perspektive als spezifisch. Der Leser weiß aber, dass die Figur falsch liegt, und so teilt er dieses Erzählerwissen mit den anderen Figuren (5). Ḥanna kann diese Illusion erst mit Hilfe einer weiteren Figur erkennen (6-7). Die Fokalisierung bleibt dabei schließlich auf der Ebene der relativen Nähe. Der Leser erfährt etwas über die spezifische Perspektive der Figur, wobei diese selbst noch ahnungslos ist. Der Autor-Erzähler reaktiviert somit seine persönliche Erfahrung, indem er das Erkennen der Illusion hin zur Figur vermittelt. Erscheint die Fokalisierung zum Schluss weniger ausgeprägt als zuvor, dann daher, weil sie von einem Blick und einem Wissen, das der Figur mitnichten eigen ist, begleitet wird. Die Fokalisierung, so erkennen wir hier, führt markanterweise nicht zu einer stabilen Perspektive.

An vielen Stellen des Reisebuchs vollzieht der Erzähler den Prozess des Erkennens, des Einsehens und des Lernens der Figur nach. Indem der biographische Erzähler sich mithilfe der stufenweisen Fokalisierung als jugendliche und lernende Figur präsentiert, entsteht über den längeren textlichen Zusammenhang eine weitere Perspektive bzw. ein zweiter Blick. Dieser zweite Blick ist nicht Teil der erzählten Welt und ist daher grundsätzlich unabhängig von dem Blick der Figur, den ich bis hierhin diskutiert habe. Er entsteht aus dem Zusammenfügen unterschiedlich starker oder ausbleibender Fokalisierung. Er ist der Blick des selbstreflexiv-biographischen Autors, den der Leser eingeladen ist zu teilen. Diese Fokalisierung impliziert also, dass wir uns dem Innenleben der Figur Ḥannas von außen annähern. Es entstehen so deutlich Konturen seines jüngeren Selbst. Vergleichbar mit den Topoi der Geburt oder der frühen Kindheit in der Autobiographie (vgl. Goldmann 1994, 668-672; Wagner-Egelhaaf 2005, 88) wird hier eine Situation des Selbst vor dem Wissen bzw. vor der Bewusstwerdung entworfen. Die Diskrepanz zwischen dem Wissen des Erzählers und dem noch unwissenden Zustand der Figur hat dabei keine andere Referenz als die der eigenen Narrativierung. Damit ist die Nähe zur Figur, die hier erzeugt wird, im Grunde eine Nähe zum Autobiographen. Der Erzähler teilt seinen Blick mit dem Leser. Es ist dieser zweite Blick, den wir übernehmen, um neben den Dingen in der Welt auch die Figur zu betrachten. Als Leser verfolgen wir so nicht nur seine jugendliche Reise, sondern über die immer wiederkehrende Fokalisierung auch die Reise zu seinem früheren Selbst. Der Erzähler intensiviert die Fokalisierung besonders in den Momenten, in denen individuelle Emotionen eine Rolle spielen. Von schwach fokalisierten wechselt er rasch zu stark fokalisierten Situationen.

Das zweite Beispiel befindet sich auffälligerweise im Anfangsteil des uns erhaltenen Erzähltextes. Ḥannas Klosteraufenthalt ist mit Beobachtungen heftiger Disziplinierung und Züchtigung verbunden. Obgleich der ältere Erzähler den Sinn dieser Erziehungsmaßnahmen zu erkennen scheint, ist die Figur verängstigt und zeigt sogar eine gewisse Skepsis gegenüber dem Zweck einzelner Handlungen des Superiors. Da Ḥanna unter der strengen Klosterordnung leidet, wird er krank, daher von den üblichen Tagesaufgaben befreit und mit zwei Mönchen zur Mühle hinaus befohlen. Weil es einen unerwarteten Zwischenfall gibt, schicken ihn die Mönche zurück zum Kloster, damit er den Superior über die spätere Rückkehr der beiden Mönche in Kenntnis setze. Ḥanna reitet also auf einem Esel zurück, der aber ein anderes Tempo einnimmt, als er erwartet. An einem Abhang purzelt der Reiter hinunter, bricht sich eine Rippe und kommt erst nach einer Weile zu sich. Das Tier ist nun verschwunden. Voller Angst und Sorge, dass ihm nun Tadel oder gar Züchtigung des Superiors wegen des verlorenen Esels erwarten, schleppt er sich zurück zum Kloster. Der Erzähler wechselt dann den Ort des Geschehens und berichtet, was derweil im Kloster passiert ist:

Es geschah an diesem Tag, dass einige der bereits erwähnten Novizen aus Aleppo unruhig wurden und forderten, das Kloster verlassen zu dürfen. Dies traf den Superior sehr, der befürchtete, dass die Beständigkeit anderer Novizen auch nachlassen könne. So rief er einen nach dem anderen zu sich und überprüfte, ob sie sicheren Entschlusses [im Kloster zu bleiben] seien oder nicht. Schließlich rief er nach mir. Da sagten sie ihm: „Unser Bruder ging mit den Mönchen zur Mühle, wie du befohlen hast.“ Darauf sprach er zu ihnen: „Sobald er von der Mühle zurückkehrt, schickt ihn zu mir.“ Zu dieser Stunde traf ich im Kloster ein. Als ich zum Kloster aufstieg, wobei ich in diesem Moment ängstlich und verschreckt war wegen des Verlusts des Esels, da sagten mir die Mönche: „Mach dich auf, Bruder. Geh zum Superior. Er ruft nach dir.“ Nachdem ich diese Worte gehört hatte, war ich mir sicher dass der Superior von dem Verlust des Esels erfahren hatte. Die Angst in mir steigerte sich. Als ich dann vor den Superior trat und seine Hand küsste, da befahl er mir, mich zu setzen. Ich setzte mich also. Er sprach dann: „Oh Bruder“ – mit zornigem Gesicht – „weißt du, warum ich dich zu mir gerufen habe?“ Ich sagte ihm: „Nein, mein Vater.“ Da sagte er mir: „Einige der Novizen möchten das Kloster verlassen. Da dies anderen Novizen schadet, habe ich begonnen, einen nach dem anderen zu befragen, um herauszufinden, ob sie fest entschlossen sind oder nicht, damit nicht allezeit jemand auszieht und so zum Anlass für den Versuch anderer wird, dasselbe zu tun.“ (6r)

Offenbar ist die Schilderung des Geschehens im Kloster nicht frei erfunden, aber sie ist ebenso wenig allein aus der unmittelbaren Erfahrung des Erzählers entsprungen. Der Autor mag implizieren, dass er durch die anderen später von dem Gespräch zwischen dem Superior und den Mönchen erfahren hat. Doch ein gänzlich überzeugender Erzähler würde eine Quelle seiner Erfahrung angeben, wie es Ḥanna Dyāb mancherorts für Geschehen, an dem er nicht beteiligt war, auch tut. In dem Fall der Eselepisode scheint der Erzähler hingegen in der Lage einen Einblick zu erhalten, ohne die übliche Reflektorfigur, das erzählte Ich, als Zeugen zu erwähnen. Dieser Einblick hat Konsequenzen für die Figurendarstellung.

Zunächst wird die Situation im Kloster präsentiert. Man kann hier klassischerweise von einem nullfokalisierten Erzählen sprechen: Der Erzähler hat freien Einblick in die Vorgänge, offenbar sofern dies der Gestaltung seiner Geschichte zuträglich ist. In den Ausdrücken des vorgeschlagenen Modells, findet zunächst eine schwache bis ausgeprägte Fokalisierung auf den Superior statt. Umso stärker wirkt darauf die Fokalisierung, die auf das erzählte Ich wechselt und besonders durch den Einblick in das Innenleben (Angst) intensiviert wird. Erscheint also die erste Fokalisierung fingiert, so trägt sie doch zu einer Intensivierung der anschließenden Fokalisierung auf die Hauptfigur bei. Die Nähe, die der Leser in dem Moment, in dem Ḥanna vor den Superior tritt, zu ihm erhält, basiert so im textlichen Zusammenhang auf einer starken Distanz des Erzählers zum Geschehen. Das Gefühl der Angst wird derart nur in Maßen tatsächlich miterlebt. Denn der Erzähler weiß, dass die Figur sich zu Unrecht sorgt und ängstigt.

Gewiss entsteht durch das Aussetzen der Perspektive auch Suspense. Denn selbst wenn der Leser über das Ereignis schon Bescheid weiß, mag ein kurzer Moment der Ambiguität entstehen. Verstärkt wird dieser dadurch, dass die Figur sich sicher ist, was passieren wird. In dem Moment, in dem Ḥanna eines Besseren belehrt wird, wird deutlich, dass der Erzähler seine Wahrheit etablieren kann und sich von der illusionsanfälligen Figur abgrenzt. Er drückt also durch diese starke Differenzierung aus, dass er diese Figur nicht (mehr) ist.

Die beiden Beispiele unterscheiden sich grundlegend in ihrer Intensität. Das erste kann dem üblichen Reisetopos des Staunens über (angeblich) Unbekanntes zugeordnet werden, während das zweite stark an autobiographisches storytelling erinnert. Umso unzuverlässiger erscheint im zweiten Beispiel der Erzähler, da er sich wohl zum Zweck der Suspense fiktionaler Modi bedient. Die Gemeinsamkeiten der beiden Beispiele sind aber umso wichtiger: Denn beide finden sich in demselben Erzähltext, in dem sich der autodiegetische Erzähler auf unterschiedliche Art und Weise immer wieder von der Figurenperspektive distanziert. Durch die Annäherung an sein früheres Ego aus deutlicher Distanz entsteht der Eindruck, dass die Absicht eine ironische Selbst-Darstellung gewesen sein mag.

Konkreter nah am Körper der Figur ergibt sich der zweite Blick in anderen Situationen auch durch das Erleben von ‚Berauscht-Sein‘ oder ‚Sinnesverlust‘, die mit verschiedenen Emotionen verbunden sein können. Der Sinnesverlust kann zwar durch starke Angst hervorgerufen werden, aber andererseits auch durch fromme Andachts- und Meditationspraktiken. Einmal nachdem Ḥanna in Tunis an einem Gottesdienst eines jesuitischen Predigers teilgenommen hat, wird erzählt:

Sie suchten mich, dass ich mit ihnen zu Mittag esse. Da sahen sie mich in der Kirche kniend, vor mich her starrend ohne Bewusstsein. Sie weckten mich aus diesem Schlummer und der Versenkung, in der ich mich befand. (58r)

Mittels dieser notwendigen Außenperspektive bestätigt Ḥanna Dyāb deutlich seine Sozialisation in die katholische Frömmigkeitspraxis (vgl. Dyâb 2015, 179 Anm. 2). Auch die Darstellung eines naiven Kindes oder Jugendlichen, die anderswo auffällt, erinnert an hagiographische Darstellungen, in denen der Begriff der Naivität (‚Einfalt‘, arab. sadāǧa) als ‚natürliche Schlichtheit‘ positiv besetzt ist.

Die offensichtliche Abgrenzung von der Figur durch die biographische Stimme und den Einsatz erzählerischer Modi auf der einen Seite gegenüber der Andeutung positiver Eigenschaften, zu denen Mitleid und Sensibilität gehören, auf der anderen erzeugen eine produktive Ambivalenz. Die Identifikation mit der Figur und die gleichzeitige Abgrenzung von ihr können auf der einen Seite als Geständnis über die eigenen Verfehlungen oder – wie es Heyberger (2015, 19) versteht – als Reflexion über verpasste Chancen gelesen werden. Auf der anderen Seite wirken sie als mal unterhaltsame, mal didaktische Inszenierung eines katholischen Laien in teils unbekannten, teils aber in Aleppo bereits bekannten Kontexten.

Die Möglichkeiten der Fokalisierung als Gestaltung von Perspektive und Einblick helfen dabei, eine Situation zwischen Geständnis und Unterhaltung entstehen zu lassen. Der Wechsel zwischen der Nichtfokalisierung, der Figuren-Perspektive und dem Blick auf die Figur ist bereits in der Rhetorik des Reiseberichts angelegt. Die Intensivierung besteht nun darin, dass im Reisebuch zum einen die Figurenerfahrung in den Mittelpunkt rückt und dass damit zum anderen das Prinzip der Zeugenschaft des Reisenden relativiert wird. So dominieren der Reiseerzähler und sein (imaginiertes) Gegenüber, nicht mehr der Reisende als Zeuge. Der Zweck der Fokalisierung wechselt damit von der Bezeugung deutlich zu dem, was Gottfried Gabriel (2014) als Vergegenwärtigung bezeichnet und was er in mehreren seiner Arbeiten (1975; 2010) zum Verhältnis von Fiktion und Wahrheit sowie zum Erkenntniswert der Literatur (d.h. fiktionaler Literatur) im Einzelnen erläutert. In seinem Sinne lese ich das Reisebuch als literarisch.

Vor Gabriel sieht Käte Hamburger (1977 [1957]) in der Vergegenwärtigung ein Prinzip der „Dichtung“ und verweist damit auf die nicht-historische Bedeutung des Präteritums in fiktionaler Prosa. Gewiss ginge es zu weit, von einer Gegenwartsfunktion des epischen Präteritums (ebd., 59-72) im Reisebuch zu sprechen und damit die grundsätzliche „Zeitlosigkeit“42 (ebd., 78-80) des Geschehens in Dyābs Reisetext zu vermuten. Auch müsste dazu die Funktion und Bedeutung arabischer Tempora genauer diskutiert werden. Zumindest aber fällt auf, dass durch die Wendung zum erfahrenden Ich, die Welt zwei Mal präsentiert erscheint – einmal objektivierend, einmal subjektiv. Im Erzählen überlagern sich Zeitschichten. So erscheint das, was Ḥanna Dyāb über 50 Jahre später nach seiner Reise als Selbstdarstellung verfasst, so, als wolle er dem Leser persönlich Erfahrenes vor bekanntem Hintergrund – noch einmal – als subjektive Erfahrung vor Augen führen.

Im Letzteren liegt, nach Gabriel (2014), der Erkenntniswert der Literatur.43 So werde Wissen in der Literatur in der Regel nicht neu vermittelt, sondern vergegenwärtigt. Ähnlich wie ich es hier am Beispiel der Fokalisierung demonstriert habe, fasst Gabriel also die Vergegenwärtigung in eine visuelle Metapher. Die starke Perspektivierung und der Wechsel von Einblicken erzeugen so zwar keine neuen Aussagen über die Welt, sie ermöglichen aber den Nachvollzug von Prozessen des Erkennens und des In-der-Welt-Seins. Dyāb lädt den Leser offensichtlich ein, an den Erfahrungen seiner Figur teilzuhaben, und versucht, durch Vergegenwärtigung von visuellen Perspektiven sowie durch Gedanken und Emotionen zu überzeugen. Nicht allein die Verifizierung einzelner Gegenstände oder spezifischer Erlebnisse, wie nach der Rhetorik des Reiseberichts zu erwarten wäre, sondern vielmehr das Vor-Augen-Führen von (jugendlicher) Erfahrung ist ein gewichtiger Teil seiner spezifischen Rhetorik.

4. Erzählen und Wahrheit. Schlussbemerkungen

In diesem Beitrag habe ich mich auf Wahrheitsansprüche und die Erzeugung von Wahrhaftigkeit durch das Bedienen erzählerischer Modi konzentriert. Im europäischen Reisebericht der Frühen Neuzeit wie auch in manchen arabischen Reisetexten wird Wahrheit besonders durch die Augenzeugenschaft der Figur garantiert. Der Verweis auf den prüfenden Blick wird dann gebrochen, wenn die erlebende Figur selbst in den Mittelpunkt des Erzählens rückt. So entsteht ein zweiter Blick. Dieser zweite Blick hat allerdings keinen Zeugen außer den Leser selbst, der an den Innenansichten des Erzählers teilhat.

Meine Ausführungen sind eine Anregung, Fokalisierungen im Übergang zwischen unterschiedlichen Wahrheitsansprüchen zu analysieren und damit die besonderen Modi von Fiktion zu historisieren. Die Wahrheit, um die es hier geht, liegt in dem Blick des autobiographischen Erzählers selbst begründet, der mit der Fähigkeit zur Selbstbetrachtung authentisch wirken mag und so Autorität erzeugt.44

Wie Gabriel in Anlehnung an die Fiktionstheorie Searles (1975) ausführt, beziehen sich Aussagen in der Literatur nicht propositional auf die außertextliche Welt. Sie tragen aber dennoch einen Erkenntniswert. So vollziehe „sich dichterische Erkenntnis weniger im Sprachmodus des propositionalen Sagens als vielmehr im Sprachmodus des vergegenwärtigenden Zeigens“ (Gabriel 2014, 169). Für den Fall des Reisebuchs muss es heißen: Viele Aussagen beziehen sich nicht in erster Linie propositional auf die Welt außerhalb des Textes. Sie beziehen sich oft auf eine Dynamik zwischen dem alten Erzähler und der jugendlichen Figur. Die Andeutung einer Selbst-Historisierung im Reisebuch kann dabei keine andere Referenz haben als die selbstreflexive Haltung Ḥanna Dyābs.

Gabriel markiert weitere Aspekte, die es ermöglichen, den Wahrheitsanspruch des Reisebuchs als literarisch zu deuten. Unter anderem sieht er das Spezifikum von Literatur darin, dass sie allgemeine Erfahrungen veranschaulicht. Nicht das Partikulare oder Besondere werde erklärt, sondern es werde das Allgemeine im Besonderen (z.B. einem individuellen Erlebnis) exemplifiziert. Die Emotionen, das Staunen oder die Angst und Gedanken, die im Reisebuch häufig zu finden sind, können als bekannte Erfahrungen vorausgesetzt werden und benötigen keine zusätzliche Erklärung. Dyāb mag sich mit seiner Vermittlung von Innenansichten eines Repertoires an allgemein bekannten Emotionen bedient haben, um seine spezifischen Erfahrungen zu reaktivieren.

Über die Erfahrungen, die Frömmigkeit und Sensibilität einschließen, integriert Ḥanna Dyāb sich mithilfe seines jugendlichen Ichs möglicherweise in ein bestimmtes soziales Milieu – das Milieu katholischer Laien, aleppinischer und europäischer Händler und ihrer Haushalte. Dieses wäre ein Milieu, das sowohl mit performativem storytelling (vgl. Heyberger 2015, 32-35) als auch mit Reise­ erzählungen und egozentrischem Erzählen vertraut ist.

Die Vergegenwärtigung, so erklärt Gabriel (2014, 176f) weiter, halte nicht zur Übernahme von Gefühlen oder Haltungen an, sondern zum Nachvollziehen derselben. Die Empathie, die Literatur bewirkt, resultiere nicht aus wirklichem Mitfühlen, sondern basiere auf kognitiven Leistungen. Erfahrung kann wie im Fall Dyābs durch die spezifische Perspektivierung und die vielen Einblicke in die Figur nachvollzogen werden. Die Art der Fokalisierung und Perspektivierung erzeugt eine konstitutive Erzähler-Figur-Distanz, die sich neben dem Modus des Reise-Erzählens aus einer autobiographischen Geständnishaltung und dem Erzählen sekundärer Erzählungen zusammensetzt. Sie lässt die Bedeutung erahnen, die die neuartige Distanz zwischen Erzähler und Figur in den Anfängen des arabischen Romans (ab frühestens Mitte des 19. Jhdt.) erhält.45 In der Literatur muss Wahrheit nicht mithilfe der Zurücknahme oder Kaschierung des Erzählakts als etwas Neues bezeugt werden. Wahrheit liegt in grundsätzlich bekannten menschlichen Erfahrungen; und es ist die Aufgabe des Erzählers, diese überzeugend – man mag sagen authentisch – zu präsentieren.

Literaturverzeichnis

Quellen (17.–19. Jahrhundert)

(In eckigen Klammern wird das Jahr des ältesten Manuskripts bzw. der Erstauflage genannt.)

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Galland, Antoine (2011): Le journal d’Antoine Galland (1646-1715): la période parisienne. Volume I (1708-1709). Leuven et al. [hrsg. von Frédéric Bauden / Richard Waller].

Ḥanna Dyāb (1764): ms. 254. coll. Paul Sbath (Biblioteca Apostolica Vaticana), Rom.

Hanna Dyâb (2015): D’Alep à Paris. Les pérégrinations d’un jeune syrien au temps de Louis XIV. Récit traduit de l’arabe (Syrie) et annoté par Paule Fahmé-Thiéry, Bernard Heyberger et Jérôme Lentin. Paris.

Ḫūrī, Ḫalīl al- (2009 [1859-60]): Way, ian lastu bi-ifranǧī. Taqīq Šarbal Dāġir. Bayrūt.

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Johannes Stephan, M.A.
Universität Bern
Institut für Islamwissenschaft und
Neuere Orientalische Philologie
Lerchenweg 36
CH-3012 Bern
E-Mail: johannes.stephan@islam.unibe.ch

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1 Alle Folio-Angaben (Folionummer r/v) beziehen sich im Folgenden auf das Manuskript des Reisebuchs von Ḥanna Dyāb (1764). Die Übersetzungen stammen vom Autor des Beitrags.

2 Nach Ansgar Nünning (2004, 12) bezeichnet dieser Begriff jegliche Form des Kommentierens von (eigenen) Erzählvorgängen.

3 Im Original wäre dies kitāb siyāḥa. Dabei handelt es sich um eine Festlegung des Autors dieses Beitrags. Da die ersten fünf Folio des Manuskripts fehlen, verfügen wir nicht über den Titel des Reisetextes. Dass es einen gegeben hat, ist wahrscheinlich, da der Text weitgehend durch farbig hervorgehobene Kapitelüberschriften gegliedert wurde. An zentralen Stellen wie neben dem oben zitierten Metanarrativ und auch am Schluss des Textes wird der arabische Terminus „siyāḥa“ verwendet, der eher das Umherreisen und -schauen denn das gezielte Reisen bezeichnet. Zudem scheinen damit sehr lange Reiseaktivitäten gemeint, die einen größeren Lebensabschnitt abdecken. Eine Untersuchung zur (Vor-)Geschichte der Institution der Autobiographie im arabischen Schrifttum könnte an diesem Begriff ansetzen. Passend zur grundsätzlichen Ziellosigkeit des Reisens, die siyāḥa konnotiert, übersetzen Fahmé-Thiéry et al. (Dyâb 2015) den Terminus siyāḥa mit „pérégrinations“. Paul Lucas’ Reisebericht wird in Dyābs Buch als kitāb siyāḥa erwähnt, ebenso trägt das Buch Ilyās al-Mawṣilīs, das Ḥanna Dyāb möglicherweise besessen und abgeschrieben hat (Ghobrial 2012, 263, Anm.8), diesen Titel.

4 Für ihre konstruktiven Bemerkungen zu diesem Beitrag bin ich Eva Tyrell aus Bern sehr dankbar.

5 Der Beginn moderner arabischer Literatur wird in literaturgeschichtlichen Arbeiten klassischerweise in das 19. Jahrhundert gelegt (z.B. Badawi / Cachia 1992), wobei Allen (1995, 13) seine Geschichte des arabischen Romans zum Teil vor dem 19. Jahrhundert beginnen lässt und das alte Paradigma der Dekadenz arabischer Literatur zwischen dem 13. und dem 18. Jahrhundert kritisiert (vgl. 1995, 11, Anm. 1; 2006) . Zum Selbstverständnis moderner arabischer Literatur ab dem späten 19. Jahrhundert vgl. die im Sinne einer historischen Literatursoziologie angelegten Arbeiten von Hafez (1993) und al-Bagdadi (2010).

6 Paige zeigt in seinem Before Fiction (2011, x), dass das „properly fictional regime“ erst ab 1800 aufkomme und das „pseudofactual regime“ ablöse, in dem beansprucht werde, literarische Erfindungen stets als historische Überlieferungen oder wahre Geschichten o.ä. zu präsentieren (Herausgeberfiktion). ‚Fiktional‘ als Attribut für ganze Texte ist also erst ab diesem Zeitpunkt denkbar.

7 Der Name Ḥanna bezeichnet hier die Figur, während der Vorname mit Familienname, Ḥanna Dyāb, den Erzähler bzw. Autor-Erzähler bezeichnet.

8 In seinem zweiten Reisebericht, von dem ein Teil die gemeinsame Reise mit dem Aleppiner umfasst, erwähnt Lucas (2002) Ḥanna Dyāb nicht ein einziges Mal.

9 Paul Lucas (2004, 97) schreibt, er sei am 15. Januar 1716 in Aleppo angekommen. Er berichtet dann auf ähnliche Weise wie Ḥanna Dyāb von dem letzten gemeinsamen Abenteuer, auch wenn er seinen aleppinischen Begleiter auch hier nicht erwähnt. Interessanterweise bindet Lucas eine Episode über einen Besuch von Ruinen zwischen Aleppo und Tripolis (Libanon) in seine Erzählung ein, die im Reisebuch Dyābs den Auftakt der gemeinsamen Reise darstellt. Es sollte sich hierbei um eine spätere Ergänzung Lucas’ – bzw. seines Schreibers – handeln. Vgl. zu der Mission Lucas’, seinen Reiseberichten und den Übereinstimmungen beider Reisetexte Heyberger (2015, 15; 21-23). Van der Cruysse (2002, 96) bezeichnet Lucas’ ersten Reisebericht (erschienen 1704 in Paris) als „parmi les récits de voyage les plus vivants et les plus colorés de l’ère louisquatorzienne.“

10 Vgl. zum Schelmenroman Bauer (1994, 10-12). Elger (2003, 286) sieht in dem Reisetext des Muṣtafā al-Laṭīfī ähnliche Züge angedeutet.

11 Ich verwende ‚Reisetext‘ als Oberbegriff für jenes Schrifttum, in dem die hauptsächliche narrative Struktur durch das Reisen geprägt erscheint. Der Reisebericht wäre dann eine Subkategorie des Reisetextes.

12 Dieser Titel stammt vom ersten Herausgeber des Textes, Antun Rabbath (1905). Der Reisetext ist Teil einer arabischen Chronik der spanischen Eroberung Südamerikas, für die sich der Autor größtenteils spanischer Quellen bedient hat. Es ist möglich, dass Ḥanna Dyāb diesen Text kopiert hat und zusammen in einem Band mit einer anderen Erzählung über die Reise des osmanischen Gesandten Saʿīd Bāšā (Yirmisekiz Çelebi) nach Paris besessen hat (Ghobrial 2012, 263, Anm. 7 und 8). Ein Indiz für den Zusammenhang sind neben der sehr ähnlichen Hand und den Bestandteilen des Namens, die man identifizieren kann, auch wenige Reminiszenzen aus al-Mawṣilīs Bericht in Dyābs Text.

13 Kilpatrick (2008) hat Reisetexte nach den Zielen der Reisen in der Frühen Neuzeit sortiert. Zu diesen gehören neben den genannten Reisezwecken auch der Besuch von Pilgerstätten, spirituelle Erbauung, Diplomatie (betrifft zuerst die marokkanischen Reisenden) und private Gründe.

14 Auffällig ist allein ein Lesevermerk eines Nachfahren (Heyberger 2015, 8f).

15 Zur Verbreitung von Heiligenliteratur vgl. Heyberger (1998, 118-120) und vorwiegend zu den frühneuzeitlichen Heiligen ders. (2001, bes. 55-63). Sehr wahrscheinlich hat Dyāb selbst ein hagiographisches Werk besessen und gar kopiert, das eine Kompilation und arabische Übersetzung des Jesuiten-Paters Pierre Fromage (1719-1740 in Aleppo) auf Basis der Vies des saints pour tous les jours de l’année (bzw. Les Nouvelles fleurs des vies des Saints, et fêtes de l’année) von Jean Croiset (bzw. Pedro Ribadaneira) darstellt (Cheikho 1926, Bd. 11, 266; Graf 1951, 4. Bd. 227). Die Abschrift dieser vierbändigen Anthologie mag ein Repertoire für Dyābs sprachliche Bildung gewesen sein, die sich im Reisebuch besonders in seinem Variantenreichtum ausdrückt.

16 Sehr reich an sekundären Erzählungen ist auch das mehrbändige Reisebuch (seyāhatnāme) des Evliya Çelebi (1611-1682), das ebenfalls ein Ausdruck dieser Erzählkultur ist (vgl. Sheridan 2011).

17 Antoine Galland hat die Geschichten, die ihm Ḥanna Dyāb im Mai und Juni 1709 vorgetragen haben soll, zunächst in seinem Journal (Galland 2011) festgehalten, dann in seinen letzten vier Bänden seiner insgesamt 12-bändigen Mille et une Nuits (1712-1717) veröffentlicht (vgl. Leeuwen / Marzolph 2004, 582f.). Von den gemeinsamen Treffen berichtet auch Ḥanna Dyāb in seinem Reisebuch (128r; Bauden 2011, 48f.). Gleichwohl Galland auf schriftliche Quellen für diese Geschichten, die ihm Ḥanna Dyāb habe zukommen lassen, verweist, konnte bis heute keine davon nachgewiesen werden. Zu Gallands Stilisierung der so genannten „orphan tales“ als orientalisch vgl. Larzul (2004). Zur Möglichkeit orientalischer Ursprünge dieser Geschichten vgl. Bottigheimer (2014). Sehr wahrscheinlich ist meines Erachtens ein gewisser Grad an Kooperation der beiden Märchenerzähler, wie ihn auch Heyberger (2015, 28-31) andeutet. Von Dyāb Kenntnissen über verschriftlichte Erzählzyklen zeugt Gallands Notiz (2011, 358), dass der Aleppiner ihn über die Existenz eines Buches mit dem Titel „Die zehn Wesire“ (König Azadbakht und die zehn Wesire, vgl. Leeuwen / Marzolph 2004, 110) berichtet habe. Dass Ḥanna Dyāb Mitte der 1760er Jahre von der Bedeutung der Mille et une Nuits im Okzident nichts gewusst hat, ist angesichts des so starken Austausches der Katholiken in Aleppo mit europäischen Missionaren und Händlern kaum vorstellbar.

18 Bekannt geworden ist besonders Patrick Russells Suche nach Tausendundeine Nacht, über die er im Februar 1799 im Gentleman’s Magazine Auskunft gibt (Urban 1799, 91f) mit Verweis auf die berühmte Natural History of Aleppo, die er in Nachfolge seines Halbbruders Alexander nach seiner Rückkehr aus Aleppo 1794 revidiert herausgegeben hat. Russell war ab 1750 bis 1771 zu Forschungszwecken in Aleppo. Vgl. zu den Russels und ihrer Natural History Starkey (2013) und Boogert (2010).

19 Im Reisebuch unterrichtet Paul Lucas Ḥanna über die Wirkung des Steins der Weisen (59r-61r). Lucas’ Faszination drückt sich auch in dessen eigenem Reisebericht (2002, 64-69) aus.

20 Lange bekannte Legenden und Diskussionen zu diesem Thema kamen in Frankreich ab den 1740er Jahren mit der berühmten Studie Jean-Jacques Bruhier d’Ablaincourts mit dem Titel Dissertation sur l’incertitude des signes de la mort et l’abus des enterremens & embaumemens précipités auf (vgl. Bondeson 2002, 63-100), also nicht lange, bevor Dyāb sein Reisebuch erstellt hat. Wegen des neueren Zusammenhangs zwischen Legenden-Wissen und medizinischen Erklärungen in d’Ablaincourts Studie, wie er auch im Reisebuch hergestellt wird, ist eine spätere Einfügung dieser Erzählung in Dyābs eigene Reiseerfahrungen gut denkbar.

21 Betroffen von der Mission waren Christen maronitischer Denomination wie Ḥanna Dyāb selbst, aber auch solche griechischer (ursprünglich „orthodoxer“), armenischer und syrischer Denomination. Die maronitische Kirche war schon seit dem 13. Jahrhundert offiziell mit Rom uniert. Begrenzte sich diese Union noch auf eine politische Allianz, bewirken die Mission in den Orient ab dem 16. Jahrhundert und die Gründung eines maronitischen Kollegs in Rom ihren schrittweisen Anschluss an das katholische Dogma und die Narrative sowie Praktiken der Gegenreformation (vgl. Heyberger 2001, 22-28).

22 Vgl. dazu z.B. Kortes Studie (1996, 27-54). Gewiss gibt es auch hier Ausnahmen, vgl. z.B. Harbsmeier (2001).

23 Die Frühe Neuzeit meint im osmanischen Zusammenhang v.a. die Zeit zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert, oft auch als „early Ottoman period“ bezeichnet.

24 Vgl. zur dazu passenden Korrespondenztheorie und anderen Wahrheitstheorien der Literatur des 18. Jahrhunderts Finken (1993, 7-29).

25 Auffällig ist dies in den Reisetexten zwei anderer Maroniten, deren „Reisen“ in den 1760er-Jahren erstellt worden sind: Arsāniyūs Arūtīn, dessen Text über seine Reise durch Frankreich, Spanien, Portugal und Italien zum Teil (1967) ediert wurde und Ḥanna Šukrī aṭ-Ṭabīb (riḥla, Reise von Aleppo nach Istanbul und zurück; s. Gotha arab. 1550), der Bruder des Ersteren. Zu beiden bereitet Feras Krimsti (Berlin) Editionen vor.

26 Der arabische Terminus taḥqīq tritt in diesem Zusammenhang auf. Dieser ist ein Verbalnomen, das nahezu identisch mit dem Nomen „Wahrheit“ (ḥaqīqa) oder auch adjektivisch als schlicht „wahr“ oder „wahrlich!“ verwendet wird (vgl. Lentin 1997, t1, 497). Wird dieser Terminus bemüht, fungiert er meistens als Affirmation des Beschriebenen. Auch aber deutet er als Verbalnomen auf einen Prozess des vorgängigen Prüfens dessen, was beschrieben wurde. Aus diesem Grund habe ich eingangs dieses Artikels taḥqīq mit „Bewahrheitung“ übersetzt.

27 Touati (2000, ch 4) erörtert den epistemologischen und historischen Zusammenhang des Vorzugs des Sehens vor dem Hören und seine Auswirkung auf die Hochschätzung des Reisens in den mittelalterlichen islamischen Wissenskulturen.

28 So bemerkt z.B. Ilyās al-Mawṣilī (1905, 881; 976) mehrmals vor oder nach der Schilderung besonderer Sehenswürdigkeiten oder kurioser Ereignisse: „Ich sah dies mit eigenen Augen“.

29 Das verlässliche Handeln kann durch den Hinweis auf Notizen während der Reise attestiert werden oder sich in akribischen Schilderungen ausdrücken (z.B. Matar 2006, 202).

30 Treffend dazu Heyberger (2015, 26): „Plus que dans tous les autres récits de voyage en arabe, le narrateur apparaît à la première personne, et se donne à voir en situation.“

31 Auf dieses Problem weist auch Huck (2009, 208) hin. Elger (2011, 15) deutet darauf hin, dass der arabische Reisetext nahe lege, dass ‚Autor‘ und ‚Reisender‘ Synonyme sind.

32 Reynolds et al. (2001, 88) sehen ein Spezifikum – wenn nicht gar das – des autobiographischen Schreibens in der Tradition arabischen Schrifttums in der Darstellung von kindlichem Scheitern und Scham.

33 Eine Untersuchung von Fokalisierung in faktualen Texten findet sich in Hucks „Coming to Our Senses“ (2009), zur Fokalisierung arabischer Literatur vor der Fiktion vgl. Özkan (2008, 368 ff) und Beaumont (1996, 13-19).

34 Zur Diskussion neben den Klassikern, die ich hier nicht umfassend darstellen kann, vgl. besonders die ausführliche Diskussion der Genetteʼschen und alternativer Konzepte von Hübner (2003, 34-45) – im Übrigen auch eine Bemühung von Fokalisierung „before fiction“.

35 Varianten der Fokalisierung wurden auch in vormodernen, etwa mittelalterlichen (Hübner 2003) und antiken Literaturen (Ludwig 2014), diskutiert.

36 Nach Paige (2011, 200) werden die Gefühle der Helden in vormoderner Literatur nicht in unausgesprochenen Gedanken, sondern in eloquenter Rede (Poesie) ausgedrückt.

37 Wie Jesch und Stein (2009) überzeugend erörtern, ist Fokalisierung somit nicht notwendigerweise als Perspektivierung zu betrachten.

38 Diese Feststellung haben Agai (2013, 45) und Khosravie (2013, 177) getroffen.

39 Ähnlich hat Cohn (1990, 787) gefordert, über eine Kombination von Nichtfokalisierung und externer Fokalisierung (d.h. der Beschreibung von Figuren lediglich „von außen“) als Fokalisierungstyp für faktuales Erzählen nachzudenken.

40 So etwa Hübner (2003, 44): „Bei Genettes ‚Nullfokalisierung‘ ‚sieht‘ niemand etwas, und deshalb handelt es sich nicht um Fokalisierung.“ (Hervorhebung im Original).

41 Es war mir nicht möglich, das beschriebene Gemälde, von dem Ḥ. Dyāb hier spricht, zu bestimmen. Die Geschichte, die Dyāb nach dieser Illusionserfahrung erzählt, setzt sich aus unterschiedlichen Episoden zusammen, in denen die bekannte Giotto-Legende (er habe als Schüler einem Porträt, das sein Meister dabei war zu malen, eine Fliege auf die Nase gepinselt, die zum Verwechseln echt aussah) und die Legende des antiken Künstlerwettstreits zwischen Zeuxis und Parrhasios vorkommen. Der Held der Geschichte wird außerdem zunächst Pietro, dann Nicolas genannt.

42 Hamburger (1977, 84): „Die Fiktionalisierung, das als Jetzt und Hier der fiktiven Person dargestellte Geschehen vernichtet die temporale Bedeutung des Tempus, in dem eine erzählende Dichtung erzählt ist: die präteritive des grammatischen Imperfekts, aber ebenso auch die präsentische des historischen Präsens.“

43 Dies ist ein mögliches Kriterium von Literatur. Elger untersucht Reisetexte muslimischer Gelehrter und Literaten, in denen auch Poesie und Reimprosa meist sehr prominent auftreten. Die sprachliche Gestalt hat schon Anlass gegeben, manche Reisetexte als literarisch zu qualifizieren (Elger 2003, 273; Kilpatrick 1997, 164). Da wir es im Falle der Reiseerzählungen arabischer Christen aus Aleppo aber vorwiegend mit Prosa-Berichten zu tun haben, wurde diese Einschätzung hier bislang kaum getroffen. Meines Wissens ist Kilpatrick (1997, 158; 2008, 244) die einzige, die Reisetexte arabischer Christen dezidiert als „literarisch“ oder „Literatur“ bezeichnet. Wie sie aufzeigt, kommen in dem Bericht, den Paul (Būlus) ibn az-Zaʿīm über die Reisen seines Vaters, des Patriarchen Makāriyūs, verfasst hat, poetische Versuche vor. Der Brief von Ibrāhīm al- Ḥakīm al- Ḥalabī (1907) über seine Reise nach Ägypten ist gänzlich in Poesie und Reimprosa abgefasst.

44 Auf den sprachgeschichtlichen Zusammenhang zwischen „Authentizität“ – als einer Form der Wahrheit – und „Autorität“ weist Knaller (2007, 12) hin.

45 Die erzählerische Distanz erscheint als Voraussetzung, Nähe, einschließlich der Einblicke in die Innenwelten der Figuren überhaupt erzeugen zu können. Der Autor-Erzähler schwankt zwischen Identifikation und Abgrenzung gegenüber seinen Figuren. Ein frühes Beispiel für diese Erzähler-Figuren-Distanz bei gleichzeitiger Identifikation mit einer geteilten gesellschaftlichen Realität, ist die Gesellschaftsnovelle „Way iḏan lastu bi-ifranǧī“ (2009 [1859-60]) von Ḫalīl al-Ḫūrī (1836-1907). Siehe dazu Wielandt (1980, 130-38) und Guth (2003, 10-47).