Kai Matuszkiewicz

Internarrativität

Überlegungen zum Zusammenspiel von Interaktivität und Narrativität in digitalen Spielen

This essay introduces a new theoretical approach for the analysis of digital games with a hybrid structure between interactivity and narrativity called “internarrativity”. The aim of this model is to enable an appropriate examination of the synergies of what may be characterized as “symbiotic internarrative digital games”. Internarrativity as a theoretical concept is derived from sociology, media and communication studies, literary studies and digital game studies. The model consists of three interconnected and progressively concertizing planes: internarrativity, internarrative and internarration. Following explication of the model, a short example is discussed, rendering the presence and function of internarratives in current digital games visible through focusing on the zombie apocalypse and the superhero story and their use in internarrative digital games. The argumentation closes with a glimpse of the potential as well as some possible limitations of the model of internarrativity.

Internarrativität1

Der Begriff der „Internarrativität“ bezeichnet ein Modell, das versucht, digitale Spiele mit einer hybriden Struktur aus Interaktivität und Narrativität sowie den daraus hervorgehenden symbiotisch-synergetischen Effekten präzise, d.h. umfassend und ohne Fragmentierung ihrer ästhetischen Potentiale zu erfassen. Internarrativität kann leicht missverstanden werden, wenn man den Ausdruck als ein ‚Zwischen‘ den Narrativen begreift – dies meint Internarrativität aber nicht. Vielmehr bezeichnet Internarrativität die Vereinigung der Konzepte der Interaktivität und Narrativität in einem neuen theoretischen Hybridkonzept, das sich an der besonderen Ästhetik digitaler Spiele orientiert. Digitale Spiele, die auf narrative Elemente zurückgreifen, weisen eine einzigartige ästhetische Struktur auf, die durch die synergetisch-symbiotische Beziehung aus Interaktivität und Narrativität entsteht. Der Terminus Internarrativität kann in dreifacher Weise verwendet werden: Erstens als eine Eigenschaft von Medien im Allgemeinen, zweitens als eine Eigenschaft von bestimmten Medien, die dieses allgemeine Potenzial spezifisch nutzen und drittens als ein theoretisches Modell mit mehreren Ebenen, das in diesem Aufsatz erläutert wird. Im Rahmen dieser Ausführungen wird Internarrativität immer in der dritten Bedeutung gebraucht, es sei denn, es wird explizit darauf hingewiesen, dass die attributive Verwendung gemeint ist.2

Bestimmte digitale Spiele, die als hybrid im beschriebenen Sinne gelten können, sind in der Regel weitaus mehr als eine Alternation ludisch-interaktiver und repräsentativ-narrativer Phasen. Vielmehr kreieren diese digitalen Spiele eine fiktional-virtuelle Spielewelt, in der sich die Interaktionen des Spielers und die narrative Vermittlung wie Darstellung so stark verschränken, dass eine getrennte Betrachtung beider Aspekte nur bedingt sinnvoll ist. Die Internarrativität orientiert sich an den Konvergenzen digitaler Spiele wie ‚Neuer Medien‘, die zu Hybridisierungen der ontologischen wie ästhetischen Dimensionen führen. Dabei versteht sich die Internarrativität nicht als ein Modell mit einem ‚totalen‘ Deutungsanspruch, sondern als ein Versuch, die analytische Beschreibung hybrider digitaler Spiele weiter voranzutreiben.

Die Internarrativität steht in der Tradition einer Strömung, die aus der Narratologen-Ludologen-Debatte3 hervorging und zwischen Narratologen und Ludologen zu vermitteln sucht, indem sie ihr Augenmerk primär auf die hybride mediale Struktur digitaler Spiele und eine Kombination von Instrumenten beider Disziplinen legt. Auf der einen Seite der Narratologen-Ludologen-Debatte argumentierten Narratologen wie Janet H. Murray oder Marie-Laure Ryan für eine Verwendung traditioneller narratologischer Analyseverfahren zur Untersuchung digitaler Spiele, wohingegen Ludologen wie Espen J. Aarseth, Jesper Juul, Gonzalo Frasca oder Markku Eskelinen für ludologische Herangehensweisen plädierten. Die Frage nach den richtigen Werkzeugen zur Analyse digitaler Spiele ist aber immer auch eine Frage nach der medialen Form sowie der Wirkungsweise digitaler Spiele. Sind digitale Spiele Texte, Erzählungen oder Repräsentationen, wie die Narratologen behaupteten, oder sind sie Simulationen oder Spiele, wie Ludologen meinten? Erzählen digitale Spiele oder werden sie wie analoge Spiele gespielt? Dies waren die Kernfragestellungen, um die die Narratologen-Ludologen-Debatte kreiste.

In der Folge haben sich hybride Ansätze entwickelt wie diejenigen Mela Kochers, Martin Sallges oder Roman Sedas, die das Verhältnis von Interaktion und Narration in digitalen Spielen näher betrachten (vgl. Kocher 2007; Sallge 2010 sowie Seda 2008). Ebenso sind in diesem Kontext Theorien wie die von Ian Bogost in Persuasive Games formulierte anzusiedeln, der (im Anschluss an Brian Sutton Smith’s The Ambiguity of Play) in digitalen Spielen eine neue Form der Rhetorik entdeckt, die er „procedural rhetoric“ nennt, oder wie die von Benjamin Beil, der in seiner Dissertation First Person Perspectives die Subjektivierungsstrategien des Films und vor allem des digitalen Spiels anhand des Point of View untersucht (Bogost 2007, ix sowie vgl. Beil 2010). Alle diese Arbeiten sind in der Folge jenes Kompromisses zwischen Narratologen und Ludologen entstanden, der besagt, dass erzähltheoretische Analyseinstrumente nur auf digitale Spiele angewendet werden sollen, wenn dies dem Gegenstand entsprechend adäquat erscheine. Jene hybriden Theorien kann man auch als gemäßigt ludologisch bezeichnen. An diese und ähnliche Theorien schließt die der Internarrativität an.

Der vorliegende Aufsatz möchte drei Ebenen der Internarrativität (Internarrativität [als Eigenschaft von Medien], Internarrativ, Internarration) vorstellen sowie die Herleitung des Modells illustrieren. Hauptsächlich wurde das Modell nicht von Arbeiten aus den Digital Game Studies beeinflusst, sondern von Modellen und Theorien der Soziologie, der Medien- und Kommunikationswissenschaft sowie aus der (literaturwissenschaftlichen) Narratologie. Ziel dieses Vorgehens ist es, die zentralen Begriffe terminologisch fundiert zu verwenden sowie die Anschlussfähigkeit an etablierte wissenschaftliche Diskurse herzustellen. Zu Beginn wird das Modell der Internarrativität aus den Konzepten der Interaktivität und Narrativität begrifflich wie systematisch abgeleitet. Beim Interaktivitätsterminus liegt der Fokus auf klassischen Positionen der Soziologie sowie auf Arbeiten, die eine Verwendung des „interaktiven“ Begriffsfeldes im Rahmen der Theorie ‚Neuer Medien‘ legitimieren. Im Anschluss wird das Internarrativitätsmodell vorgestellt und kurz erläutert, bevor einige aktuelle Internarrative vorgestellt werden, um die Funktionsweise des Internarrativs zu verdeutlichen. Abschließend wird auf die Grenzen wie Möglichkeiten der Internarrativität eingegangen, um potenzielle Anwendungsgebiete dieses Modells aufzuzeigen.

Von Interaktivität und Narrativität zur Internarrativität

Spiele (und nicht nur digitale) sind ebenso interaktiv wie die ‚Neuen Medien‘ im Allgemeinen.4 Die Interaktivität scheint diejenige Eigenschaft zu sein, die die ‚Neuen Medien‘ von älteren wie den traditionellen Massenmedien unterscheidet, da jene Rückkopplungskanäle innerhalb des Mediums anbieten, die eine Interaktion zwischen Nutzer und System ermöglichen. Damit ist ein zweiter Begriff – die Interaktion – ins Spiel gekommen, der zuweilen synonym mit Interaktivität verwendet wird, obwohl beide unterschiedliche Phänomene bezeichnen, nämlich ein Potential bzw. einen Prozess (vgl. Neuberger 2007, 35f.). Am bekanntesten ist die Interaktion als Begriff in den Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie im alltäglichen Sprachgebrauch durch die Soziologie. Hier hat die Interaktion im Wesentlichen drei Aspekte: Interaktion als (soziale) Handlung, Interaktion als Kommunikation sowie Interaktion als Wechselbeziehung zwischen Interaktionspartnern. Der soziologische Interaktionsbegriff ist zur Anwendung in den Digital Game Studies meines Erachtens aus verschiedenen Gründen geeignet. So ist er im Blick auf das im Vergleich zu traditionellen Massenmedien veränderte Verhältnis zwischen Nutzer und System der Sache nach im Wesentlichen passend und macht die Diskurse dieser jungen Disziplin überdies an themenverwandte Fachrichtungen anschlussfähig. Die Bedeutung des soziologischen Interaktionsbegriffs und sein heuristisches Potential im Rahmen des Internarrativitätsmodells seien daher im Folgenden knapp skizziert.

Michael Jäckel führt zum soziologischen Interaktionsbegriff aus: „Das Grundmodell, an dem sich der soziologische Interaktionsbegriff orientiert, ist die Beziehung zwischen zwei oder mehr Personen, die sich in ihrem Verhalten aneinander orientieren und sich gegenseitig wahrnehmen können“ (Jäckel 1995, 463). Interaktion ist demnach eine Form des sozialen Handelns im Weberschen Sinne. „Soziales Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist“ (Weber 1960, 19). Alle drei Aspekte des soziologischen Interaktionsbegriffs sind im selben Moment miteinander verbunden. Man kann nur in der interaktiven Situation sozial handeln, wenn man sich mit seinen Interaktionspartnern am selben Ort befindet, d.h. wenn „Interaktion unter Anwesenden zwischen Sender und Empfänger“ stattfindet, bei der sich die Interaktionspartner wechselseitig aufeinander beziehen (Luhmann 1995, 11). Niklas Luhmann betont: „Interaktion wird durch die Zwischenschaltung von Technik ausgeschlossen“, es liege eine „Unterbrechung des unmittelbaren Kontaktes“ vor (ebd.). Kurz gesagt: Interaktion ist Anwesenheitskommunikation im engsten Sinne, die keine technische Medialisierung gestattet.

Die Skepsis Luhmanns in Bezug auf die massenmediale Kommunikationssituation als Interaktion ist von mediensoziologischer Seite (mit Blick auf die ‚Neuen Medien‘) mittlerweile in Zweifel gezogen worden. Tilmann Sutter stellt diesbezüglich fest, dass „die Kommunikation mittels neuer Medien als Interaktion verstanden werden“ kann, wenn man den Computer erstens als Interaktionspartner des Menschen verstehe und wenn man zweitens die Kommunikation unter Menschen via Computer als interaktive Kommunikationssituation vermittelter Anwesenheit anerkenne (Sutter 1999, 289). Damit ist Luhmanns Einwand aber nur zum Teil revidiert, da die sogenannten ‚Neuen Medien‘ zahlreiche interaktive Rückkopplungsmöglichkeiten anbieten, was aber nur in sehr eingeschränktem Maße für traditionelle Massenmedien wie Radio, Zeitung oder Fernsehen gilt, die Luhmann bei seinen Betrachtungen eher im Fokus hatte. Luhmanns Kritik spricht aber auch schon deshalb nicht gegen eine Verwendung des soziologischen Interaktionsbegriffs in den Digital Game Studies, da digitale Spiele – vor allem im Einzelspielermodus – eben keine Massenmedien sind. Im Sinne Gerhard Maletzkes hat man es bei digitalen Spielen zwar mit indirekter Kommunikation zu tun, die über technische Hilfsmittel abläuft, sie ist aber keineswegs öffentlich (außer in Online-Spielen) oder einseitig (vgl. Maletzke 1963, 32).

An diesem Punkt setzt auch die Kritik der Informatik am soziologischen Interaktionsbegriff und seiner Verwendung in Bezug auf Computersysteme an, die die Einseitigkeit der Kommunikation im Umgang mit dem Computer in den Mittelpunkt rückt. Die Kernaussage lautet, dass der Computer nur bedingt die Eingaben des Benutzers verstehe und dementsprechend nur unzureichend auf sie reagieren könne. Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine als der sozialen Interaktion vergleichbares Phänomen scheint an der fehlenden ‚Künstlichen Intelligenz‘ des Computers zu scheitern (vgl. Goertz 1995, 480). Hierbei sollte jedoch bedacht werden, dass es nicht nur entscheidend ist, wie der Computer auf die Benutzereingaben reagiert, sondern auch wie der Benutzer die Interaktion mit dem Computer wahrnimmt. Seit George Herbert Mead und seinem Konzept des „verallgemeinerten anderen“ ist bekannt, dass es nicht nur entscheidend für das Verhalten der Menschen und ihre Identitätsbildung ist, welche Haltungen andere ihnen gegenüber tatsächlich offenbaren, sondern was sie selbst über die Haltungen der anderen annehmen (Mead 1934, 196). Anders gesagt: Es ist nicht immer die tatsächliche Reaktion des Systems auf Benutzereingaben entscheidend, sondern die Wahrnehmung des Rezipienten ist oft maßgeblicher für die Einschätzung des Vorliegens von Interaktionen. Bereits Alan Turing ging – als Gedankenexperiment – davon aus, dass es einem menschlichen Fragesteller in einer medial vermittelten Kommunikationssituation, bei dem der Gegenüber weder visuell noch akustisch wahrgenommen werden kann, nicht ohne weiteres möglich sei, einen menschlichen von einem maschinellen Kommunikationspartner zu unterscheiden (vgl. Turing 1988). Es spricht also recht wenig gegen die Verwendung des soziologischen Interaktionsbegriffs in den Digital Game Studies, obgleich Aspekte der Human-Computer-Interaction unbedingt bedacht werden müssen, wenn es primär um die technische Dimension digitaler Spiele und deren Benutzerfreundlichkeit geht. Freilich muss zudem berücksichtigt werden, dass die Wörter „Interaktion“ oder „Interaktivität“ in digitalen Spielen (wie ‚Neuen Medien‘) nicht qualitativ dasselbe bezeichnen wie in der sozialen Realität. Anwendung finden die beiden Begriffe aufgrund der Tatsache, dass eine Ähnlichkeitsbeziehung vorherrscht, die aber keineswegs eine vollkommene Kongruenz beider Phänomene suggerieren möchte.

Häufig geraten die Termini Interaktion und Interaktivität in den Digital Game Studies sowie den Medien- und Kommunikationswissenschaften durcheinander, d.h. sie werden wie bereits angesprochen synonym verwendet. Einen überzeugenden Vorschlag für eine praktikable Unterscheidung hat dagegen Christoph Neuberger vorgelegt, indem er zwischen der Interaktivität als Potenzial und der Interaktion als Prozess differenziert (vgl. Neuberger 2007, 35f.). Interaktivität richtet sich demnach auf die Möglichkeit des Interagierens zwischen Nutzer und System und Interaktion auf die tatsächliche Nutzung dieser Möglichkeit. Demzufolge ist die Interaktivität eine potenzielle Eigenschaft von Medien (wie Kommunikationssituationen), wohingegen die Interaktion die konkrete Umsetzung dieses Potenzials bezeichnet. In digitalen Spielen kann man weiterhin zwei Formen der Interaktion unterscheiden: die reale und die virtuelle Interaktion. Die reale Interaktion umfasst alle Aktionen des Spielers, die das Spielen digitaler Spiele betreffen, die aber im real-analogen Raum stattfinden wie beispielsweise die Interface-Eingaben. Unter virtueller Interaktion verstehe ich alle Interaktionen zwischen Spieler und System, die ihren Ursprung wie Ausdruck in der virtuellen Spielwelt haben bzw. finden (virtuell kann der Spieler beispielsweise mit anderen Player- oder Non-Player-Characters interagieren). Reale und virtuelle Interaktion bilden dabei einen Zirkel, da die realen Aktionen des Spielers als Eingaben in die Schnittstelle im realen Raum stattfinden, aber als Ausgabe nur virtuell erfolgen.5 Die kognitive Wahrnehmung des Spielers und sein tatsächliches Handeln lassen sich analytisch also differenzieren, auch wenn dabei nicht vergessen werden darf, dass reale und virtuelle Interaktion nur gemeinsam zum Gelingen der Interaktion zwischen Spieler und System beitragen können.

Analog zum interaktiven kann man auch im narrativen Begriffsfeld die zentralen Begrifflichkeiten definieren.6 Auf diesem Vorgehen beruht nicht zuletzt das Modell der Internarrativität mit seinen Spannungsfeldern zwischen interaktivem und narrativem Pol. Als Gegenpol zur Interaktion in (internarrativen) digitalen Spielen ist die Narration geeignet, die man mit Gérard Genette als „produzierenden narrativen Akt“ sowie mit Gerald Prince als „the act of […] narrating“ verstehen kann (Genette 1972, 16 sowie Prince 1982, 7).7 Der Begriff der Narration bezeichnet das Hervorbringen einer Geschichte aus dem zugrundeliegenden Narrativ durch Realisierung bestimmter, in ihm bereits angelegter Handlungsabläufe. Der Rezipient konkretisiert das Narrativ in der Narration, indem er es individuell mit Sinn ausfüllt. Somit bedeutet die Narration in gewisser Weise die Wahrnehmung wie auch die Auseinandersetzung des Rezipienten mit dem Narrativ, an deren Ende die jeweils konkret realisierte Geschichte steht. Das Hauptaugenmerk beider Begriffe (Interaktion und Narration) liegt demnach auf ihrem prozessualen Charakter. Eine gemeinsame Betrachtung der Interaktion und der Narration macht auch aufgrund ihrer kommunikativen Gemeinsamkeiten Sinn. Denn, folgt man Roland Barthes, dann ist auch die Narration eine Form der Kommunikation (vgl. Barthes 1985, 125ff.).8 Beide Prozesse, sowohl der narrative als auch der interaktive kommunizieren etwas bzw. ermöglichen Kommunikation. Somit können sowohl die Interaktion als auch die Narration das wechselseitige Verhältnis aus Eingabe und Rückkopplung zwischen Spieler und System im digitalen Spiel unterstützen.

Im Unterschied zur Narration ist das Narrativ kein Prozess, sondern eine Struktur, die der Narration ihre Form verleiht, indem das Narrativ Realisierungsangebote an den Rezipienten macht. Gerald Prince definiert das Narrativ beispielsweise als „the representation of at least two real or fictive events or situations in a time sequence“, wodurch er Darstellung, Ereignisse und syntagmatisch-chronologische Abfolge als bestimmende Charakteristika von Narrativen hervorhebt. (Prince 1982, 4). Kennzeichnend für Narrative ist die Verkettung von „Kardinalfunktionen“ zu linearen oder multilinearen Strukturen mit dem Ziel einer Sinnherstellung, die den Rahmen für die Handlung bzw. mehrere mögliche Handlungsverläufe als Narrationen etabliert. (Barthes 1985, 112) Die Kardinalfunktionen sind in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet, die nur soweit Variation gestattet, wie die Sinnkonstitution der Rezipienten nicht gefährdet wird. Zu einem Narrativ gehört stets eine relative feste Gruppe von stereotypen, funktionstragenden Figuren sowie eindeutige Handlungen bzw. Handlungsmuster dieser Figuren. Die Struktur des Narrativs wird nicht erst im Prozess der Narration geschaffen, sondern liegt dieser bereits zugrunde, bildet das Muster für diesen Prozess. Das Narrativ ist somit die ordnungsstiftende Instanz der Geschichte, welches seine konkrete Realisierung in der Narration erfährt. Narrative verkörpern einen bestimmten intendierten Sinn bzw. eine intendierte Lesart (oder auch Lesarten), welche die Narration leitet (bzw. leiten). Es kann mehrere Narrative mit unterschiedlichen intendierten Lesarten in einer Geschichte geben, die unterschiedlich stark gewichtet sind. Zur besseren Illustration des Narrativs als ordnender Instanz ein literarisches Beispiel. In den Buddenbrooks gibt es – neben dem Verfallsnarrativ, das schon der Untertitel suggeriert – ein Aufstiegsnarrativ, nämlich das der Familie Hagenström. Beide Narrative stehen in einer unmittelbaren Verbindung zueinander, das Voranschreiten des Verfallsnarrativs sorgt für die Entwicklung des Aufstiegsnarrativs. Umso tiefer die Buddenbrooks fallen, umso höher steigen die Hagenströms empor. Beide Narrative werden von einem übergeordneten Narrativ gesteuert, das erst aus der Makroperspektive heraus erkennbar wird und zeigt, dass Aufstiegs- und Verfallsnarrativ zwei Teile eines Narrativs sind: eines Zyklen-Narrativs, das aus Aufstieg und Verfall besteht, wobei das Aufstiegsnarrativ auf dem Höhepunkt in ein Verfallsnarrativ umschlägt. Der Verfall der Familie Buddenbrook setzt mit dem Einzug in das Ratenkampsche Haus ein, also in den ehemaligen Sitz einer Familie, die zu Beginn der Handlung zerfallen ist, aber vor dem Handlungsbeginn zu den angesehensten Familien der Stadt gehörte. Somit wird der Zyklus erkennbar: Aufstieg der Ratenkamps, Verfall der Ratenkamps und gleichzeitig Aufstieg der Buddenbrooks, Verfall der Buddenbrooks und zugleich Aufstieg der Hagenströms. Es lässt sich unschwer erahnen, dass der Schluss des Romans, der den Triumph der Emporkömmlinge Hagenström über die alteingesessenen Buddenbrooks markiert, auch den Ausgangspunkt ihres Untergangs andeutet.

Welche Auswirkungen haben Narrative auf digitale Spiele und welche Rolle spielen sie? Digitale Spiele können Narrative enthalten, müssen es aber nicht. In der Regel beinhalten nur solche digitale Spiele Narrative, die eine lange Spieldauer haben und nur in mehreren Gamesessions durchgespielt werden können. Das Narrativ übernimmt in diesem Fall zum einen eine ordnende Funktion. Durch den narrativen Zusammenhang kann der Spieler das Spiel besser in für ihn sinnvolle Abschnitte unterteilen, obwohl er über dreißig oder mehr Stunden in ein Spiel investiert. Zum anderen generiert das Narrativ stimmungsvolle Settings und hält den Spieler so im Bann des Spieles, fördert die Immersion ins Spiel. Ein Narrativ stellt eine gute Ergänzung zum Reiz des Interagierens dar, da es (gemeinsam mit dem interaktiven Pol) dem Spieler eine Struktur aus Kontrollentzug und (Selbst-)Kontrolle darbietet, die internarrative digitale Spiele kennzeichnen. Somit wird der Wechsel zwischen narrativen und ludischen Spielabschnitten zu einer Alternation zwischen Anspannung und Entspannung, die längere Gamesessions überhaupt erst spielbar macht. Die Integration mehrerer Narrative (oder eines sehr offenen Narrativs) erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Spieler ein für ihn passendes Narrativ findet und das Spiel durchspielt. Diese narrative Offenheit wird dadurch notwendig, dass der (erfahrenere) Spieler weiß, dass digitale Spiele keine rein narrativen Medien sind, sondern aus einer Symbiose des narrativen wie interaktiven Pols heraus ihre ästhetischen Effekte entfalten. Allerdings finden sich in digitalen Spielen tendenziell weniger Narrative als in genuin narrativen Medien wie der Literatur und wenn, dann sind sie in der Regel ähnlich wie in Hollywood-Blockbustern eher simpel konstruiert. Einige Forscher tendieren deswegen dazu, digitale Spiele als minderwertige narrative Medien anzusehen, was aber fragwürdig ist. Digitale Spiele sind prinzipiell gar kein narratives Medium, sie sind allenfalls ein internarratives Medium. Das liegt daran, dass der Kern eines Spiels nicht in seinen narrativen, sondern in seinen interaktiven Komponenten liegt. Das Spiel muss als (interaktives) Spiel Spaß machen, andernfalls misslingt seine Rezeption.9 Digitale Puzzle Games wie Candy Crush Saga (King 2012) erzählen keine Geschichten, sie ziehen die Spieler durch ihre einfachen Spielmechaniken und ausladenden Belohnungssysteme in ihren Bann; Narration ist in diesen digitalen Spielen kontraproduktiv. Eine narrative Vermittlung sprengt hier den zeitlich sehr begrenzten Rahmen, den diese Spiele aufweisen müssen, damit sie in der Pause oder auf dem Weg zur Arbeit in der U-Bahn gespielt werden können. Die zeitliche Rahmensetzung bedingt, dass Mobile und Casual Games eher aus kurzen Spielsessions bestehen, wohingegen die bekannten Genres des Core Gamings (zum Beispiel Role-Playing Game, Shooter, Action-Adventure etc.) tendenziell zu längeren Spielsessions einladen, was aber nicht bedeutet, dass man Casual Games nicht so ausufernd spielen könnte, dass sie zum Core Gaming einladen.

Äquivalent zum Terminus Interaktivität kann Narrativität die (potenzielle) Eigenschaft von Medien bezeichnen, narrativ zu sein, d.h. auf den narrativen Modus zur Darstellung zurückzugreifen. Narrativität bezeichnet also primär keine bestimmte narrative Umsetzung, sondern lediglich die Möglichkeit zur erzählerischen Realisierung, wie sie auch ausfallen mag. Marie-Laure Ryan betont, dass Narrativität eine graduelle Angelegenheit sei, also nicht alle Medien, die man als narrativ bezeichnen kann, im selben Maße narrativ seien (vgl. Ryan 2001). Selbiges gilt für die Interaktivität. Das bedeutet aber auch, dass es in der Kompetenz des Autors oder Designers liegt, den Grad der narrativen wie interaktiven Ausgestaltung festzulegen.

Fassen wir zusammen: Interaktivität wie Narrativität beschreiben die Eigenschaften von Medien, interaktiv oder narrativ zu sein, haben dabei aber einen potenziellen Charakter, weil sie lediglich Angebote zur Umsetzung ihrer Potenziale machen. Interaktion und Narration sind die Prozesse der konkreten Umsetzung von diesen medialen Potenzialen. Somit kann man verschiedene Ebenen unterscheiden. Interaktivität und Narrativität liegen (wie alle Substantive mit dem Suffix „-tät“) auf der Attributebene. Alle Phänomene dieser Ebene sind potenziell und attributiv, d.h. sie umfassen alles, was zu dem betreffenden Phänomen gehört. Hierbei gilt es jedoch zwischen Makro- und Mikroebene zu unterscheiden. Auf der Makroebene beinhaltet die Attributebene die Summe aller denkbaren Operationen, wohingegen auf der Mikroebene lediglich Aussagen über die Möglichkeiten eines bestimmten Mediums realisierbar sind. Unterhalb der Attributebene liegt die Handlungs- und Realisierungsebene, auf welcher die Prozesse zu verorten sind. Diese Prozesse (in unserem Fall Interaktion und Narration) stellen die tatsächlichen Umsetzungen der Potenziale der Attributebene dar. Anders gesagt: Interaktivität und Narrativität (Attributebene) erlangen in Interaktion und Narration (Handlungs- und Realisierungsebene) ihre konkrete Gestalt. Damit dies gelingt, bedarf es aber einer vermittelnden Ebene, die zwischen Attribut- sowie Handlungs- und Realisierungsebene angesiedelt ist – der Ordnungsebene. Die Ordnungsebene übersetzt das Potenzielle der Attributebene ins Konkrete der Handlungs- und Realisierungsebene, indem es aus dem weiten Feld des Attributiven bestimmte Aspekte auswählt und sie in ein ordnungsstiftendes Muster einfügt, das wiederum den Rahmen für die tatsächliche Realisierung absteckt. Von der Attribut- über die Ordnungs- bis hin zur Handlungs- und Realisierungsebene erfolgt also eine zunehmende Konkretisierung. Auf der Ordnungsebene befinden sich das Interaktiv und das Narrativ.10 Unter Interaktiv verstehe ich den Gegenpol zum Narrativ im Kontext des Internarrativs. Im Unterschied zum Narrativ verknüpft das Interaktiv aber keine Kardinalfunktionen, sondern definiert den Rahmen aller möglichen Interaktionen innerhalb eines digitalen Spiels, was durch den Programmcode geschehen kann oder aber auch durch Rekurs auf Regeln der sozialen Interaktionen in der Realität, die auf die Spielwelt übertragen werden wie soziale Konventionen oder diskursive Sagbarkeitsregeln.11

Übertragen wir das über Interaktivität und Narrativität Gesagte per Analogiebildung auf die Internarrativität, dann ergibt sich die folgende Tabelle.

Attributebene

Interaktivität

Narrativität

Internarrativität

Ordnungsebene

Interaktiv

Narrativ

Internarrativ

Handlungs- und Realisierungsebene

Interaktion

Narration

Internarration

Tabelle 1: Interaktivität, Narrativität und Internarrativität

Setzt man die Analogiebildung fort und überträgt die Erläuterungen zum interaktiven und narrativen Begriffsfeld auf das internarrative, dann kann man seine Ebenen wie folgt begreifen. Internarrativität bezeichnet die potenzielle Eigenschaft von Medien internarrativ zu sein, während das Internarrativ die ordnende Instanz ist, die das Zusammenspiel aus Interaktiv und Narrativ koordiniert und organisiert. Unter Internarration hingegen verstehe ich den Prozess der konkreten Umsetzung im internarrativen Akt des Spielens. Wie umfangreich und unterschiedlich die verschiedenen Internarrationen diverser Spieler sein können, hängt dabei von der Konzeption des Spiels ab. Beispielsweise ermöglichen digitale Spiele, die dem Open-World-Prinzip folgen, aufgrund des größeren ‚Spielraums‘ tendenziell mehr abweichende Internarrationen als digitale Spiele, die einer strikten Level- oder Dungeon-Struktur folgen. Digitale Spiele mit Open-World-Prinzip ermöglichen dem Spieler eine Vielzahl von möglichen paidia-Interpretationen des Spiels, die digitale Spiele mit räumlicher Beschränkung und ihrer viel stärkeren Orientierung am ludus nicht offerieren.12 Im folgenden Abschnitt werden die drei Ebenen der Internarrativität erörtert und deren analytische Funktionsweise beleuchtet.

Die drei Ebenen der Internarrativität

Aus der oben abgebildeten Tabelle kann man das folgende Ebenenmodell der Internarrativität ableiten, das aus einer vertikalen Achse (Konkretisierung) und drei horizontalen Achsen (die drei Spannungsfelder zwischen interaktivem und narrativem Pol) besteht.


Abb. 1: Ebenenmodell der Internarrativität

Auf der Attributebene kann man Aussagen darüber treffen, ob digitale Spiele internarrativ sind. Man kann also im konkreten Einzelfall entscheiden, ob ein digitales Spiel internarrativ ist und in welchem Maße. Alle drei Ebenen des Internarrativitätsmodells bestehen aus einem Spannungsfeld zwischen zwei Polen, die sich wechselseitig aufeinander beziehen, wodurch sich eine zirkuläre Struktur ergibt. Die Internarrativität erstreckt sich demnach zwischen Interaktivität und Narrativität, das Internarrativ zwischen Interaktiv und Narrativ sowie die Internarration zwischen Interaktion und Narration. Stellt man sich nun eine Linie zwischen den jeweiligen Polen vor, dann kann man eine Skala bilden, auf der man internarrative digitale Spiele verorten kann.13 Maßstab für die Verortung ist dabei, zu welchem der beiden Pole die Tendenz stärker ist oder ob vielleicht ein (internarratives) Gleichgewicht vorherrscht. Diese Balance zwischen interaktivem und narrativem Pol ist der Punkt der höchsten Internarrativität (als Eigenschaft). Die Parameter der Bestimmung der Skalierung können dabei qualitativer (Wie wird die interaktive Komponente umgesetzt, welche Rolle spielen die narrativen Elemente?) und / oder quantitativer Art (Wie häufig wird interagiert? Wie oft findet eine narrative Darstellung statt?) sein. Auf der Ebene der Internarrativität kann man somit unterscheiden, wie ein internarratives digitales Spiel seine Internarrativität (im Sinne der Mikroperspektive) anlegt, indem man untersucht, welchem der beiden Pole es sich stärker zurechnen lässt. Pokémon (GAME FREAK 1996ff.) reduziert die narrativen Bestandteile quantitativ wie qualitativ auf ein Minimum, indem es Cutscenes (oder ähnliche Formen der narrativen Vermittlung in digitalen Spielen) nur sehr spärlich einsetzt und die Narrative aufs Äußerste eingrenzt, sodass nicht mehr bleibt als eine unmotiviert wirkende rudimentäre und strukturalistisch betrachtet stets identische Rahmenhandlung. Demgegenüber steht eine Vielzahl an interaktiven Möglichkeiten, die für die Spiele dieser Reihe kennzeichnend sind (wie Pokémon fangen, sammeln, trainieren, gegen andere Trainer kämpfen etc.). Digitale Spiele wie Beyond: Two Souls (Quantic Dream 2013) hingegen beschränken die interaktiven Optionen des Spielenden so stark, dass die Interaktionen teilweise nur noch als Plausibilisierung für die Wahl des nächsten Zweiges des multilinearen Plots erscheinen, weshalb häufig die Kritik geäußert wird, dass derartige digitale Spiele keine digitalen Spiele mehr seien, da sie sich dem Narrativen des Films zu sehr annähern, sich in diesem zu verlieren drohen.

Neben der internarrativen Bestimmung von Einzeltiteln kann man auch Untersuchungen durchführen, die eine Positionierung von ganzen Spielgenres auf der Skala der Internarrativität ermöglichen (ausgehend von den bestimmenden Charakteristiken bzw. Handlungsmustern, die unten ausführlicher besprochen werden und die das jeweilige Genre zu dem machen, was es ist). Zum Beispiel kann man Shooter, auch wenn sie auf Narrative zurückgreifen, eher in Richtung des interaktiven Pols einordnen, da die Narrativität nur eine periphere Bedeutung in diesen Spielen einnimmt. Hier dominiert das interaktive Handlungsmuster ‚Schießen‘. Interaktive Filme hingegen sind tendenziell eher narrativ bestimmt, weswegen der Interaktivität nur eine nachrangige Stellung bei von solchen Filmen geprägten Spielen zukommt. Diese Spiele bestechen qualitativ wie quantitativ durch zahl- und umfangreiche narrative Elemente wie Cutscenes. Zudem gibt es aber Spielgenres wie das Adventure oder das Role-Playing Game, die vielleicht am ‚internarrativsten‘ sind, da sie ein Gleichgewicht zwischen interaktivem und narrativem Pol herzustellen versuchen, also in der Mitte zwischen beiden Polen anzusiedeln sind. Dies liegt an der ausgeprägten Symbiose interaktiver wie narrativer Aspekte, die in diesen Spielen zusammengeführt werden. Von der Attributebene kommt man zu den darunter liegenden Ebenen nur, indem man selektiert. Um von der Attribut- auf die Ordnungsebene zu gelangen, muss der Spieldesigner aus der Internarrativität als Summe aller Internarrative einzelne Elemente auswählen, um das konkrete Internarrativ zu gestalten. Beim Übergang von der Ordnungsebene auf die Handlungs- und Realisierungsebene wählt der Spieler Aspekte aus dem Internarrativ aus, die er als seine Internarration realisieren möchte. Das bedeutet, dass das Internarrativ zwar eine Konkretisierung gegenüber der Internarrativität, aber gegenüber der Internarration immer noch ein Potenzial darstellt, da das Internarrativ verschiedene Internarrationen ermöglichen sollte, um den großen Erwartungen der Spieler wie auch dem Charakter digitaler Spiele Rechnung zu tragen. Digitale Spiele sind als Medium sehr stark auf Wiederholbarkeit ohne Wiederholung angelegt, sodass der Spieler ein bestimmtes Spiel immer wieder spielen kann, ohne dass er ständig ein- und dieselbe Internarration erlebt. Zum anderen zeigt sich beim Wechsel von der Ordnungs- auf die Handlungs- und Realisierungsebene ein Wechsel der Selektionsinstanz. Beim Internarrativ entscheidet der Designer, welche Elemente der höheren Ebene relevant sind und ins Internarrativ integriert werden, wohingegen bei der Internarration der Spieler bestimmt, wie er seine internarrative Gamesession gestaltet. Zwischen Internarrativ und Internarration wechselt somit die Selektionsinstanz von der Produzenten- zur Rezipientenseite, was zahlreiche Synergien erzeugen kann, wie sie in anderen ‚Neuen Medien‘ unter den Stichworten ‚wreader‘ oder ‚kollaborative Autorschaft‘ untersucht werden.

Innerhalb des Internarrativs wirken Interaktiv und Narrativ wechselseitig aufeinander ein, indem das Narrativ eine Begrenzung der interaktiven Optionen des Spielers plausibilisiert oder anleitet. Das Interaktiv öffnet die erzählte Geschichte, räumt dem Spieler mehr Autonomie gegenüber dem Narrativ ein und wertet die partizipative Rolle des Spielers dadurch auf. Im Zusammenspiel zwischen Interaktiv und Narrativ geschieht der Ausgleich zwischen der Offenheit des (digitalen) Spiels und der Geschlossenheit der Handlung. Das Internarrativ etabliert ein Narrativ und kreiert gleichzeitig durch eine räumliche Anlage der Narration die fiktional-virtuelle Spielwelt digitaler Spiele.14 Programmcode, Algorithmen, Spielregeln und -mechaniken, Interfaces, Kommunikationsangebote (Kommunikation mit Player- oder Non-Player-Characters), die spieltypischen Handlungsmuster (wie Schießen im Shooter oder Kämpfen im Beat’em up) und die sozialen Strukturen der Spielwelt bieten ein Set aus interaktiven Handlungsoptionen, das im Interaktiv mit dem Ziel der Interaktionsanregung wie -begrenzung wirkt. Der Spieldesigner bestimmt durch seine Gewichtung innerhalb des Internarrativs, ob sich das digitale Spiel eher dem interaktiven oder dem narrativen Pol annähert. Das bedeutet, dass eine Skaleneinordnung auf der Ordnungsebene ebenso möglich ist wie auf der Attributebene, allerdings mit dem Unterschied, dass das Internarrativ wesentlich konkreter ist, weil eine Fokussierung der Betrachtung beim Ebenenwechsel entsteht. Im Vergleich zur Attributebene kann die Ordnungsebene detailliertere Fragen stellen. Welche interaktiven Optionen hat der Spieler im Allgemeinen? Was erlaubt und was versagt der Programmcode? Welche Narrative sind präsent und wie sind sie verwoben? Plausibilisieren sich Interaktiv und Narrativ gegenseitig?

Die Internarration ist im Prinzip nichts Anderes als die Frage danach, wie der Spieler mit dem Internarrativ, das er vorfindet, interagiert. Der Spieler entscheidet durch Selektion, welche Komponenten des Interaktivs wie Narrativs er umsetzt, welche nicht und wie er sie umsetzt. Durch diese Interaktion von Spieler und Internarrativ werden erst im Verlauf des digitalen Spiels die Narration und die Interaktion produziert, die zusammen die Internarration des Spielers bilden. Im Kontext der Internarrativität ist es wichtig, sich von der Vorstellung traditioneller narrativer Medien und ihrer dominierenden Stellung als Kulturtechnik der westlichen Gesellschaften zu lösen, und das nicht nur, um zu betonen, dass der Spieler durch seine virtuellen wie realen Interaktionen im digitalen Spiel bestimmt, wie das Spiel weitergeht, somit also die dominante Kraft innerhalb des Systems darstellt, sondern um herauszustellen, wie bedeutend die subjektive Interpretation des Narrativs durch den Spieler ist.15 In den ‚Neuen Medien‘, die Interaktivität und Narrativität in sich zu vereinen vermögen, ist eine Veränderung der Narrative und der Narrationen zu beobachten, wie Konstruktivisten sie propagieren. Ein Narrativ ist nicht mehr die bestimmende Institution der narrativen Struktur, die alles determiniert. Die Narrative haben sich geöffnet, um den ästhetischen Anforderungen einer postmodernen Populärkultur zu entsprechen, die Ambivalenz, Ambiguität und Mehrfachcodierung zu Maximen erhoben hat. Es gibt nicht mehr die eine Narration, die eine Lesart (wenn es die zuvor überhaupt jemals tatsächlich gab), sondern eine Vielzahl möglicher Lesarten (auch wenn die Differenzen marginal sind oder scheinen mögen). Der Rezipient hat sich emanzipiert und verlangt sein Recht auf Mitbestimmung der Diegese, was einen sehr kritischen und diskussionsfreudigen ‚Leser‘ bedingt, der in seiner Extremform eine Autorfunktion übernimmt, wenn er im Zuge der Fanfiction an seinem geliebten Objekt mitschreibt oder durch ‚Modding‘ Spiel und Spielwelt digitaler Spiele seinen Vorstellungen anpasst und diese mit anderen Interessierten teilt.

Auch bei der Internarration lässt sich der Grad der Ausgeprägtheit des Verhältnisses zwischen den Polen skalieren. Leitend ist dabei die Frage, welchen Pol der Internarration der Spieler eher umsetzt oder ob er ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Kräften herzustellen sucht. Das liegt allein in der Kompetenz des Spielers und der Art und Weise, wie er die ihm (vom Designer) gegebenen Vorgaben der Spielregeln, des Programmcodes oder der Narrative umsetzt. Die Analyse der Internarration lässt sich beispielsweise mediensoziologisch adäquat und anschaulich durchführen, was aus Platzgründen hier leider unterbleiben muss. Dennoch soll das Modell näher erläutert werden, wobei die Internarrativität (Attributebene) außer Acht gelassen wird. Untersucht wird insbesondere das Internarrativ, das als vermittelnde Instanz zwischen Internarrativität und Internarration eine genauere Betrachtung verdient und im folgenden Abschnitt anhand von Beispielen in seiner Bedeutung präzisiert werden soll. Es werden zwei aktuell populäre Internarrative vorgestellt und deren Funktionsweisen kurz skizziert.

Gegenwärtige Internarrative

Ein Vorteil der Internarrativität besteht darin, dass ein häufig gegen die Interaktivität als Konzept ‚Neuer Medien‘ vorgebrachter Einwand entkräftet werden kann. Ein Hauptkritikpunkt an der Interaktivität ist, dass sie eine Ähnlichkeit zur sozialen Interaktivität andeute, die nicht gegeben sei, da die soziale Interaktion dem realen Menschen viel mehr Freiheiten einräume als der Computer, der durch seinen Programmcode die Optionen des Spielers stark einschränke, sodass der Spieler letztlich immer ein Spielball der Designerintentionen bleibe und nie so frei interagieren könne wie im sozialen Raum. Ob dies in der sozialen Realität wirklich der Fall ist, ist eine ganz andere Frage, entscheidend ist, dass man das Zusammenfallen von Produzentenintention und Rezipientennutzung aufbricht, indem man sie auf zwei verschiedenen Ebenen ansiedelt. Denn niemand kann gegenwärtig bestreiten, dass der (intendierte) Spieler von den vordefinierten Grenzen, die Designer und Programmierer ihm vorgeben, abhängig ist. Entscheidend ist doch aber vor allem, was der Spieler aus dem vorhandenen Rahmen macht, wie es auch in der sozialen Realität beim Heranwachsen eines Menschen nicht nur bedeutend ist, welchen sozialen Status die Eltern eines Kindes haben, sondern was das Kind mit diesen vorliegenden Bedingungen anzufangen weiß. Ein vorgegebener Kontext erlaubt keine endgültige Aussage über das mögliche Resultat einer darin stattfindenden Handlung, da dieses erst im Prozess seine Form erlangt. So verhält es sich auch im digitalen Spiel. Die Internarration des Spielers hängt zwar von der Gestaltung des Internarrativs des Designers ab, aber diese lässt doch unzählige Möglichkeiten offen, die eine interaktive Struktur etablieren.

Neben allen Potenzialen, Angeboten und Optionen ist eine Steuerung des Rezipienten notwendig, die bei digitalen Spielen mit Open-World-Prinzip und multilinearen Verläufen nur umso dringender wird. Das Internarrativ darf also nicht nur eine Öffnung des Spiels herbeiführen, sondern es muss dem Spiel auch eine Ordnung bieten, indem es den Spieler leitet.16 In diesem Zusammenhang ist das Zusammenspiel zwischen Interaktiv und Narrativ von signifikanter Bedeutung. Zwischen beiden muss eine Korrespondenz vorherrschen, damit eine Konvergenz möglich wird. Im Sinne des Internarrativs muss das Narrativ zwei wichtige Merkmale erfüllen – es muss bekannt sein, sodass es leicht erkannt werden kann, und es muss ein Figurenpersonal aufweisen, das ebenso populär ist. Denn (im Vergleich zum klassischen Narrativ) liegt die Steuerung der Figuren nicht mehr beim Autor, sondern beim Spieler. Das bringt die Schwierigkeit mit sich, dass der Spieler die Figuren theoretisch gegen den Sinn der Geschichte steuern könnte. So kann der Spieler (für den Fall, dass der Programmcode es nicht unterbinden sollte) mit seinem Avatar einen Non-Player-Character töten, der dann aber im Fortgang der Handlung eine entscheidende Rolle einnähme, die nun nicht mehr erfüllt werden könnte. Wie das System darauf reagiert, ist an dieser Stelle sekundär. Wichtig ist aber, dass es definitiv eine Störung in der interaktiven Struktur des digitalen Spiels zwischen Spieler und System wäre, die es zu vermeiden gilt. Dies kann das Internarrativ umgehen, indem es ein Narrativ aufgreift, das nicht nur bekannt ist, sondern auch klare Figurenkonzeptionen und -konstellationen aufweist. Der Spieler kennt und erkennt das Narrativ sowie die entworfenen Figuren. Tendenziell wird der Spieler dazu neigen, die ihm vertrauten Rollenzuschreibungen der Figuren (moralischer Wertehorizont, Verhaltensweisen etc.) vom Narrativ auf seinen Avatar zu transferieren, d.h. er verhält sich nach bestimmten Regeln, auch wenn diese nicht direkt in den Spielregeln oder dem Programmcode festgelegt sind.

Im Gegenzug erlaubt das Interaktiv bevorzugt Interaktionen, die im Sinne des Narrativs logisch sind und dieses weiter plausibilisieren. Dazu muss das Interaktiv die Optionen des Spielers zwar einschränken, damit das Zusammenspiel mit dem Narrativ gelingt, darf dies aber nicht zu stark machen, da andernfalls die Gefahr droht, dem Spieler den Freiraum für ‚seine‘ Internarration zu nehmen. Interaktiv und Narrativ sind im Internarrativ deshalb permanent um einen Ausgleich zwischen beiden Polen bemüht, um dem Spieler einen optimalen Rahmen für seine konkrete Internarration anzubieten. Als Narrativ im Internarrativ ist nicht jedes Narrativ gleichermaßen geeignet, sondern es sind primär solche Narrative, die schon von ihrer Anlage her mit Handlungsmustern verbunden sind, durch die eine Übersetzung vom Narrativ zum Interaktiv überhaupt realisierbar ist. Das Vorhandensein eines solchen Handlungsmusters ist das dritte wichtige Merkmal eines Narrativs im Internarrativ. Es sollte klare Aktionen umfassen, die intuitiv erkannt und imitiert werden können. Zur besseren Veranschaulichung ein Beispiel: Die Tomb Raider-Spiele (Core Design / Crystal Dynamics 1996ff.) verwenden ein Narrativ, das der Rezipient aus populärkulturellen Filmreihen wie Indiana Jones (Steven Spielberg 1981ff.) oder Die Mumie (Stephen Sommers / Rob Cohen 1999ff.) bestens kennt. Der Protagonist ist ein Schatzjäger, der durch die ganze Welt auf der Suche nach einem riesigen Schatz eilt, wobei ihn unzählige natürliche wie übernatürliche Gegner verfolgen. Das dominierende Handlungsmuster ist hierbei das ‚Suchen‘ bzw. das ‚Suchen und Kämpfen‘ und somit ein Handlungsmuster, das sich sehr gut auf digitale Spiele übertragen lässt, indem man es in einem passenden digitalen Spielgenre wie dem Action-Adventure umsetzt. Ist solch ein Handlungsmuster nicht einem Narrativ inhärent, dann lässt es sich nicht oder kaum in die hybride Struktur internarrativer digitaler Spiele übersetzen. Wie problematisch eine fehlende transmediale Übersetzbarkeit sein kann, haben (in die andere Richtung) zahlreiche Verfilmungen digitaler Spiele gezeigt. Diese geraten bei Spielern schnell in die Kritik, wenn sie daran scheitern, das spielprägende Handlungsmuster ins filmisch-narrative Medium zu übertragen.

Entgegen mancher Bedenken, die im Zusammenhang der Narratologen-Ludologen-Debatte artikuliert wurden, sind Interaktivität und Narrativität in digitalen Spielen durchaus zu vereinen und hieraus ergeben sich auch sehr fruchtbare Effekte, allerdings ist diese Symbiose mit gewissen Problemen verbunden, die im Gamedesign überwunden werden müssen. Als Beleg für das Gelingen der Internarrativität kann man zahlreiche Internarrative anführen, die sich im Bereich der internarrativen digitalen Spiele bereits durchgesetzt haben und immer wieder Verwendung finden. So lassen sich die Zombieapokalypse und die Superheldengeschichte als erfolgreiche Internarrative ausmachen. Beispiele für das Internarrativ Zombieapokalypse sind die neueste digitale Spielumsetzung von The Walking Dead (Telltale Games 2012), der Survival-Klassiker Resident Evil (Capcom 1996ff.) oder The Last of Us (Naughty Dog 2013). Das populärste Exempel für die Superheldengeschichte in den letzten Jahren sind die Spiele der Batman-Arkham-Reihe (Rocksteady Studios / Warner Bros. Games Montréal 2009ff.) . Alle diese Spiele etablieren klar strukturierte Narrative, mit eindeutigen Figurenkonstellationen und -konzeptionen sowie festgeschriebenen Handlungsmustern. Bei der Zombieapokalypse wird die Spielwelt von Zombiearmeen (oder zombieähnlichen Massen) überrannt, die die Menschheit auf ein Minimum reduzieren, ehe der Plot einsetzt und die wenigen verbliebenen Menschen versuchen, ihren drohenden Untergang noch abzuwenden.17 Die Aufteilung der Figuren ist schematisch: Es gibt eine Gruppe von wenigen Menschen, die gegen viele Zombies einen scheinbar aussichtslosen Kampf bestreitet. Innerhalb der menschlichen Gruppe treten viele stereotype Figuren auf, die mehr oder weniger dynamisch sind (meistens gibt es den Draufgänger, den besonnenen Anführer, die schutzbedürftige Frau etc.). Das Narrativ liefert dem Interaktiv hierdurch viele Anschlussmöglichkeiten, die der Spieler dann in der Internarration umsetzen kann. Das Interaktiv kann beispielsweise sehr offene kommunikative Strukturen bieten, die Waffenwahl zum Ausschalten der Gegner der Kreativität des Spielers überlassen oder eine möglichst freie räumliche Interaktion via Navigation in der Spielwelt erlauben. Zudem, und das ist entscheidender, weiß der Spieler, selbst wenn er noch nie irgendein Survival Game gespielt hat, durch das Narrativ, wie er zu handeln hat, wie er mit dem System interagieren muss. Der Spieler ist in der Rolle des ohnmächtigen Opfers, das fliehen muss, um sich den schieren Gegnermassen zu entziehen, die allein durch Waffengewalt nicht zu überwinden sind. Diese Spiele konfrontieren Spieler mit der Hilflosigkeit gegenüber einem großen gesichtslosen Kollektiv und leiten hieraus ihr Spielprinzip und ihre Spielmechaniken ab.

Bei der Figur Batman ist dies ähnlich. Auch hier gibt es ein Narrativ, das in verschiedenen (sehr minimalen) Variationen die immer gleiche Geschichte vom Kampf des moralisch Guten gegen den verkommenen Bösen erzählt, wobei die Superheldenfigur durch besondere Kräfte oder technische Gerätschaften eine Aufwertung erfährt, die sie gegenüber ihrem Gegner im Kampf meistens überlegen macht, sodass dieser sie nur durch Rücksichtslosigkeit und Intrige übertrumpfen kann. Die stereotypen Figuren sind abgesehen von ein paar Grenzgängern durch eine dichotomische Aufteilung zwischen Gut und Böse stets leicht einem der beiden Pole zuzuordnen, und auch die schematischen Handlungsmuster sind leicht wiedererkennbar. Der Spieler muss, will er Batman sein, sich wie Batman verhalten, er muss die moralischen Werte wie Verhaltensweisen des Superhelden übernehmen und annehmen, damit er (dem Handlungsmuster gemäß) seine Widersacher überwinden kann. Die Unterschiede zwischen den beiden Beispielen liegen jedoch darin, dass die Anlage des Interaktivs eine andere ist, obwohl beide ihre Figuren und deren Handlungsmuster vom Narrativ aus übertragen. Jedoch unterscheiden sich die Handlungsmuster durch die Rolle, die die Protagonisten im Narrativ haben. Batman ist der Held, der allein die Welt retten kann, der ‚stark und mutig‘ ist und den die Bösen fürchten, wohingegen die Figuren in der Zombieapokalypse zwar auch stark sein müssen, aber nur weil äußere Bedrohungen sie dazu zwingen, ansonsten sind sie es nämlich, die sich fürchten. Ohne die drohende Vernichtung durch Zombiehorden würden diese Figuren statisch bleiben wie Batman, dessen Entwicklungen als Figur im Laufe des Plots, wenn sie denn vorkommen, meistens nur oberflächlich und ephemer sind. Batman ändert seine Einstellung nicht, unter keinen Umständen eine Waffe zu benutzen, während selbst die schutzbedürftige Frau in der Zombieapokalypse gegen Ende meistens zur Waffe greift, um ihr Überleben und das ihrer Mitstreiter zu retten. Somit wird klar, dass nicht nur die Übersetzbarkeit des Handlungsmusters vom Narrativ zum Interaktiv im Internarrativ entscheidend ist, sondern auch die Dynamik bzw. Statik der Figuren, die einerseits die figurale Anlage im Internarrativ betrifft, die andererseits aber auch die Realisierung der narrativen Figur als Avatar in der Internarration des Spielers maßgeblich beeinflusst.

Die Handlungsmuster, die das Narrativ vermittelt, sind also ebenso entscheidend für das Interaktiv wie die Statik oder Dynamik der Figuren. Beides hat direkte Auswirkungen auf das Interaktiv. So legt das Handlungsmuster des Narrativs fest, welchem Genre ein digitales Spiel zuzurechnen ist, und die Entwicklungsfähigkeit der Figuren hat unmittelbare Folgen dafür, wie der Spieler aus der narrativen Figur seinen Avatar gestaltet. Die Handlungsmuster beider genannten Beispiele sind zwar agonal im Sinne Caillois’, unterscheiden sich aber durch die Rolle der Protagonisten. In der Zombieapokalypse ist die Übermacht der Gegner so groß, dass die Figuren in der Regel nur entweichen können, bevor sie in eine so ausweglose Situation geraten, dass eine Verteidigung unvermeidlich wird. Dadurch wird das Spiel sehr stark von einer permanenten Fluchthandlung bestimmt, sodass sich diese Internarrative besonders eignen, um in einem Survival Game umgesetzt zu werden. Batman hingegen ist seinen Gegnern im Kampf eindeutig überlegen, sodass die Handlung eine Konfrontation mit dem Antagonisten möglichst lang hinauszögern muss, da diese unausweichlich mit der Niederlage des Antagonisten und dem Ende des aktuellen Plots endet.18 In diesem Sinne muss Batman also nicht fliehen, sondern jagen. Diese Jagdhandlung wird in der Regel (auch bedingt durch die Ursprünge dieses Comics in der populärkulturellen Detektivgeschichte der 1930er Jahre) zu einer Spurensuche, bei der Batman allen möglichen Hinweisen nachgeht, um zum Antagonisten zu gelangen. Häufig befindet er sich dabei auf der Suche nach neuen Artefakten, die er benötigt, um seinen Widersacher zu fassen. Insofern ist dieses Narrativ besonders geeignet, um in ein Action-Adventure übertragen zu werden, weil hier die Suche nach Items, das Lösen von Rätseln und die Erkundung des Raumes zu Genremaximen geworden sind.

Die kurze Erläuterung der beiden Beispiele konzentriert sich primär auf die Übertragung vom Narrativ zum Interaktiv, weil das Narrativ in diesen Spielen eine große Bedeutung einnimmt. Erklärbar wird dieser Vorrang dadurch, dass diese Spiele (wie andere erfolgreiche internarrative digitale Spiele auch) in der Regel noch sehr an geschlossenen und relativ festgefügten Narrativen orientiert sind. Das Testen und Herausfordern der Fertigkeiten und Fähigkeiten des Spielers erfolgt nicht narrativ, sondern interaktiv. Anscheinend traut man dem Spieler nicht zu, auch mit narrativer Offenheit umzugehen. Derartige ‚experimentelle‘ digitale Spiele, bei denen sich der Spieler über die narrativen Vorgaben schlicht hinwegsetzen kann, sind gegenwärtig noch sehr selten. Als Beispiel hierfür können aktuell lediglich digitale Spiele wie The Stanley Parable (Davey Wreden / Galactic Cafe 2011 / 13) dienen, die aber alles andere als kommerziell erfolgreich und weithin bekannt sind.

Grenzen und Möglichkeiten der Internarrativität

Wie jeder theoretische Ansatz hat auch die Internarrativität ihre Grenzen. Die offensichtlichste ist dabei die Narrativität, da nicht alle digitalen Spiele narrative Elemente enthalten, somit also nicht narrativ im Sinne der Narrativität sind und die Internarrativität nur auf digitale Spiele anwendbar ist, die narrative Elemente umfassen. Durch die Fokussierung der Internarrativität auf die Narrativität als mediale Eigenschaft wird bewusst die Narration als Bezeichnung für einen retroperspektivischen Darstellungsmodus ausgeschlossen. Der Grund hierfür sind analytische Ungenauigkeiten, die entstehen können, weil Narration als Kulturtechnik die Eigenschaft besitzt, stark vereinfachend gesagt, im Prinzip jedes Phänomen in der Retroperspektive erzählerisch fassen und vermitteln zu können. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass das entsprechende Phänomen auch narrativ im Sinne der Narrativität sein muss. Um diesem möglichen Trugschluss vorzubeugen, verzichtet die Internarrativität auf die Einbeziehung dieser Form der Narration. Somit wird aber ein Aspekt der Narration als retroperspektivischem Darstellungsmodus ausgeschlossen, der als Gegenstand der Internarrativität sehr fruchtbar sein könnte und der oben schon angeklungen ist. Der Ausbau von bestehenden Narrationen via Fanfiction oder Modding. Diese stellen einen Sonderfall der Narration als retroperspektivischem Darstellungsmodus dar, da sie keine rein wiederholende, sondern auch eine schaffende Dimension haben. Dies schließt aber keineswegs Ansätze wie Gordon Callejas ‚Alterbiografie‘ aus, da hier erstens eine Offenheit gegenüber Narrativ und Narration vorhanden ist, die den Spieler zur Konstruktion seines eigenen Narrativs anregt, und weil die Konstitution des Narrativs zweitens nicht im Nachhinein geschieht, sondern simultan mit der Spielsession.

Auch die medialen wie materiellen Grenzen der Internarrativität sind noch nicht eindeutig bestimmbar. Sind nur digitale Spiele internarrativ oder auch andere digitale Medien wie Hypermedia oder Enriched E-Books? Sind vielleicht auch analoge Medien oder Phänomene internarrativ wie Pen-&-Paper-Rollenspiele oder Trading Card Games wie Magic: The Gathering (Richard Garfield 1993ff.), die durch transmediale Franchises neue Wege der Verschränkung von Spiel und Erzählung entwickeln? Im Allgemeinen stellt sich also die Frage, auf welche Phänomene und Medien man den Begriff der Internarrativität angemessen anwenden kann, ohne die Reichweite des Konzeptes zu überschätzen. Zudem ist die Internarrativität noch im Entstehen, sodass eine fortgesetzte Ausdifferenzierung des Modells dringend notwendig scheint. Diese Modifikation betrifft sowohl die vertikale Achse der Konkretisierung als auch die drei horizontalen Ebenen. Die Beziehungen zwischen den Ebenen wie zwischen den Polen bedürfen einer weiteren Präzisierung.

Jedoch bietet das Konzept der Internarrativität viele Chancen, indem es die Ästhetik wie die Prozesse internarrativer digitaler Spiele klarer beschreibbar macht, indem es verschiedene Aspekte analytisch voneinander trennt, dabei aber nicht ihre tatsächliche Verbindung innerhalb hybrider digitaler Spiele ignoriert. Die Internarrativität möchte Vorgänge in digitalen Spielen analytisch beobachtbar machen, die sich bisher nur schwer beschreiben lassen. Gerade durch die Fokussierung des symbiotischen Charakters internarrativer digitaler Spiele und deren Synergien, möchte die Internarrativität einen Beitrag zu den Digital Game Studies im literatur- und medienwissenschaftlichen Bereich leisten. Interessant sind in diesem Kontext Spielmechaniken wie das Quick Time Event, welches die Gleichzeitigkeit von Interaktion und Narration nicht nur erlaubt, sondern verlangt. Durch das Quick Time Event wird die gegenseitige Abhängigkeit des interaktiven wie narrativen Pols voneinander deutlich. Die Narration der Cutscene schreitet nur dann voran, wenn dementsprechend interagiert wird bzw. sich der Fortgang der Narration nach dem Ergebnis der Interaktion richtet. Die Interaktion findet beim Quick Time Event nur narrativ eingebettet statt und kann lediglich so ablaufen, wie es das Zusammenspiel mit der Narration gestattet.

Die Notwendigkeit zur Bildung hybrider Theoriemodelle, die die symbiotische mediale Form wie die synergetische Ästhetik von Medien in den Blick nehmen, betrifft nicht nur digitale Spiele, sondern zunehmend weitere Medien in einer konvergenten Medienkultur, die besonders im Zuge der Postmoderne kaum mehr auf Ambiguitäten, Ambivalenzen und Hybridisierungen verzichten kann. Gegenwärtig treten immer mehr transmediale Welten und komplexe artifizielle Erzeugnisse in Erscheinung, die zu Rhizomen werden, welche Rezipienten wie Forscher gleichermaßen herausfordern, zugleich aber auch neue mediale und künstlerische Wege eröffnen. Die lineare Struktur und die Geschlossenheit der traditionelleren Kunstwerke lösen sich in offenen Netzwerken auf, deren Zentrierung wie Sinnaufbau zusehends in den Händen des Rezipienten liegt. Das führt aber noch nicht zwangsläufig zu einem Zeitalter der vielfach ausgerufenen und verrufenen ‚postmodernen Beliebigkeit‘, vor der jede Sinnsuche und jede Analyse Halt machen müssten. Es bedeutet lediglich, dass eine Modifikation bestehender Modelle erforderlich ist, um die medialen Spezifika dieser ‚Neuen Medien‘ fassen zu können. Das Konzept der Internarrativität möchte einen Schritt in diese Richtung machen.

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Kai Matuszkiewicz, M.A.
Georg-August-Universität Göttingen
DFG-Graduiertenkolleg 1787
Literatur und Literaturvermittlung im Zeitalter der Digitalisierung
Heinrich-Düker-Weg 12
37073 Göttingen
E-Mail: kai.matuszkiewicz@phil.uni-goettingen.de

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1 Das Konzept der Internarrativität ist ein ‚work in progress‘ und somit in seinem Aufbau wie in seinen analytischen Funktionsweisen noch nicht in sich abgeschlossen. Es entsteht im Rahmen meines Dissertationsprojektes zum Mythos als Internarrativ in digitalen Spielen am Beispiel der Action-Adventure-Reihe The Legend of Zelda (Nintendo EAD 1986ff.) im GRK 1787 „Literatur und Literaturvermittlung im Zeitalter der Digitalisierung“ an der Georg-August-Universität Göttingen. Das vorliegende Modell wird dementsprechend an digitalen Spielen im Einzelspielermodus entwickelt, um die Konstruktion der Internarrativität zu vereinfachen. Geringfügig modifiziert und den komplexen Interaktionsstrukturen von Mehrspielersituationen Rechnung tragend kann das Modell aber auch auf Spiele im Mehrspielermodus oder Online-Spiele übertragen werden.

2 Lediglich das Adjektiv „internarrativ“ bezieht sich im Folgenden stets auf die attributive Dimension. Zudem ist „Internarrativität“ bei den Ausführungen zur Attributebene (siehe unten) immer als Eigenschaft gemeint.

3 Einen guten Überblick zur Narratologen-Ludologen-Debatte anhand der Positionen ihrer prominentesten Vertreter bietet Eskelinen 2012, 209-233.

4 Jedoch gibt es auch medientheoretische Positionen im Kontext der Theorie der ‚Neuen Medien‘, die den Begriff Interaktivität ablehnen, da sie ihn als zu weit befinden, um analytisch einen Mehrwert zu besitzen. Vgl. dazu exemplarisch Lev Manovich 2001, 55.

5 Stephan Günzel bemerkt zur Bedeutung der visuellen Komponente in Bezug auf den interaktiven Charakter digitaler Spiele: „Computerspiele sind in erster Linie Bilderscheinungen und als solche deutlich von Literatur, Film und auch von anderen Spielen unterschieden. Daher liegt die Besonderheit auch nicht allein in der Interaktivität, da es diese ja bereits auch zwischen spielenden oder kommunizierenden Menschen gibt, sondern sie liegt in der Manipulationsmöglichkeit des interaktiven Bildes selbst“ (Günzel 2013, 382f.). Diese bildorientierten Ansätze bringen aber freilich das Problem mit sich, dass sie ihre Aussagekraft verlieren, sobald man Phänomene wie akustische digitale Spiele betrachtet.

6 Das bedeutet aber keinesfalls, dass narrativer und ludischer Modus identisch seien.

7 Rimmon-Kenan hebt ebenso den prozessualen Charakter der Narration hervor. Vgl. Rimmon-Kenan 1983, 3.

8 Auch Rimmon-Kenan sieht in der Narration einen kommunikativen Akt. Vgl. Rimmon-Kenan 1983, 2.

9 Martin Sallge legt in seiner Studie, die auf einer Online-Umfrage von 517 Spielern beruht, dar, dass Gameplay das wichtigste Kriterium für das Spielen digitaler Spiele sei, erst danach komme die „Story“ (Sallge 2010, 86).

10 Hierbei unterscheidet sich die Stoßrichtung dieses Narrativverständnisses von bewährten Verfahren. So gewinnt Vladimir Propp die Struktur des russischen Zaubermärchens, indem er konkrete Narrationen bzw. Märchen analysiert und aus diesen die signifikanten Funktionen (mit Barthes gesprochen: Kardinalfunktionen) herausarbeitet. In meinem Modell leitet sich das Narrativ also nicht von ‚unten‘ (aus der Narration) ab, sondern von ‚oben‘ (aus der Narrativität).

11 Zur Übertragung der realen lebensweltlichen Regeln auf die Spielwelt sowie deren Anwendung in dieser vgl. Juul 2005.

12 Beide Begriffe gehen auf Roger Caillois zurück, der mit paidia das freie Spiel und mit ludus das strikte und reglementierte Spiel bezeichnet (vgl. Caillois 1958). Gonzalo Frasca profiliert beide Termini deutlicher, indem er darauf aufmerksam macht, dass auch paidia-Spiele Regeln folgen, sodass hierin nicht der Unterschied zwischen paidia und ludus auszumachen sei. Dieser liege vielmehr darin, dass ludus-Spiele immer ein vorher absehbares und klares Ergebnis haben, während dies bei paidia-Spielen nicht der Fall sei (vgl. Frasca 1999).

13 Die einzigen beiden Punkte, an denen eine Verortung auf der Skala nicht möglich ist, sind der interaktive und narrative Pol, da dies die symbiotische Dimension internarrativer digitaler Spiele bzw. im Falle des narrativen Pols sogar die Existenz des digitalen Spiels an sich negieren würde.

14 Bereits Henry Jenkins macht auf die Auswirkungen des Raumdesigns auf die Narration in digitalen Spielen aufmerksam und fordert, dass Spieldesigner eher Architekten als Erzähler seien sollten (vgl. Jenkins 2004).

15 Interessante neuere Überlegungen zum interaktiven Umgang des Spielers mit Narrativen in digitalen Spielen legt unter anderem Gordon Calleja vor: „I am using the latter term [alterbiography] here to refer to the here and now interactions with the game environment that generate story through the players’ interpretation of events occurring within the game environment, their interaction with the game rules, human and AI entities and objects“ (Calleja 2009). Mit dem Konzept der Alterbiografie lenkt Calleja die Aufmerksamkeit weg vom Narrativ, das vom Designer angelegt wurde, und fokussiert stattdessen die Narration, die der Spieler während seines Interagierens mit dem Spiel entwirft.

16 So kann die Narration in digitalen Spielen eingesetzt werden, um die Navigation durch die Spielwelt zu plausibilisieren und somit letztlich die verschiedenen Varianten in der Wahrnehmung des Spielers zu limitieren.

17 In den letzten Jahren lässt sich zunehmend beobachten, dass sich das Zombie-Genre in populärkulturellen Medien immer deutlicher von seinen religiösen und mythischen Ursprüngen entfernt und sich dem gängigen Paradigma der Weltdeutung durch die Naturwissenschaften angleicht. Der deutlichste Ausdruck hierfür ist, dass die Zombies in den seltensten Fällen durch Voodoo-Zauber entstehen, sondern in der Regel Erkrankte sind, die von einem Virus befallen werden, der physischen wie psychischen Verfall so weit befördert, dass die Betroffenen zu lebenden Toten werden.

18 Alternativ kann man Batman auch temporär schwächen, indem man ihm seine Ausrüstung nimmt, sodass er diese erst Schritt für Schritt einsammeln muss, um es letztendlich mit seinem (End-)Gegner aufnehmen zu können. Exemplarisch kann man hier Batman: Arkham City (Rocksteady Studios 2011) nennen.