Stefan Schubert

Mit Geschichten spielen

Sebastian Domschs Storyplaying als Ansatz zur Analyse von Narrativität in Videospielen

Sebastian Domsch: Storyplaying. Agency and Narrative in Video Games. Berlin / Boston: Walter de Gruyter 2013 (= Narrating Futures Bd. 4). 190 S. EUR 69,95. ISBN 978-3-11-027216-1

In seiner Monographie Storyplaying befasst sich Sebastian Domsch mit dem Zusammenhang von Videospielen und Narrativen (bzw. Narrativität). Das Werk ist Teil einer fünfbändigen, von Christoph Bode bei de Gruyter herausgegebenen Reihe zum Thema „Narrating Futures. Domschs Band stellt einen Ansatz vor, um Videospiele als so genannte Zukunftsnarrative (future narratives) zu verstehen und behandelt vor allem die Fragen, inwiefern Videospiele narrative Elemente beinhalten und wie wählbare Entscheidungen, Nonlinearität und Handlungsfähigkeit (agency) im Spiel mit Narrativität vereinbar sind. Im Folgenden sollen die verschiedenen Kapitel des Buches kurz vorgestellt und anschließend Domschs Studie im Kontext von Narratologie und game studies beurteilt werden.

Einführung

In der Einleitung positioniert Domsch seinen Band als Teil eines größeren Forschungsprojektes zur Untersuchung von Zukunftsnarrativen. Entsprechend übernimmt Domsch die Bestimmung von Christoph Bode und Rainer Dietrich, die Zukunftsnarrative wie folgt definieren:

[T]his new kind of narrative […] does not only thematise openness, indeterminacy, virtuality, and the idea that every ‚now‘ contains a multitude of possible continuations. No, it goes beyond this by actually staging the fact that the future is a space of yet unrealised potentiality – and by allowing the reader/player to enter situations that fork into different branches. (Bode / Dietrich 2013, 1; das Zitat bei Domsch S. 1)

Als kleinste Einheit arbeiten Zukunftsnarrative nicht mit Ereignissen (events), sondern mit nodes, also einer Art von Knotenpunkten, die mehr als nur eine mögliche Fortführung einer bestimmten Situation erlauben. Solche Knotenpunkte können in jedem Narrativ vorkommen, wobei Domsch eben jene betrachtet, die generell in Spielen und insbesondere in Video- und Computerspielen auftauchen. Dabei unterstreicht er die Fluidität zwischen den Begriffen Narrativ und Spiel, denn für ihn wandeln Knotenpunkte jedes Narrativ in „a game of sorts between the creator and the user“ (S. 2), und Domschs Begriff des storyplaying unterstreicht diesen weichen Übergang zwischen Spiel und Erzählung: „Some things are played as games, and some things are read as narrative, and sometimes, a thing is both. The latter is what is called storyplaying“ (S. 3).

Domschs Ansatz ist in der kognitiven Narratologie verankert, denn als Kriterium für ein Narrativ betrachtet er „the user’s mental linking of (at least) two events and the creation of a storyworld“ (S. 2). Gleichzeitig ist er mit der Behandlung von Narrativen in ‚neuen‘ Medien auch der transmedialen Narratologie verpflichtet; dementsprechend bespricht er in der Einführung Videospiele auch als Medium. Hierbei führt Domsch eine Typologie ein, die zum einen zwischen passiven Medien (passive media) und Medien mit aktiven Knotenpunkten (actively nodal media) und zum anderen zwischen statischen und dynamischen Medien unterscheidet (S. 7). Videospiele unterscheiden sich durch ihre aktiven Knotenpunkte von passiven Medien wie Film und Literatur: In Letzteren erlauben die ‚Regeln‘ für das Benutzen dieser Medien es nicht, dass das mehrmalige Rezipieren eines bestimmten ‚Textes‘ zu verschiedenen Versionen der Geschichte führt; in Videospielen hingegen sind solche Unterschiede beim mehrmaligen Spielen aufgrund ihrer aktiven Knotenpunkte möglich. Zudem kategorisiert Domsch Videospiele als dynamische Medien, die, anders als statische Medien, eine eigene zeitliche Dimension haben: In Videospielen schreitet Zeit (teilweise) ohne das Eingreifen der Spieler voran (entsprechend kategorisiert Domsch z.B. Filme ebenfalls als dynamisch, Romane als statisch). Das ist auch einer der entscheidenden Unterschiede zwischen Videospielen (die aktive Knotenpunkte aufweisen und dynamisch sind) und anderen Spielen wie Karten- oder Brettspielen, die zwar auch aktive Knotenpunkte verwenden, aber statisch sind. Wie Domsch feststellt (S. 8f.), wird diese letztgenannte Unterscheidung in der Forschung bisher nicht oft gemacht, obwohl sie sehr produktiv ist.

Narrative in Videospielen

Nach dieser allgemeinen Einführung widmet sich Domsch den Themen „Video Games and Narrative“ (Kapitel 2), „Non-Unilinear Gameplay in Video Games“ (Kapitel 3) und „Non-Unilinear Narrative in Video Games“ (Kapitel 4), die man als ersten großen Teil des Buches zusammenführen könnte, der sich hauptsächlich mit Narrativen in Videospielen auseinandersetzt. Kapitel 2 beginnt dabei mit einer allgemeinen Beschäftigung mit narrativen Elementen und gameplay-Elementen (d.h. den Elementen, die die Interaktionsmöglichkeiten in Spielen vorgeben). Wie für solche Diskussionen üblich, erwähnt Domsch an dieser Stelle die Debatte zwischen so genannten ‚Narratologen‘ und ‚Ludologen‘, die die game studies stark geprägt hat. Er umgeht diese nicht immer fruchtbare Debatte allerdings gekonnt, indem er sich nicht damit beschäftigt, was Videospiele sind, sondern stattdessen davon ausgeht, dass einige (und sogar die meisten) Videospiele Narrative oder narrative Elemente beinhalten. Interessant ist hierbei auch, dass Domsch zur Erklärung der Verwandtschaft von narrativer Fiktion und Videospielen ein Kriterium heranzieht, das sonst oft als Beleg für die ‚Andersartigkeit‘ von Spielen verwendet wird: Die Existenz von Regeln. Diese sieht Domsch stattdessen als „common denominator between fiction and games“, denn „[b]oth fictional propositions and game rules are suggestions to accept an ‚as if situation“ (S. 14).

Daran anschließend bespricht Domsch die Semantisierung von Strukturen in Spielen durch die Spieler, was zu der Erfahrung eines Spiels als Spielwelt (gameworld) führt, als „a fictional world with its own self-contained meaning and rules“ (S. 18). Durch die Besprechung u.a. von Realismus, Immersion und dem Vermitteln von Informationen in Spielen zeigt er auf, inwiefern fiktionale Welten in Videospielen als storyworlds verstanden werden können, dabei aber erweitert durch die interaktiven Elemente eines Spiels insgesamt zu einer Spielwelt werden: „A gameworld is the state of the game system and the storyworld throughout a specific run of that game as perceived by the player“ (S. 30). Die narrativen Elemente von Videospielen werden im Abschnitt 2.2 detailliert beschrieben: Domsch bespricht passive Formen (Exposition, cut scenes und Ladebildschirm), Formen mit aktiven Knotenpunkten (Spielerhandlungen, quick time events, Dialogbäume und event trigger) sowie dynamische Formen (Nicht-Spielercharaktere und timed events). In einem anschließenden kurzen Exkurs schlägt er vor, zwischen den narrativen Möglichkeiten eines Spiels und der konkreten narrativen Erfahrung des Spiels zu unterscheiden: Die ‚Architektur‘ des Spiels wäre demnach die Gesamtstruktur aller narrativen Möglichkeiten, während ein einzelner ‚Durchlauf‘ (run) die konkrete Realisierung des einmaligen Durchspielens ist und das ‚Protokoll‘ wiederum dessen aufgezeichnetes Ergebnis (S. 48).

Kapitel 3 behandelt „Non-Unilinear Gameplay“, d.h. Nonlinearität im Design von Videospielen. Eine gewisse Nonlinearität ist in praktisch allen Spielen vorhanden, jedoch gibt es große Unterschiede bezüglich des konkreten Ausmaßes an Nonlinearität, die ein Spiel gewähren kann, und eben jene Unterschiede bespricht Domsch im Detail. Dafür identifiziert er zunächst verschiedene Beobachtungsebenen (levels of observation) in Spielen, wobei hier – im Rückgriff auf eine Ebenenunterscheidung von Hans-Joachim Backe – besonders der Unterschied zwischen Sub- und Mikrostruktur schlüssig aufgezeigt wird (während Backes Begriff der Makrostruktur für Domsch weniger relevant ist). Auf der Ebene der Substruktur finden sich die Handlungsmöglichkeiten, die ein Spieler jederzeit besitzt, während erst auf der Ebene der Mikrostruktur diese Möglichkeiten ‚valorisiert‘ werden, d.h. es kommen auf dieser Ebene Ziele für den Spieler hinzu, wodurch die Handlungsmöglichkeiten an Bedeutung gewinnen. Durch diese Unterscheidung wird deutlich, dass ein Spiel zwar viele Entscheidungen in der Substruktur des gameplay erlauben kann, diese dann aber nicht zwingend Auswirkungen auf der höheren Ebene der Mikrostruktur haben müssen. Im Anschluss beschreibt Domsch zum einen nichtlineare Existenten eines Spiels (d.h. die Materialität eines Spiels, die Optionen für Spieler und die Konsequenzen von Handlungen), zum anderen nichtlineare Ziele, also all das, was das Spiel den Spielenden als zu erreichendes Ziel vorgibt.

Kapitel 4 widmet sich dem für Videospiele charakteristischen Phänomen des nichtlinearen Erzählens, wobei der Begriff zunächst in Abgrenzung zur (Nicht-)Linearität von z.B. Romanen definiert wird. Domsch verwendet dafür speziell den Begriff des ‚nicht-unilinearen‘ Erzählens (non-unilinear narration), das er von einem Erzählen abgrenzt, das er ‚achronologisch‘ nennt (a-chronological narration). Für nicht-unilineare Erzählungen ist entscheidend, dass sie sich nicht in eine konkrete Chronologie bringen lassen (was bei achronologischen Erzählungen hingegen der Fall ist, auch wenn diese zunächst nicht in der chronologischen Reihenfolge präsentiert werden). Diese Art von Nichtlinearität ist in Zukunftsnarrativen wie Videospielen grundsätzlich durch Knotenpunkte gegeben, denn diese sind „always non-unilinear in the sense that at least at one point they provide a minimum of two options for continuation and therefore two ‚lines of narrative“ (S. 75). Während also z.B. in einem nach Domsch achronologischen Film wie Pulp Fiction, den er hier als Beispiel heranzieht, die Geschichte zwar nicht in der chronologischen Reihenfolge präsentiert wird, eine solche Chronologie aber in einer eindeutigen Weise rekonstruiert werden kann, gibt es bei Texten mit Knotenpunkten durch die Verzweigungen, die in der Geschichte entstehen, mehr als eine mögliche Abfolge, daher also der Begriff der nicht-unilinearen Erzählung. Diese Nicht(uni)linearität untersucht Domsch insbesondere im Bezug auf quest-Narrative. Die quest ist eine spezifische Aufgabe, die Spieler gestellt bekommen, wobei sich verschiedene quest-Typen (quest-Ketten, obligatorische Haupt-quests und optionale Neben-quests) unterscheiden lassen. Quest-Ziele lassen sich oft auf mehreren alternativen Wegen erreichen, wobei sich aus unterschiedlichen Lösungswegen unterschiedliche Konsequenzen ergeben können, was ein Charakteristikum der Nichtlinearität in Videospielen ist.

Jenseits von quests sind nichtlineare narrative Möglichkeiten aber auch in der Gestaltung der Hauptfigur eines Spiels gegeben, ebenso wie in der Erkundung des „navigable space“ (S. 98), des Spielraums eines Videospiels. Das Unterkapitel zu Figuren bespricht die Möglichkeiten, die Spieler haben, ihre Spielfigur zu modifizieren, z.B. indem sie bei einem ‚Levelaufstieg‘ entscheiden, ein bestimmtes Attribut einer Figur zu verbessern (etwa Stärke statt Geschicklichkeit) oder eine neue Fähigkeit zu erlernen. Diese Erläuterungen sind nicht immer so überzeugend wie jene zu quests, da nicht durchgehend ersichtlich wird, welchen Einfluss solche Attributänderungen letztlich auf die Erzählung eines Spiels haben. Die Untersuchung des Raums in Videospielen bringt hingegen spannende Einsichten hervor, denn der Raum ist im Computerspiel bedeutungskonstituierend, wobei Domsch auch in diesem Zusammenhang auf die Rolle des Rezipienten hinweist: „In video games, spaces tell their own stories, that is, they provoke the player to construct these stories within their minds“ (S. 99). Größtenteils gibt dieser Abschnitt aber Erkenntnisse von Henry Jenkins’ Ansatz von Videospielen als „Narrative Architecture“ (2004) wieder, erweitert durch den Aspekt der Dopplung der Spielerwahrnehmung von space, den auch Espen Aarseth schon angesprochen hat (2001, 157), ohne diesen Darlegungen viel Neues hinzuzufügen (vgl. S. 108). Einleuchtend ist dagegen Domschs Vorschlag, Jenkins’ etwas unscharfe Kategorie der enacting stories und der damit verbundenen micronarratives im Rückgriff auf das Konzept des event trigger als „an action performed by a player that triggers a narratively relevant event that would not have occurred or started without this action“ zu präzisieren (S. 100).

Wahlmöglichkeiten in Videospielen

Im Anschluss an diese drei Kapitel, die sich grundlegend mit Narrativität von Videospielen befassen, behandelt Domsch in zwei Kapiteln mit den Titeln „Choice and Narrative in Video Games“ (Kapitel 5) und „Narrative’s Contrast Agent: Moral Choices“ (Kapitel 6) noch spezifischer den Aspekt von Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten in Videospielen, also die Möglichkeit, zwischen den verschiedenen Fortsetzungen eines Knotenpunktes wählen zu können. In Kapitel 5 erläutert er zunächst, welche Wahlmöglichkeiten in Videospielen gegeben sein können, um im Anschluss deren Bedeutungspotenzial zu diskutieren: Zwar könnten diese Entscheidungen theoretisch nur aufgrund von gameplay-Elementen getroffen werden, doch „[i]n actual gameplay performances, gameplay rationality is often influenced or even substituted by the player’s considerations of the meaning of a choice situation“ (S. 125). Dies erweitert die Betrachtung der formalen Ebene von Wahlmöglichkeiten in Spielen um den wichtigen Aspekt der Bedeutung von den möglichen Entscheidungen für den Sinnzusammenhang eines Spiels. In diesem Kontext spielt auch eine Rolle, welche und wie viele Informationen die Spielenden im Augenblick der Entscheidung über die jeweiligen Konsequenzen der verschiedenen Handlungsoptionen haben. In diesem Abschnitt behandelt Domsch u.a., wenn auch etwas kurz, die interessanten Phänomene (Un)Zuverlässigkeit und interne Fokalisierung in Videospielen (S. 132-136). Abschließend wird noch einmal umfangreich der Zusammenhang zwischen Wahlmöglichkeiten und ihren (möglichen) Konsequenzen in Videospielen besprochen, wobei hier u.a. die Frage nach der Irreversibilität von Entscheidungen (insbesondere im Bezug auf den Tod des Spielercharakters) besonders interessant ist.

Im sechsten Kapitel führt Domsch diese Gedanken in Bezug auf Entscheidungen fort, die Spieler aufgrund von moralisch-ethischen Überlegungen treffen. Dies kann eine Moral betreffen, die innerhalb der Spielwelt eines bestimmten Spiels Sinn ergibt oder auch solche moralischen Überlegungen, die sich auf die reale Lebenswelt beziehen. Interessant ist dies z.B. besonders dann, wenn eine bestimmte Wahlmöglichkeit von den gameplay-Elementen her die beste zu sein scheint, zugleich aber moralisch fragwürdig ist. Dieser Aspekt hebt damit besonders hervor, inwiefern die Bedeutungsebene für das Treffen von Entscheidungen relevant ist, denn: „Player choices, if they are perceived as having a moral value, cannot but be understood as choices within a fictional world, which is why they can be used as a contrast agent to test video game’s [sic] abilities to give their players agency over the narratives they experience“ (S. 148). Domsch erarbeitet daran anschließend ein begriffliches Instrumentarium, um die ethische Dimension von Spielmechaniken analytisch erfassen zu können. Schließlich erörtert er die ethische Dimension mancher solcher Wahlmöglichkeiten, insbesondere die Unterscheidung, was als gut in einem Spiel erachtet und was generell als moralisch gut verstanden werden kann. Die Implementierung solcher moralischer Elemente in Spielen ist mitunter recht problematisch (S. 165), was auch die unterschiedlichen Systeme von Moralvorstellungen, die danach kurz besprochen werden, zeigen. Insgesamt nutzt Domsch dieses Kapitel schlagkräftig, um das Spannungsfeld zwischen den internen Regeln eines Spielsystems und deren Bedeutung für die Spieler aufzuzeigen: „[M]oral choice situations are among the most interesting examples of a close if problematic connection between a game’s rule structure and the meaning that it ascribes to this structure through its presentation“ (S. 167).

Abschließend widmet sich Domsch in einem letzten Kapitel der „Future of Storyplaying“ (Kapitel 7). Dabei spekuliert er über die Zukunft von Videospielen bezüglich medienökonomischer und medientechnologischer Aspekte sowie in Bezug auf das künstlerische Potenzial von Videospielen als Medium. Hier sticht besonders Domschs Argument hervor, dass eine größere Bereitschaft zur Dekonstruktion von typischen Elementen von Videospielen für weitere Innovationen im Medium wichtig sei. Seine Ausführungen enden entsprechend mit dem Plädoyer, dass Spiele sich von dem strikten Beharren auf Gewinnen und Verlieren lösen müssten und es mehr „unwinnable games“ (S. 180) geben sollte.

Fazit

Insgesamt stellt Sebastian Domsch in Storyplaying einen beeindruckend umfassenden Ansatz zur Analyse von narrativen Elementen in Videospielen vor. Die Einordnung von Videospielen als Zukunftsnarrative, die mit Knotenpunkten arbeiten, ist sehr schlüssig, und darüber hinaus erscheint ein Einbeziehen des Konzepts der Zukunftsnarrative in die Narratologie letztlich als fruchtbarer Ansatz. Doch auch wenn man außerhalb dieses Theorierahmens Videospiele narratologisch betrachten wollte, bietet Domschs Studie viele relevante und wichtige Aspekte, die zum besseren Verständnis von Narrativität in Videospielen beitragen (u.a. die Unterscheidung in dynamische und statische Medien, die Typologisierung verschiedener narrativer Formen, die Bedeutung von verschiedenen Beobachtungsebenen und Sub- und Mikrostrukturen, die Schwerpunkte auf Semantisierung, Valorisierung und Bedeutungspotenzial usw.). Zum Teil bezieht sich Domsch in seiner Darstellung auf die Arbeiten anderer Wissenschaftler und baut auf diesen auf, doch generell wäre eine noch stärkere Anbindung an existierende Forschung möglich gewesen. So wird zwar auf einige einschlägige Werke der game studies des Öfteren Bezug genommen, auf eine Reihe weiterer Arbeiten zum Thema Narrativität und Interaktivität / Nonlinearität in Videospielen von game studies-Forschern wie beispielsweise Espen Aarseth, Marie-Laure Ryan, Ian Bogost oder Julian Kücklich hätte man jedoch noch ausführlicher eingehen können. Auch eine stärkere Kontextualisierung in der Narratologie wäre an manchen Stellen wünschenswert, so wäre beispielsweise eine Bezugnahme auf David Hermans Story Logic (2002) in der Besprechung von storyworlds und gameworlds (S. 18, 28) naheliegend gewesen.

Die einzelnen Erläuterungen in Domschs Monographie sind ausnahmslos sehr gut nachvollziehbar und anschaulich gehalten und somit sowohl für Narratologen als auch für Forscher in den game studies relevant sowie auch für ‚Fachfremde‘ verständlich, zumal Domsch eine bemerkenswerte Zahl verschiedener Spiele als Beispiele heranzieht, um seine Begrifflichkeiten zu erklären. Insgesamt werden in Storyplaying vor allem narrative Formen beschrieben, die typisch für Videospiele sind, was für eine Einführung in das Thema auch angemessen ist – man könnte sich aber darauf aufbauende Forschung vorstellen, die sich eingehender mit der Analyse einzelner Spiele beschäftigt. In solchen Einzelanalysen ließen sich einige Begrifflichkeiten und Konzepte stärker schärfen als es in einer Studie mit allgemeinerer Zielsetzung möglich ist. Anhand von Fallbeispielen ließe sich auch der Frage nachgehen, ob eine formal komplexe Spielstruktur (wie sie z.B. auf S. 88 für das Spiel Skyrim [Bethesda Game Studios 2011] erwähnt wird) letztlich auch tatsächlich zu einem komplexen, interessanten und in sich bedeutsamen Narrativ führt. Doch dies ist vielleicht tatsächlich eher eine Aufgabe für zukünftige Forschungsarbeiten, die auf den Erkenntnissen dieses Bandes aufbauen. Insgesamt überzeugt Sebastian Domschs Studie zweifellos als Einführung in den Begriff des storyplaying und als Erläuterung der Konzeption von Videospielen als Zukunftsnarrative. Zugleich stellt der Autor ein wichtiges und äußerst produktives Handwerkszeug bereit, um Narrativität, Nonlinearität und agency in Videospielen differenziert zu analysieren.

Literatur- und Medienverzeichnis

Aarseth, Espen (2001): „Allegories of Space. The Question of Spatiality in Computer Games“. In: Markku Eskelinen / Raine Koskimaa (Hg.), Cybertext Yearbook 2000. Saarijärvi, S. 152-171.

Bethesda Game Studios (2011): Skyrim. USA Bethesda Softworks.

Bode, Christoph / Dietrich, Rainer (2013): Future Narratives. Theory, Poetics, and Media-Historical Moment. Berlin / Boston.

Herman, David (2002): Story Logic. Problems and Possibilities of Narrative. Lincoln.

Jenkins, Henry (2004): Game Design as Narrative Architecture“. In: Noah Wardrip-Fruin / Pat Harrigan (Hg.), First Person. New Media as Story, Performance, and Game. Cambridge, S. 118-130.



Stefan Schubert, M.A.
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