Matthias Brütsch

Ist Erzählen graduierbar?

Zur Problematik transmedialer Narrativitätsvergleiche

Comparing the narrativity of different texts within a given medium usually implies a focus on the narrated and how the story is structured by the discourse. Comparing the narrativity of different media, on the other hand, requires both an examination of the way the story is presented as well as of questions of mediacy and narrative agency. Addressing the second topic, this paper seeks to classify transmedial comparisons according to their criteria for evaluating narrativity and to examine positions which regard literature as a medium possessing a higher degree of narrativity or in a stricter sense than film and drama. Wolf Schmid’s model of narrative constitution serves as a theoretical framework for the critical review of this claim, and the exceptional case of backward narration is discussed in exemplifying central points of the argument put forth here.

Einleitung

Neben der Analyse von Strukturen, Instanzen oder Ebenen narrativer Werke haben Narratologen wiederholt auch ganz grundsätzlich nach dem Wesen des Erzählens gefragt und den Versuch unternommen, das Narrative an sich zu definieren, einen Prototyp davon zu entwerfen oder dessen konstitutive Elemente zu bestimmen. Dabei helfen sollte einerseits eine Abgrenzung zu nicht-narrativen Textsorten, andererseits ein Vergleich zwischen Texten, deren Narrativität als unterschiedlich stark ausgeprägt bewertet wurde. Diesem Vorgehen liegt die Annahme zu Grunde, dass Erzählen graduierbar sei. Mit einer zunehmend transmedialen Ausrichtung der Narratologie sind Fragen der Definition, Abgrenzung und Qualifizierung des Erzählens noch stärker ins Blickfeld gerückt, erfordert ein medienübergreifender Ansatz doch, das Studienobjekt und dessen Reichweite neu zu fassen. Im Gegensatz zu den intramedialen Vergleichen (die sich in der Regel auf verbalsprachliche Erzählungen beschränken) stehen bei der Gegenüberstellung unterschiedlicher Medien, um die es in diesem Beitrag gehen soll, weniger das Erzählte und seine diskursive Strukturierung im Vordergrund als vielmehr Fragen der Mittelbarkeit und des Darstellungsmodus.

Ich möchte im Folgenden die inzwischen recht zahlreichen transmedialen Narrativitätsvergleiche nach ihren Kriterien und Ergebnissen gruppieren, um anschließend diejenigen Positionen, die mir problematisch erscheinen, kritisch zu hinterfragen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werde ich mich dabei auf Literatur, Film und Drama1 konzentrieren (die auch bei den meisten der besprochenen Autoren im Vordergrund stehen), wobei zumindest einige der Befunde auf weitere Medien, die mit Bildserien oder Live-Performances operieren – etwa Comics oder Pantomime – übertragbar erscheinen. Im Fokus der Analyse wird die Kohärenz der Erzählmodelle stehen, die den Vergleichen zugrunde liegen. Zur Veranschaulichung meiner Kritik werde ich an verschiedenen Stellen auf ein konkretes Erzählmuster – die chronologische Inversion – Bezug nehmen. Theoretisch fundiert werden meine Ausführungen durch Wolf Schmids Modell der narrativen Konstitution, das schließlich auch die Basis für den Vorschlag einer Neudefinition des Erzählens bildet.

I.

Schon bevor der Begriff „Narrativität“ eingeführt wurde und Verbreitung fand,2 war die Frage, welche Medien als narrativ einzustufen sind, Gegenstand mehr oder weniger ausführlicher Erörterungen, insbesondere in der deutschen Romantheorie des 20. Jahrhunderts.3 In dieser Tradition legten verschiedene Autoren (z. B. Käte Friedemann, Käte Hamburger oder Franz Stanzel) Wert darauf, „die Gattungszüge des Romans von jenen des Dramas […] abzuheben“ (Stanzel 1955, 3). Dabei diente die angeblich fehlende Mittelbarkeit als Hauptkriterium, um dem Drama die erzählerische Funktion abzusprechen und es so vom Roman abzugrenzen:

Wo eine Nachricht übermittelt, wo berichtet oder erzählt wird, begegnen wir einem Mittler, wird die Stimme eines Erzählers hörbar. Das hat bereits die ältere Romantheorie als Gattungsmerkmal, das erzählende Dichtung vor allem von dramatischer unterscheidet, erkannt. (Stanzel 1979, 15)

Die Betonung der Mittelbarkeit des Romans bei Friedemann oder Stanzel ist vor dem Hintergrund normativer Forderungen von Autoren wie Friedrich Spielhagen (1883) oder Percy Lubbock (1921) zu sehen, die sich für objektive Erzählformen mit minimaler oder unsichtbarer Erzählerpräsenz ausgesprochen hatten. In ihrer Extremform ging diese Position davon aus, dass Geschichten so dargeboten oder „gezeigt“ werden können, dass sie sich ohne vermittelnde Instanz von selbst erzählen:

I speak of his „telling“ the story, but of course he [the author] has no idea of doing that and no more; the art of fiction does not begin until the novelist thinks of his story as a matter to be shown, to be so exhibited that it will tell itself. (Lubbock 1921, 62)

Hauptanliegen von Autoren wie Friedemann oder Stanzel war, das Valorisieren bestimmter literarischer Erzählformen auf Kosten anderer als ungerechtfertigt zu entlarven. Dies taten sie, indem sie die Absenz des Erzählers für den Fall der verbalen literarischen Erzählung als Illusion enthüllten – und zwar nicht zuletzt durch Verweis auf das Drama als eine Repräsentationsform, die sich tatsächlich durch Unmittelbarkeit auszeichne.

Die geschilderte Position findet sich nicht nur in der prästrukturalistischen Romantheorie (zu der Stanzel im Wesentlichen noch zu zählen ist), sondern auch bei prominenten Vertretern der strukturalistischen Narratologie, allen voran Gérard Genette.4 Seine Ausgrenzung des Dramas aus dem Bereich des Narrativen folgt in einem ersten Schritt demselben Schema:

[B]ereits der Begriff des showing – wie der der narrativen Darstellung oder Nachahmung und wegen seines naiv visuellen Charakters sogar mehr noch als dieser – [ist] völlig illusorisch: Im Gegensatz zur dramatischen Darstellung kann keine Erzählung ihre Geschichte „zeigen“ oder „nachahmen“. (Genette 1972, 116-117)

In „Frontières du récit“ wie auch im Nouveau discours du récit definiert Genette „Erzählung“ zudem explizit als „Repräsentation […] durch Sprache“ respektive „sprachliche Übermittlung“ (1966, 152; 1983, 200, Herv. i. O.), wodurch die verbale Ausdrucksform als Bedingung für Narrativität, die bei Friedemann und Stanzel lediglich impliziert war, explizit hinzukommt. Zudem macht er deutlich, dass für ihn nicht nur das Drama, sondern auch der Film, Comic Strip oder Photo-Roman nicht als narrative Gattungen aufzufassen sind.

Schematisch lässt sich die beschriebene Position wie folgt darstellen:

Position 1

Mittelbarkeit

Erzähler / Erzählinstanz

Mimesis / Imitation / Showing

> Narrativität

Literatur

ja

ja

nein

> ja

Film

nein

nein

ja

> nein

Drama

nein

nein

ja

> nein



Die unterschiedlichen Aspekte erscheinen in dieser Sichtweise eng verknüpft: Mittelbarkeit und verbaler Diskurs bedingen einander gegenseitig, genauso wie Mimesis / Imitation / Showing und bildliche / szenische Darstellung. Umgekehrt schließen sich verbaler Diskurs und Mimesis / Imitation / Showing (mit Ausnahme der Wiedergabe von Dialog) gegenseitig aus, genauso wie bildliche / szenische Darstellung und Mittelbarkeit. Als Vermittlungs- (und somit Erzähl-)instanz kommt folgerichtig einzig ein verbaler Erzähler infrage.5

II.

Eine zweite Position, die wichtige Annahmen der ersten übernimmt und lediglich in einem wesentlichen Punkt von ihr abweicht, findet sich in erzähltheoretischen Schriften neueren Datums, für die ebenfalls Narratologen literaturwissenschaftlicher Provenienz verantwortlich zeichnen. Autoren wie Ansgar und Vera Nünning (2002, 6-7), Wolf Schmid (2005, 11-19, 273-274), Werner Wolf (2002) oder Irina Rajewsky (2007) gehen von einer engen und einer weiten Narrativitäts-Definition aus. Die Kriterien für die enge Definition entsprechen dabei denjenigen, die die erste Position für Narrativität überhaupt aufgestellt hat: Verbalität, Mittelbarkeit und Vorhandensein eines Erzählers / einer Erzählinstanz. Im Gegensatz zur ersten Position werden in einer weiten Definition Filme, Theaterstücke oder Comic Strips als narrativ eingestuft. Gleichzeitig bleibt jedoch, wie folgende Zitate zeigen, die Annahme bestehen, dass in diesen Medien Geschichten ohne Erzählinstanz, also unvermittelt präsentiert werden:

Legt man einen engen Begriff von Narrativität zugrunde, so sind nur solche Textsorten als ,narrativ’ zu bezeichnen, die nicht bloß eine story haben, sondern auch das Merkmal der Mittelbarkeit bzw. der erzählerischen Vermittlung aufweisen. In diesem Falle werden nur solche Texte bzw. Genres zum Gegenstandsbereich gezählt, in denen verbal erzählt wird und eine erzählerische Vermittlungsinstanz in Erscheinung tritt. (Nünning u. Nünning 2002, 6-7)
Medien: Hier ist zu unterscheiden zwischen Medien, die Narratives über eine Erzählinstanz vermitteln und so Erzählungen produzieren können, d.h. im wesentlichen verbale mündliche oder schriftliche Kommunikation, und solchen, die Geschichten (in der Regel) ohne Erzählinstanz realisieren, also Theateraufführung, bildliche Medien, Film usw. (Wolf 2002, 39)
Erzählende Texte (= narrative Texte im engeren Sinne): Die Geschichte wird von einem Erzähler erzählt. Mimetische Texte: Die Geschichte wird ohne vermittelnde Erzählinstanz dargestellt. (Schmid 2005, 19, Herv. i. O.)

Das angebliche Fehlen einer Vermittlungsinstanz ist der Grund dafür, dass Film, Theater oder Comic Strip nur bedingt Aufnahme in die Reihe narrativer Medien finden, oder dass ihnen – wie etwa bei Wolf, der ein Narrativitätsgefälle von der Literatur zum Drama, Film / Comic Strip und zu den Bildserien hin annimmt – nur vermindertes narratives Potential zugestanden wird.6

Die schematische Darstellung der zweiten Position zeigt, dass die Grundannahmen der ersten Position bezüglich der Frage, wie Film und Drama Geschichten „darstellen“, unverändert bleiben. Der einzige Unterschied besteht darin, dass auch die angeblich unvermittelte, mimetische Darbietung als in einem erweiterten Sinn narrativ bewertet wird:

Position 2

Mittelbarkeit

Erzähler / Erzählinstanz

Mimesis / Imitation / Showing

> Narrativität

Literatur

ja

ja

nein (nur Dialog)

> ja (eng)

Film

nein

nein

ja

> ja (weit)

Drama

nein

nein

ja

> ja (weit)



III.

Der Theaterwissenschaftler Manfred Pfister und der Filmwissenschaftler Markus Kuhn können als Repräsentanten einer dritten Position betrachtet werden, die gegenüber der zweiten wiederum Wesentliches beibehält (so den Unterschied zwischen enger und weiter Definition von Narrativität sowie die Zuordnung der Literatur zu ersterer und des Dramas zu letzterer), die in einem wesentlichen Punkt – der Einschätzung des Films – jedoch eine deutliche Differenz markiert. Dieser wird nämlich nicht mehr als rein mimetische Erzählform ohne Vermittlungsinstanz, sondern als narrativ im oben genannten engeren Sinn verstanden:

Durch die variable und bewegliche Kamera sind im Film Umstellungen in der Chronologie des Erzählten (vgl. zum Beispiel die Technik der „Rückblende“), Zeitraffung und -dehnung, topographische Verschränkungen, Veränderungen des Bildausschnittes und der Darstellungsperspektive möglich, wie wir sie aus narrativen Texten kennen, die ja im Gegensatz zu dramatischen Texten ein ‚vermittelndes Kommunikationssystem‘ aufweisen, das solche raum-zeitliche Manipulationen erst ermöglicht. Die variable und bewegliche Kamera im Film stellt also ein vermittelndes Kommunikationssystem dar, erfüllt eine Erzählfunktion […]. Der Betrachter eines Films wie der Leser eines narrativen Textes wird nicht, wie im Drama, mit dem Dargestellten unmittelbar konfrontiert, sondern über eine perspektivierende, selektierende, akzentuierende und gliedernde Vermittlungsinstanz – die Kamera, bzw. den Erzähler. (Pfister 1977, 48)

In unserem Schema ergibt dies folgende Einteilung:

Position 3a

Mittelbarkeit

Erzähler / Erzählinstanz

Mimesis / Imitation / Showing

> Narrativität

Literatur

ja

ja

nein (nur Dialog)

> ja (eng)

Film

ja

ja

nein / nur teilweise

> ja (eng)

Drama

nein / nur teilweise

nein / nur teilweise

ja

> ja (weit)



Bezüglich der Zubilligung von Narrativität an nichtverbale (respektive genauer: nicht rein verbale) Medien geht Seymour Chatman im Vergleich zu Position 3a in einem Punkt einen Schritt weiter, in einem anderen hingegen einen Schritt weniger weit. Für den Autor von Coming to Terms (1990) werden filmisch und dramatisch dargestellte Geschichten genauso durch eine Erzählinstanz vermittelt wie literarische – mit dem einzigen Unterschied, dass diese Instanz als unpersönliche aufzufassen ist:

Once we decide to define Narrative as the composite of story and discourse (on the basis of its unique double chronology), then logically, at least, narratives can be said to be actualizable on the stage or in other iconic media. […] I would argue that every narrative is by definition narrated – that is, narratively presented – and that narration, narrative presentation, entails an agent even when the agent bears no signs of human personality. (Chatman 1990, 114-115)7

Anders als Kuhn und Pfister subsumiert Chatman aber nicht nur das Theater, sondern auch den Film weiterhin unter den mimetischen Darstellungsformen und betrachtet diese lediglich in einem erweiterten Sinn als narrativ (Chatman 1990, 111, 115).8 Das Drama erscheint bezüglich Narrativität somit gleichberechtigt neben dem Film, beide stehen durch die Unterscheidung von enger und weiter Definition gegenüber der Literatur jedoch weiterhin leicht zurück:

Position 3b

Mittelbarkeit

Erzähler / Erzählinstanz

Mimesis / Imitation / Showing

> Narrativität

Literatur

ja

ja

nein (nur Dialog)

> ja (eng)

Film

ja

ja

ja

> ja (weit)

Drama

ja

ja

ja

> ja (weit)



Eine fünfte Position (die auf unserer Skala jedoch die Nummer 4 zugewiesen bekommt, da 3a und b gleichauf erscheinen) postuliert einerseits (wie Chatman) eine vermittelnde Erzählinstanz für sämtliche Erzählmedien und stellt andererseits die ausschließliche Zuordnung zur mimetischen Darbietungsform nicht nur des Films (wie Kuhn), sondern auch des Dramas in Frage. In dieser Sichtweise, die mit unterschiedlicher Akzentsetzung von Autoren wie Albert Laffay (1948, 1964), Christian Metz (1964, 1966a, 1966b), André Gaudreault (1988, 1990), André Gaudreault / François Jost (1990), Manfred Jahn (2001), Brian Richardson (2007), Jan Alber und Monika Fludernik (2009) vertreten wird, gibt es im Blick auf den Grad der Narrativität keine wesentlichen Unterschiede mehr zwischen Literatur, Film und Drama.9

Position 4

Mittelbarkeit

Erzähler / Erzählinstanz

Mimesis / Imitation / Showing

> Narrativität

Literatur

ja

ja

nein (nur Dialog)

> ja (eng)

Film

ja

ja

nein / nur teilweise

> ja (eng)

Drama

ja

ja

nein / nur teilweise

> ja (eng)



IV.

In meinen bisherigen Ausführungen habe ich nur Positionen in Betracht gezogen, die sich in ihren Narrativitätsdefinitionen auf Merkmale der narrativen Kommunikation respektive des Repräsentationsmodus beziehen. Solche „discours-bezogene“ Definitionen können von „histoire-bezogenen“ unterschieden werden, die primär auf Aspekte des Erzählten (und nicht des Erzählens) rekurrieren (vgl. Gaudreault 1988, 33-36; Schmid 2005, 11-12; Kuhn 2012, 64-70). Bei letzteren werden oft Minimalvorgaben formuliert, z. B. Darstellung eines Ereignisses (Genette 1966, 1; 1982, 14-15), Darstellung von zwei Ereignissen in zeitlicher Sequenz, aber ohne zwingende kausale Verknüpfung (Prince 1982, 4), oder es wird mit einer Reihe von Narrativitäts-Konditionen operiert, die neben Ereignishaftigkeit, Wandel und Zeitlichkeit (was in oben genannten Minimaldefinitionen zumindest impliziert ist) auch Aspekte enthalten wie das Etablieren einer Welt mit absichtsvoll handelnden Individuen, die über ein mentales und emotionales Innenleben verfügen (Ryan 2007, 28-30).

Was das Erzählte mindestens umfassen muss, um die Rede von einer Erzählung zu rechtfertigen, ist für unsere Fragestellung nicht entscheidend. Wichtig erscheint hingegen der Umstand, dass histoire-bezogene Definitionen, obwohl auch sie nicht ganz medienunabhängig sind, Narrativität prinzipiell medienübergreifend fassen. So ist die Darstellung einer Ereignisabfolge in sämtlichen bisher erwähnten Medien möglich und die eines singulären Ereignisses darüber hinaus auch in Medien ohne Zeitdimension wie der Malerei, Fotografie oder Teilen der bildenden Kunst. So gesehen müssten sämtliche Autoren, die mit histoire-bezogenen Definitionen operieren, eigentlich Position 4 zugerechnet werden.

Eine nähere Betrachtung der entsprechenden Schriften macht jedoch schnell deutlich, dass die transmediale Offenheit histoire-bezogener Definitionsanteile durch discours-bezogene Ergänzungen meist sogleich wieder eingeschränkt wird. So gilt Ereignisdarstellung bei Genette, wie wir gesehen haben, nur als narrativ, wenn sie verbal vermittelt wird (1966, 152), und bei Prince nur, wenn ein Erzähler sie vermittelt (1987, 58). Selbst Ryan, die sich explizit für eine medienunabhängige Definition von Narrativität einsetzt (2004, 5) und ihren Fokus dabei auf das Erzählte und seine Strukturierung legt, bringt Diskursmodi und Repräsentationsformen wieder ins Spiel, sobald es um die Frage geht, welchem Medium das größte Erzählpotential zugebilligt werden kann. Und obwohl sie angetreten war, sprachzentristische Ansätze zu überwinden, kommt sie mit Verweis auf die „overwhelming storytelling superiority of language“ (Ryan 2009, 278) zum Schluss, Literatur stelle die „unmarked, standard manifestation“ respektive „fullest form of narrativity“ (Ryan 2004, 13, 35) dar. Diese Haltung liegt auf unserer Skala näher bei den Positionen 2 und 3 (die zwischen Narrativität im engen und weiten Sinn unterscheiden) als bei Position 4 (die keine solche Abstufung vornimmt).

V.

Wie meine Auflistung gezeigt hat, herrscht große Einigkeit darüber, welche Aspekte für die Konstitution von Narrativität im engen Sinn als ausschlaggebend zu erachten sind: Mittelbarkeit, Präsenz einer Erzählinstanz, Absenz (oder zumindest keine Dominanz) der mimetischen Darbietungsform. Unterschiede bestehen lediglich in der Frage, ob neben der Literatur auch der Film und das Theater diese Bedingungen ganz oder teilweise erfüllen. Um zu entscheiden, welcher der genannten Positionen der Vorzug zu geben ist, erscheint es somit angezeigt, diese drei Themenkomplexe (die, wie bereits erwähnt, eng verknüpft sind) genauer zu betrachten.

Beginnen wir mit der Mittelbarkeit und einigen Zitaten von Vertretern der Positionen 1, 2 und 3a, die dieses Narrativitätskriterium der Literatur respektive der Literatur und dem Film vorbehalten wollen.

‚Wirklich‘ im dramatischen Sinne ist ein Vorgang, der eben jetzt geschieht, von dem wir Zeuge sind, und dessen Entwicklung in die Zukunft wir mitmachen. ‚Wirklich‘ im epischen Sinne aber ist zunächst überhaupt nicht der erzählte Vorgang, sondern das Erzählen selbst. (Friedemann 1910, 25, Herv. i. O.)
A dramatic performance representing events does not constitute a narrative since these events, rather than being recounted, occur directly on stage. (Prince 1987, 58)
[S]ieht sich der Rezipient eines dramatischen Textes unmittelbar mit den dargestellten Figuren konfrontiert, so werden sie ihm in narrativen Texten durch eine mehr oder weniger stark konkretisierte Erzählerfigur vermittelt. (Pfister 1977, 20)

Gemäß diesen Zitaten wohnen wir im Theater direkt den dargestellten Ereignissen bei, sehen auf der Bühne fiktive Figuren agieren und die Geschichte sich entwickeln, während uns bei der Lektüre literarischer Texte all dies nur indirekt, vermittels verbalen Erzählerberichts, erreicht. Geht man jedoch davon aus, dass Geschichten (wie auch die fiktiven Figuren und Ereignisse, die sie beinhalten) lediglich als mentale Repräsentationen existieren, da sie immer erst in der Vorstellung der Rezipienten entstehen, so erscheint diese Sichtweise unhaltbar. Auf der Bühne agieren nicht Figuren an fiktiven Schauplätzen, sondern Schauspieler vor Theaterkulissen. Im Kino ist die Vermittlung, zumindest im Spielfilm, gar doppelt, denn das einzige, womit wir dort unmittelbar konfrontiert werden, sind Bilder und Töne, die jedoch nicht einmal fiktive Figuren und Gegenstände, sondern lediglich Schauspieler und Requisiten abbilden. Es ist die Darstellung und nicht das Dargestellte, das wir auf Bühne und Leinwand wahrnehmen. Somit können wir festhalten, dass schon auf einer ganz grundsätzlichen Ebene der medialen Transmission und Fiktionalisierung im Bezug auf Drama und Film keine Rede davon sein kann, dass Rezipienten unmittelbar mit der Geschichte konfrontiert werden.

Nun kann man dieser Kritik gegenüber einwenden, die Gegenüberstellung von „mittelbare[r] Erzählung“ und „unmittelbare[m] Drama“ (Stanzel 1979, 15) sei anders gemeint. Rajewsky (die Position 2 vertritt) spricht in diesem Zusammenhang von „Missverständnissen“,

denn die Rede von der ,Unmittelbarkeit’ des Dramas mag die Tatsache verschleiern, dass dem Drama natürlich dennoch, wie jeder Medialisierung, eine ,faktische’ Mittelbarkeit unterliegt, die aus kommunikationstheoretischer Sicht an das äußere Kommunikationssystem [zwischen Autor und Rezipient] gebunden ist. Zu beachten ist also stets, dass die Rede von der ,Unmittelbarkeit’ des Dramas nicht auf dessen grundsätzliche Medialität und Ästhetisierungsfunktion, sondern allein auf den dramatischen Modus der Präsentation von Geschichten zielt. Abgehoben wird folglich auf die Annahme, dass innerhalb des fiktionalen Universums des Dramas eine (dem Redekriterium entsprechende) Vermittlungsinstanz gerade nicht anzusetzen ist, die Figuren vielmehr ,direkt‘ und ,unmittelbar‘, d. h. nicht durch den Äußerungsakt einer weiteren, fiktionsinternen Instanz vermittelt bzw. generiert, vor unseren Augen agieren. […] Um Missverständnissen hinsichtlich der Verwendungsweise des Begriffs der ,Mittelbarkeit’ vorzubeugen, wird hier daher vorgeschlagen, in Bezug auf den spezifischen Kommunikationsmodus i. e. S. narrativer Texte vom Konzept einer innerhalb des fiktionalen Universums ,gestalteten Mittelbarkeit‘ zu sprechen, um die von Stanzel intendierte Mittelbarkeit von der ,faktischen Mittelbarkeit‘ zu unterscheiden, die nicht nur Erzähltexten, sondern jeder Form der Medialisierung, mithin auch dem Drama unterliegt. (Rajewsky 2007, 41, Herv. i. O.)

Abgesehen davon, dass auch die Annahme einer nur „faktischen Mittelbarkeit“ im Sinne einer „grundsätzliche[n] Medialität“ nicht mit der Aussage vereinbar ist, dass im Theater „Figuren […] vor unseren Augen agieren“, überzeugt Rajewskys Unterscheidung einer „gestalteten“ von einer „faktischen“ Mittelbarkeit weder terminologisch noch inhaltlich. Einerseits suggeriert die Wortwahl, dass Medialisierung und Gestaltung Gegensätze darstellen, wo sich beide Prozesse doch bedingen. Andererseits legt die Gegenüberstellung nahe, dass sich gestalterische Eingriffe, die über grundlegende Medialisierungs- und Ästhetisierungsprozesse hinausgehen, nur durch persönliche Vermittlungsinstanzen und deren verbalsprachliche Äußerungsakte bewerkstelligen lassen. Hier berühren wir bereits einen Punkt, der beim Thema Erzählinstanz weiter zu erörtern sein wird. Ich möchte ihn, vorerst noch auf die Frage der Mittelbarkeit beschränkt, anhand einer bestimmten Darstellungsstrategie, der episodischen Inversion in „Rückwärtserzählungen“ diskutieren.

Es gibt sowohl in der Literatur (z. B. Christopher Homm von C. H. Sisson, 1965) als auch in Theater und Film (z. B. Betrayal von Harold Pinter, 1978, und seine filmische Adaption)10 Werke, die die Ereigniskette in rückwärtiger Reihenfolge präsentieren, also mit dem Ende der Geschichte beginnen, sich von Episode zu Episode „zurückarbeiten“, um mit ihrem Anfang zu schließen. In allen drei Fällen wird die Geschichte auf spezielle Weise, nämlich „rückwärts“ vermittelt.11 Diese Art der Mittelbarkeit steht jedoch nicht in direktem Zusammenhang mit der grundlegenden Medialität in oben genanntem Sinn (also der Verbalität, Audiovisualität oder Live-Darbietung durch Schauspieler), sondern stellt eine ihr „übergeordnete“ oder „vorgeschaltete“ Kompositionsleistung dar, die in den drei Medien auf vergleichbare Weise zustande kommt, auch wenn nur im einen Fall ein verbalsprachlicher Erzähler dafür verantwortlich zeichnet. Trotzdem könnte sie nach Rajewskys Einteilung nur in ihrer literarischen Manifestation der „gestalteten Mittelbarkeit“ zugerechnet werden, während sie in filmischer und dramatischer Darbietungsform der „faktischen Mittelbarkeit“ zuzurechnen wäre. Die „faktische Mittelbarkeit“ erweist sich somit als heterogene Kategorie, der einerseits grundlegende Prozesse der Medialisierung, andererseits (für Theater und Film) Prinzipien der Komposition zugerechnet werden, während zur „gestalteten“ Mittelbarkeit lediglich literarische Kompositionsprozesse gezählt werden.

Ich habe mit Absicht ein eher seltenes Extrembeispiel gewählt, um anschaulich zu machen, dass Film und Drama ihre Geschichten auch in einem engen, „gestalteten“ und nicht nur in einem weiten, „medialen“ Sinn vermitteln, möchte aber sogleich hinzufügen, dass dieser Befund nicht auf Erzählexperimente wie die Umkehr der Ereignisabfolge beschränkt ist, sondern, wie noch detaillierter zu zeigen sein wird, allgemeine Gültigkeit beanspruchen kann.

VI.

Wenden wir uns der Frage nach dem Erzähler respektive der Erzählinstanz zu. Hier fällt als erstes auf, dass alle fünf Positionen davon ausgehen, dass Mittelbarkeit und Erzählinstanz einander bedingen, denn niemand vertritt die Meinung, dass das eine ohne das andere auftreten kann. Hingegen geht Position 1 davon aus, dass es Geschichten ohne dazugehörige Erzählungen gibt, und Positionen 2 und 3a, dass es Erzählungen (im weiten Sinn) ohne Erzählinstanz geben kann. Wie kommen die entsprechenden Autoren zu diesen Befunden? Diese Frage kann nicht beantwortet werden, ohne bereits das dritte Kriterium der Narrativitätsvergleiche, die Unterscheidung zwischen mimetischer und diegetischer Darbietungsform, ins Spiel zu bringen. Das Argument läuft im Kern nämlich darauf hinaus, dass Geschichten nicht nur erzählt, sondern auch „dargestellt“, „repräsentiert“ respektive „gezeigt“ werden können. Für Position 1 kann in diesen Fällen nicht mehr von Erzählen die Rede sein, für Position 2 und 3a zwar noch von Erzählen im weiten Sinn, jedoch nicht mehr von Vermittlung durch eine Erzählinstanz.

Gegenüber Position 1 lässt sich als erstes einwenden, dass die getroffene Unterscheidung schon terminologisch fragwürdig ist, denn eine verbale Schilderung kann gemäß verbreitetem Sprachgebrauch genauso als „Darstellung“ oder „Repräsentation“ bezeichnet werden wie eine audiovisuelle oder szenische Darbietung. Handelt es sich um erfundene Geschichten, so müsste ohnehin eher von „Präsentation“ als von „Repräsentation“ gesprochen werden – ein Begriff, der sich noch weniger dazu eignet, verbale von nichtverbalen Darbietungen zu unterscheiden.

Nicht weniger problematisch erscheint es, dem Erzählen ein Imitieren oder Zeigen gegenüberzustellen. Bei der Etablierung dieses Gegensatzes wird stets auf Platon verwiesen, der im 3. Buch der Politeia bei der Frage nach der Form dichterischer Rede die Begriffe Diegesis (Erzählung) und Mimesis (Nachahmung) eingeführt hat. Nach Platon gilt es zu unterscheiden, ob der Dichter in seinem eigenen Namen spricht oder beim Zuhörer den Eindruck zu erwecken trachtet, dass nicht er, sondern eine der Figuren spricht. Eine genaue Lektüre der entsprechenden Textpassage offenbart jedoch, dass – entgegen der Darstellung in etlichen narratologischen Schriften12 – diese beiden Redeformen vom antiken Philosophen nicht mit Diegesis und Mimesis gleichgesetzt werden. Diegesis und Mimesis sind, wie Gaudreault schon 1988 in einer detaillierten Analyse des platonschen Begriffsgebrauchs aufgezeigt hat (53-70), keineswegs als Gegensatz konzipiert. Vielmehr ist Mimesis eine Unterkategorie der Diegesis. Platon stellt nämlich nicht Diegesis und Mimesis einander gegenüber, sondern drei Formen der Diegesis: eine die ganz ohne Mimesis auskommt (lyrische Dichtung), eine die teilweise (das Epos) und eine die ganz (Drama und Komödie) auf Mimesis baut. Letztere sind für Platon trotz Rekurs auf Nachahmungen nicht weniger durch ein übergeordnetes Aussagesubjekt hervorgebrachte Erzählreden als die Erste.

Weiter ist für unseren Zusammenhang wichtig, dass Platon nirgends davon ausgeht, dass die Figuren direkt zu uns sprechen, denn selbst dort, wo der Dichter diesen Eindruck zu erwecken sucht, spricht natürlich immer noch er selbst. Und sprechen ist durchaus wörtlich gemeint, denn zu Platons Zeiten wurden nicht nur Drama und Komödie, sondern auch Epos und lyrische Dichtung mündlich einer versammelten Zuhörerschaft vorgetragen.13

Mit Platon lässt sich das Argument also nicht untermauern, dass sich mimetische Darbietungsform und Narrativität gegenseitig ausschließen. Aber auch abgesehen von der fehlenden Fundierung in der antiken Philosophie14 offenbart der Gegensatz Probleme, sobald man die (meist nur ansatzweise skizzierten) Modelle genauer betrachtet, die mit ihm operieren. So hat etwa Genette seine oben bereits zitierte Auffassung, dass Theater und Kino Geschichten nicht erzählen, sondern „imitieren“ respektive „zeigen“, in einem Brief an Gaudreault folgendermaßen präzisiert:

[F]ür mich gibt es keine dramatische oder filmische Erzählung. Das Theater erzählt nicht, es ‚rekonstruiert‘ auf der Bühne eine Geschichte, und das Kino zeigt auf der Leinwand eine auf dem Filmset ebenfalls ‚rekonstruierte‘ (tatsächlich natürlich konstruierte) Geschichte. (Zit. in Gaudreault 1988, 29, Übersetzung M. B.)15

Wie ist diese Aussage zu interpretieren? Wörtlich genommen würde sie bedeuten: Auf Bühne und Filmset liegt bereits die Geschichte vor, die den Zuschauern im Theater live und im Kino durch audiovisuelle Aufzeichnung raumzeitlich versetzt gezeigt wird. Wie ich bei der Diskussion der Mittelbarkeit bereits angemerkt habe, erscheint es nicht angezeigt, der Geschichte oder dem Dargestellten eine physische Existenz außerhalb der Wahrnehmung und Vorstellung der Rezipienten zuzubilligen.16 Ist mit Zeigen gemeint, etwas bereits Bestehendes en bloc vorführen, so lässt sich der Begriff keinesfalls auf Geschichten anwenden. Auf der Ebene einzelner Handlungen, Gegenstände und Figuren kann allenfalls von Zeigen die Rede sein, allerdings auch da nur im übertragenen Sinn, sobald es sich um fiktionale Darstellungen handelt. Denn eigentlich zeigen Theater und Film nur, was auf der Bühne real vorhanden ist respektive Bilder davon, was auf dem Filmset real vorhanden war.

Noch problematischer erscheint die Vorstellung, dass Geschichten „imitiert“ werden können. Schauspieler können Gestik, Mimik und Rede anderer Menschen nachahmen.17 Im übertragenen Sinn kann man allenfalls davon sprechen, dass sie fiktive Figuren imitieren. Aber wie soll ein Bühnenstück oder ein Film eine Geschichte nachahmen?

Will man vermeiden, dem zitierten Autor, bei dem es sich immerhin um den wichtigsten Vertreter der klassischen Erzähltheorie handelt, eine naive Sichtweise zu unterstellen, so muss „auf der Bühne eine Geschichte konstituieren“ respektive „auf der Leinwand eine konstituierte Geschichte zeigen“ großzügiger interpretiert werden, etwa in dem Sinn, dass sich den Zuschauern durch das auf Bühne und Leinwand Gezeigte die Geschichte erschließt. Somit wäre aber das, was dort vorliegt, genau wie auf den Buchseiten des Romans, die Erzählung respektive Darstellung und nicht das Erzählte respektive Dargestellte.

Da das Objekt „Geschichte“ nicht zu ihnen passt, erweisen sich die Verben „zeigen“ und „imitieren“ als untaugliche Pendants zu „erzählen“. Mit der Wendung „eine Geschichte konstituieren“ kann der erwünschte Distinktionseffekt jedoch auch nicht erzielt werden, denn sie lässt sich genauso gut auf die Worte eines Romans beziehen und erscheint somit – wie schon „darstellen“ oder „(re)präsentieren“ – als terminologisches Ausweichmanöver, um den Begriff „erzählen“ um jeden Preis der Literatur vorzubehalten.

Genettes Konzeption der mimetischen Darbietungsform erweist sich in einem weiteren aufschlussreichen Punkt als problematisch. Beim Film geht der Autor ja davon aus, dass die „Geschichte“ nicht nur (wie beim Theater) schon bei der Aufführung vor Publikum, sondern gar schon auf dem Filmset konstituiert sei. Auch hier gebietet der Anstand von einer wörtlichen Auslegung abzusehen. Selbst bei wohlwollender Interpretation lässt sich der Eindruck jedoch nicht vermeiden, dass wesentliche Aspekte der filmischen Gestaltung ignoriert werden, wenn die ganze Postproduktion (worunter so wichtige Arbeitsschritte wie Montage und Sounddesign fallen) auf das „Zeigen einer bereits konstituierten Geschichte“ reduziert wird.18

VII.

Um deutlich zu machen, dass die Art und Weise, wie Film und Theater Geschichten hervorbringen, höchstens am Rande etwas mit Zeigen oder Imitieren zu tun haben, möchte ich an dieser Stelle Wolf Schmids Modell der narrativen Konstitution einführen (2005, 241-272). Es stellt eine Erweiterung der üblichen Gegenüberstellung von Geschichte und Erzählung dar. Schmid unterscheidet darin zwischen Geschehen, Geschichte, Erzählung und Präsentation der Erzählung. Die Geschichte ist das Resultat einer Auswahl von Geschehensmomenten und Qualitäten aus der unendlichen Fülle an potentiellen Situationen, Personen und Handlungen. Die Erzählung ist das Resultat der Komposition (z. B. zeitlichen Permutation) dieser ausgewählten Momente. Und für die Präsentation der Erzählung konstitutiv ist in der Literatur die Verbalisierung, im Film die Audiovisualisierung und im Theater die Live-Inszenierung. Medienspezifische Operationen kommen also erst im Übergang zur „letzten“ Stufe zum Zug, alle „vorhergehenden“ sind weitgehend medienunabhängig.19

Wo ist nach diesem Modell ein Zeigen oder Imitieren anzusiedeln? Weder die Auswahl spezifischer Geschehensmomente und Eigenschaften noch die Komposition dieser Elemente in eine bestimmte Anordnung stellt ein Verfahren dar, bei dem diese Aktivitäten eine Rolle spielen. Lediglich beim Schritt hin zur Präsentation der Erzählung sind sie von Bedeutung, aber selbst da nicht ausschließlich, denn der film- und theaterspezifische Diskurs- oder Darstellungsmodus besteht nicht nur aus dem Nachahmen durch Schauspieler und dem Zeigen einzelner Handlungen und Schauplätze.

Das Beispiel Betrayal kann auch hier wieder Anschauungsunterricht leisten. Die Umkehr der Ereignisabfolge stellt eine Operation dar, die dem Übergang von der Geschichte zur Erzählung und nicht dem medienspezifischen „letzten“ Schritt von der Erzählung zur Präsentation der Erzählung zuzuordnen ist. Und dieser Operation liegt natürlich eine Selektion von Ereignissen aus dem amorphen Geschehen zugrunde. Bei literarischen Werken macht Schmid für Operationen dieser Art genauso einen Erzähler verantwortlich wie für den „letzten“, medienspezifischen Vorgang der Verbalisierung – und zwar unabhängig davon, ob diese Erzählinstanz und ihre Aktivität explizit hervorgehoben ist oder nicht.

Somit wird, wie schon bei Rajewskys Unterscheidung zwischen „faktischer“ und „gestalteter“ Mittelbarkeit, eine Asymmetrie sichtbar, für die Schmid keine Rechenschaft ablegt. Bei der Diskussion der Narrativität behauptet er, nur die literarische Erzählung zeichne sich durch Mittelbarkeit und Präsenz einer Erzählinstanz aus, während in Film und Drama Geschichten mimetisch dargestellt würden. In seinem Modell der narrativen Konstitution sind medienspezifische Darstellungsformen (zu denen mimetische zu zählen sind) jedoch nur auf der „letzten“ von drei Transformationsstufen möglich. Selbst unter der Annahme, auf dieser Stufe, deren konstituierendes Verfahren aus der „Wiedergabe der medial noch nicht manifestierten Erzählung [in einem bestimmten] Medium“ (Schmid 2005, 243) besteht, dominierten in Film und Drama tatsächlich mimetische Formen, blieben immer noch zwei medienunspezifische Stufen, bei denen nicht nachvollziehbar ist, wie sie – im Gegensatz zur Literatur – ohne vermittelnde Erzählinstanz auskommen sollen. Dass es ohne erzählerische Vermittlung nicht geht, lässt sich nur schon daran ablesen, dass (in raumzeitlicher Metaphorik gesprochen) „zwischen“ Geschichte und Rezipient nicht nur die Medialisierung, sondern auch die Komposition der ausgewählten Geschehensmomente – in unserem Beispiel Betrayal die Umkehr der Ereignisabfolge – anzusetzen ist.

Positionen 1 und 2 schreiben diese Kompositionsleistung bei Drama und Film, sofern sie überhaupt beachtet wird, in der Regel einfach den realen Autoren zu, während sie bei literarischen Erzählungen selbst dort einer davon unterschiedenen Erzählinstanz angerechnet wird, wo sich diese aus den beschriebenen Transformationsverfahren lediglich implizit ableiten lässt (im Sinne Chatmans also „verdeckt“ operiert).20 Der Widerstand gegen die Vorstellung einer filmischen oder theatralen Erzählinstanz lässt sich also weder durch ihre Gestaltungsfunktionen (die auf zwei von drei Ebenen dieselben sind wie in der Literatur) noch die Art ihrer Manifestation (die in der Literatur genauso implizit sein kann) hinreichend erklären. Ausschlaggebend scheint vielmehr die mangelnde Bereitschaft dafür, auch unpersönliche, nicht anthropomorphe Varianten der Erzählinstanz zuzulassen. Diese Haltung erklärt den – zumindest für Filmnarratologen – auf den ersten Blick irritierenden Umstand, dass Autoren wie Schmid (2005, 11-19) oder Wolf (2002, 47) „Erzähler“ und „Erzählinstanz“ als austauschbare Synonyme verwenden. Eine Begründung für diese Einschränkung, die zumindest von Autoren der Position 2 (die nichtverbale Erzählformen vorsehen) zu erwarten wäre, sucht man jedoch vergebens.

Die realen Autoren auf dieser Ebene narratologischer Abstraktion ins Spiel zu bringen, erscheint jedoch wenig hilfreich – oder es müsste konsequenterweise auch bei literarischen Erzählungen so verfahren werden, was heißen würde: Erzähler, die gleichzeitig hetero- und extradiegetisch sind, werden mit den realen Autoren gleichgesetzt.21 Damit würden jedoch einfach diese zu Erzählinstanzen, was das Problem nicht löst, sondern nur verschiebt.22

Es lassen sich weitere Ungereimtheiten der Positionen 1 und 2 anfügen. So etwa der Umstand, dass Autoren der Position 1 Erzählung und Geschichte in semiotischer Terminologie als bilaterales Begriffspaar Signifikant / Signifikat bezeichnen (Genette 1972, 72), andererseits aber Geschichten ohne Erzählungen postulieren – ganz so, als ob es Dargestelltes ohne Darstellung oder Repräsentiertes ohne Repräsentation geben könnte. Oder die mangelnde (Sprach-) Logik von Position 2, die Film und Theater zwar eine Erzählaktivität zubilligt, der dafür zuständigen Instanz jedoch die Bezeichnung Erzählinstanz verweigert.

Autoren, die Position 2 zuneigen, bringen neben den Hauptkriterien Mittelbarkeit, Präsenz einer Erzählinstanz und Absenz von Mimesis vereinzelt weitere Faktoren ins Spiel. So etwa Wolf und Ryan, die beide die Ansicht vertreten, Literatur sei deshalb narrativer als Film und Drama, weil sie den narrativen Integrationszusammenhang (etwa Zeit- und Kausalbezüge) expliziter vermittle (Wolf 2002, 52-53, 95) respektive vermitteln könne (Ryan 2004, 10-11, 15). Die erhöhte Narrativität wird dabei mit dem „verminderten Grad an rezipientenseitig nötiger Narrativierung“ (Wolf 2002, 95) begründet. Es mag zutreffen, dass literarischen Erzählungen qua Erzählerrede teilweise explizitere Aussageformen zur Verfügung stehen als filmischen und dramatischen, wie sehr diese davon Gebrauch machen, hängt jedoch vom Einzelwerk ab. Zudem erscheint grundsätzlich fragwürdig, weshalb eine höhere Implikationstätigkeit auf Rezipientenseite (die überdies zu großen Teilen schematisiert abläuft) eine verminderte Narrativität begründen soll.23

VIII.

Nach dieser Generalkritik an den ersten beiden Positionen24 möchte ich den Fokus nun auf die verbleibenden drei verlagern. Bezüglich 3a und b kann ich mich kurz fassen, denn ihre Auffassungen decken sich entweder mit 2 (und wurden somit schon beanstandet) oder mit 4 (und können deshalb bei der Diskussion dieser Position betrachtet werden). Lediglich zwei Punkte seien kurz angesprochen: Durch die Relativierung des Mimesis / Diegesis-Gegensatzes und den Wegfall der Differenzkriterien Mittelbarkeit und Erzählinstanz verliert auch die Unterscheidung zwischen enger und weiter Definition von Narrativität, an der 3a und b festhalten, ihre Berechtigung.

Bleibt noch die Frage, ob dem Film mit seiner Vielzahl an Gestaltungs- und Diskursmöglichkeiten, von denen Pfister im oben aufgeführten Zitat einige erwähnt, nicht doch höhere Narrativität zuzuschreiben ist als dem Theater. Zwar kann nicht verneint werden, dass der Film „Umstellungen in der Chronologie“, „raum-zeitliche Manipulationen“ oder „Veränderungen […] der Darstellungsperspektive“ (Pfister 1977, 48) deutlich leichtfüßiger zustande bringt als das diesbezüglich eher schwerfällig wirkende Theater. Dass dieses dazu gar nicht in der Lage sein soll, kann jedoch – etwa durch unser Beispiel Betrayal – leicht widerlegt werden. Im Theater wird zwar nicht von Einstellung zu Einstellung, aber von Szene zu Szene (und erst Recht von Akt zu Akt) festgelegt, welches Ereignis der Geschichte den Zuschauern aus welcher Perspektive vermittelt wird. Dass die Tradition der Einheit von Zeit, Ort und Handlung über Epochen hinweg ein Ausschöpfen dieses Potentials stark behindert hat, ändert nichts an seinem grundsätzlichen Vorhandensein.25 Wenn Operationen der genannten Art beiden Medien zur Verfügung stehen (und es wiederum vom Einzelwerk abhängt, wie stark davon Gebrauch gemacht wird), so erscheint es nicht angezeigt, bezüglich Narrativität in dieser Hinsicht von Vornherein eine Rangordnung zu etablieren.

Durch das bisher Gesagte dürfte klar geworden sein, dass mir einzig Position 4 schlüssig erscheint. Allerdings besteht auch hier – zumindest in einem Punkt – Klärungsbedarf. Literatur- und Theaterwissenschaftler, die sich gegen die Vorstellung zur Wehr setzen, das Drama sei nur bedingt oder gar nicht narrativ, bringen oft Formen der „Episierung“ ins Spiel, die sich v. a. im modernen Theater des 20. Jahrhunderts ausgebreitet haben. Neben Brechts Werk wird dabei auf Stücke wie Thornton Wilders Our Town (1938), Tom Stoppards Travesties (1974) oder Peter Shaffers Amadeus (1979) verwiesen, in denen die Haupthandlung durch Kommentare, Reflexionen und Berichte von Spielleitern oder Erzählerfiguren gerahmt ist (vgl. z. B. Nünning / Sommer 2008).26

Wer dem Drama volle und nicht nur bedingte Narrativität zubilligen will, muss jedoch einen Schritt weitergehen und nicht nur in solchen Fällen, sondern generell eine dramatische Erzählinstanz ansetzen, die für Selektion, Arrangement, Perspektivierung etc. der vorgeführten Ereignisse verantwortlich zeichnet (= Position 4). Nun weist Rajewsky, die selber Position 2 vertritt, zu Recht darauf hin, dass Jahn (den ich mit gewissen Abstrichen Position 4 zurechne) diese Erzählinstanz auf problematische Art und Weise mit der Funktion und Position vermischt, die Erzählerfiguren mit Bühnenpräsenz zukommt. In seiner Analyse von Pericles schreibt Jahn:

Introducing himself as a narrator figure on the communicative level of fictional mediation, Gower exerts an uncommon amount of […] ‚conative solicitude‘: he addresses the audience, […] advertises the story’s didactic purpose […], adds some verbal decor which establishes story-HERE and story-NOW, and finally asks the spectators to see and judge for themselves. Later in the play, Gower reappears as a perceptive moderator who introduces each of the remaining acts and eventually speaks the epilogue, closing the play’s mediating frame. As long as he is physically present, he is an overt narrator, and in the scenes in which he is physically absent, he is the behind-the-scene shower-agency in control of selection, arrangement, and presentation. Basically, then, an ‚absolute drama‘ (Pfister’s default type of play) is like […] Pericles without the figure of Gower but not without the function of Gower. (Jahn 2001, 671, Herv. i. O.)

Jahn geht also davon aus, dass eine Erzählerfigur die Funktion der für die dramatische Erzählung insgesamt verantwortlichen Instanz zur Gänze ausfüllen kann, und zwar sogar alternierend zwischen expliziter und lediglich impliziter Bühnenpräsenz. Noch expliziter kommt die Vorstellung einer gleichwertigen Rangordnung von Erzählerfigur und unpersönlicher Erzählinstanz an folgender Stelle zum Ausdruck:

All narrative genres are structurally mediated by a first-degree narrative agency which, in a performance, may either take the totally unmetaphorical shape of a vocally and bodily present narrator figure […] or remain an anonymous and impersonal narrative function in charge of selection, arrangement, and focalization. (Jahn 2001, 674)

In der Filmwissenschaft hat sich schon lange die (aufs Theater übertragbare) Erkenntnis durchgesetzt, dass Erzählerfiguren, so eindrücklich ihre audiovisuelle (oder auch nur auditive) Erscheinung auch sein mag und so sehr sie auch vorgeben, sämtliche Erzählinhalte zu vermitteln, (fast)27 nie die Rolle der übergeordneten Erzählinstanz innehaben können.28 Dies lässt sich einerseits daran ablesen, dass sie sich als menschliche Figuren ja genauso wie literarische Erzähler verbalsprachlich äußern, die „Sprache“, in der Film und Theater erzählen, aber gerade nicht (ausschließlich) verbal ist. Andererseits können sich die Erzählerfiguren ja nicht selber inszenieren, somit muss es, sobald sie audio(visuell) in Erscheinung treten, eine ihnen übergeordnete Instanz geben, die sie vorführt. Rajewsky ist in diesem Fall also zuzustimmen, wenn sie schreibt:

[E]ine ‚overt teller figure‘ [kann] dennoch nicht den auf der inneren Spielebene szenisch, mithin performativ, im hic et nunc der Aufführungssituation ausagierten discours hervorbring[en] und insofern eben gerade nicht mit einem Erzähler in einem i. e. S. narrativen Text gleichgesetzt werden. (Rajewsky 2007, 55)

Nicht zuzustimmen ist hingegen ihrer daraus abgeleiteter Folgerung, das Drama verfüge deswegen im Gegensatz zur Literatur nicht über eine übergeordnete Erzählinstanz. Im Gegenteil, eine solche stellt, wie anhand von Schmids idealgenetischem Modell aufgezeigt werden konnte, eine theoretische Notwendigkeit dar, ohne die elementare Aspekte der narrativen Gestaltung und Vermittlung von Bühnenstücken (wie auch von Filmen) nicht befriedigend konzeptualisiert werden können.

IX.

Ich möchte die Diskussion der transmedialen Narrativitätsvergleiche mit einem neuen Definitionsvorschlag abschließen, der die von Schmid modellierten narrativen Transformationen, die in bisherigen Begriffsbestimmungen nur impliziert sind, explizit macht. Erzählen ist demnach als Aktivität aufzufassen, die zwingend mindestens folgende (idealgenetisch zu verstehende) Prozesse umfasst: Auswahl von Geschehensmomenten und -eigenschaften aus dem amorphen Geschehen, Komposition (Permutation und gegebenenfalls Linearisierung) dieser Selektion sowie Präsentation dieser Komposition (respektive künstlichen Anordnung) in einem bestimmten Medium. Selbst eine Minimaldefinition wie „Repräsentation von zwei Ereignissen“ setzt all diese Transformationsprozesse voraus, denn ohne Selektion gibt es keine Ereignisse, ohne Komposition keine Abfolge, in der die Ereignisse präsentiert werden können, und ohne Präsentation in medialer Form keine vom Rezipienten wahrnehmbare Erzählung.

Diese Explikation macht deutlich, dass Geschichten (die in Schmids Modell der Auswahl von Geschehensmomenten und -qualitäten entsprechen) in keinem Medium unvermittelt den Rezipienten erreichen können und Erzählen in sämtlichen Medien mit Prozessen der Selektion, Gestaltung, Organisation und Vermittlung von Geschehensmaterial verbunden ist, die sinnvollerweise einer (je nach Medium persönlich oder unpersönlich aufzufassenden) Erzählinstanz zugeschrieben werden. Zur Unterscheidung der verschiedenen medialen Manifestationen genügt es zudem, von verbalem, audiovisuellem respektive dramatischem Erzählen zu sprechen. Darüber hinausgehende oder davon abweichende terminologische Differenzierungen – z. B. „narrativ“ versus „erzählend“ (Schmid 2005, 18), Geschichten „vermitteln“ versus „realisieren“ (Wolf 2002, 42) oder „Erzählen“ versus „Zeigen“ – sind auf dieser grundlegenden Ebene weder nötig noch theoretisch fundiert.

Rajewsky beklagt in ihrem Aufsatz wiederholt eine „Tendenz, die sich in der neueren Forschung zunehmend niederschlägt, nämlich generische und medialen Differenzen zu schleifen und Gemeinsamkeiten verschiedener Gattungen und Medien auch auf Kosten der Erfassung von deren Spezifika zu stärken“ (2007, 50). Erzählinstanzen für nichtverbale Medien vorzusehen, entspringt ihrer Auffassung nach einer falschen Ausrichtung an „traditionellen, sprachbasierten Narrativitätskonzepten“, wodurch „restriktiv konzipierte Definitionen des Narrativen zu Fundierungskategorien transmedialer Narrativitätskonzepte erhoben“ werden (ebenda, 30). Aus meinen Ausführungen dürfte unschwer zu erkennen sein, dass ich genau gegenteiliger Meinung bin. Das Problem besteht nicht im Einebnen von Differenzen, sondern vielmehr darin, dass transmedial gültige Prinzipien des Erzählens (etwa die Notwendigkeit einer Vermittlungsinstanz) als distinktives Merkmal einzig des verbalen Erzählens hingestellt werden, ohne dass auch nur ansatzweise überzeugende Modelle angeboten werden, wie der Erzählprozess in nichtverbalen Medien (z. B. ohne Vermittlungsinstanz) funktionieren soll.

Die Unterschiede zwischen verbalem, audiovisuellem und dramatischem Erzählen sind groß, und es ist Aufgabe einer transmedialen Erzähltheorie, diese medienspezifischen Eigenarten im Detail zu erörtern. Ich bin jedoch der Meinung, dass die tatsächlichen Differenzen nur vor dem Hintergrund grundlegender Gemeinsamkeiten, die unvoreingenommen zu prüfen sind, adäquat gewürdigt werden können.29

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Dr. Matthias Brütsch
Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich
Affolternstrasse 56
CH-8050 Zürich
E-Mail: bruetsch@fiwi.uzh.ch
URL: http://www.film.uzh.ch/team/oberassistierende/bruetsch.html

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1„Drama“ steht im ganzen Text für die Theateraufführung (auch von Komödien) und nicht für den gedruckten Text des Bühnenstückes.

2Interessanterweise war es mit Christian Metz ein Filmwissenschaftler, der Begriff und Konzept der Narrativität Mitte der 1960er Jahre in drei Aufsätzen eingeführt und diskutiert hat (1964, 1966a, 1966b), die schon damals einen transmedialen Ansatz vertraten (vgl. Gaudreault 1990). Bei Narratologen literaturwissenschaftlicher Provenienz scheinen diese frühen Texte von Metz weitgehend unbekannt, wie etwa Porter Abbotts Eintrag zu „Narrativity“ im Handbook of Narratology (2009) zeigt, der trotz theoriegeschichtlicher Ausrichtung keinen entsprechenden Verweis enthält.

3Vgl. Schmid 2005, 11ff.

4Weitere Autoren sind Prince (in der Erstausgabe seines Dictionary of Narratology, 1987) oder Mahler (2001).

5Die Ansichten von Claude Bremond (1964) und Roland Barthes (1966), die beide nichtverbale Medien ohne Umschweife als narrativ einstufen, waren zu ihrer Zeit eher Ausnahmeerscheinungen, die in den folgenden Jahrzehnten – jedenfalls innerhalb der Literaturwissenschaft – „in theoretical hibernation“ (Ryan 2004, 1) versanken.

6In einem neueren Beitrag zur Frage der Narrativität in unterschiedlichen Medien (2011) äußert sich Wolf vorsichtiger und weniger konkret als im Aufsatz von 2002, in dem er explizit ein „Skalar zwischen maximaler und minimaler werkseitiger Narrativität“ (S. 96) propagiert.

7In Story and Discourse (1978) vertrat Chatman noch die Meinung, dass es „nonnarrated“ – respektive, wie der Autor selber relativiert, „minimally narrated stories“ – geben könne (146-147). Der Gegensatz zwischen nicht (oder nur minimal) erzählten und erzählten Geschichten ist bei Chatman jedoch nicht mit der Frage des Mediums, sondern der Wahrnehmbarkeit der Erzählinstanz verknüpft, die in sämtlichen Erzählmedien stärker ausgestellt oder zurückgenommen sein kann. Chatman zu unterstellen, er grenze wie Genette (1972) und Prince (1987) nichtverbale Darbietungsformen aus dem Bereich des Narrativen aus, wie dies Ryan tut (2005: 2), ist jedenfalls eine Fehlinterpretation, die missachtet, dass „narrator“ bereits in Story and Discourse als Instanz aufgefasst ist, die sowohl persönlich (wie in der Literatur) als auch unpersönlich (wie im Film) sein kann.

8Die Opposition „diegetic“ versus „mimetic texts“ entspricht bei Chatman jedoch – entgegen Schmids Darstellung (2005, 19) – keineswegs dem Gegensatz „recounting […] with the mediation of a narrator“ versus „without a mediation“, denn für Chatman werden letztere genauso durch eine Erzählinstanz vermittelt wie erstere. An der von Schmid angegebenen Stelle (Chatman 1990, 15) finden sich die Chatman zugeschriebenen Zitate jedenfalls nicht, und es erscheint zweifelhaft, dass sie überhaupt von ihm stammen.

9Korthals (2003) hinterfragt neben der Mittelbarkeit eine Reihe weiterer Differenzkriterien – etwa stoffliche Ausrichtung, Zielorientierung der Handlung, Spannung und Tempus der Darstellung – die in der Erzähl- und Dramentheorie zur Unterscheidung von Drama und Literatur vorgebracht wurden. Beide Gattungen unter dem Begriff der Erzählung (und ihre Aussagesubjekte unter dem der Erzählinstanz) zu subsumieren, geht ihm jedoch zu weit; stattdessen spricht er in beiden Fällen von „Geschehensdarstellung“ respektive „Geschehensvermittlung“.

10David Hugh Jones (Dir.) (1983): Betrayal. GB.

11Zur Rückwärtserzählung in Film, TV-Serie und Literatur vgl. Brütsch 2013.

12 Z. B. Genette 1966, 153 und 1982, 13; Schmid 2005, 19.

13Vor diesem Hintergrund erscheint Genettes Einwand gegen Platon, die Wiedergabe direkter Rede sei nicht ein Imitieren, sondern ein „Zitieren“ (1966), ungerechtfertigt, denn im mündlichen Vortrag (um den es Platon einzig ging), kann der Dichter sehr wohl Stimmlage und Intonation sowie allenfalls Gestik und Mimik der Figuren imitieren. Vgl. Gaudreault 1988, 53-70.

14Bei Aristoteles, der in der Poetik (335 v. Chr.) im Unterschied zu Platon Diegesis als Unterkategorie der Mimesis etabliert, stellen die beiden Begriffe genauso wenig Gegensätze dar.

15„[I]l n’y a pas pour moi de récit théâtral ou filmique. Le théâtre ne raconte pas, il ,reconstitue‘ une histoire sur scène, et le cinéma montre sur l’écran une histoire également ,reconstituée‘ (en fait, bien sûr, constituée) sur le plateau.“

16Mit dem Beispiel Betrayal lässt sich die Unmöglichkeit dieser Konstellation weiter untermauern. Würden Film und Theater tatsächlich in der genannten Weise operieren, so ließe sich die chronologische Inversion gar nicht realisieren, denn sie ist ein Merkmal der Darstellung und nicht des Dargestellten.

17 In diesem Sinn hat Platon den Begriff eingeführt.

18Überhaupt erscheint es wenig hilfreich, in diesem Zusammenhang mit produktionstechnischen Begriffen der Werkgenese zu operieren.

19Sämtliche Begriffe, die eine zeitliche Abfolge suggerieren, sind hier metaphorisch zu verstehen (daher die Anführungszeichen), denn Schmids Modell ist idealgenetisch angelegt, beschreibt also weder die Chronologie des Entstehensprozesses noch des Rezeptionsvorgangs. Vgl. Schmid 2005, 248-249.

20 Einzig für Genette ist in diesem Fall der Erzähler tatsächlich mit dem Autor gleichzusetzen (1972, 256).

21Wie bereits erwähnt, vertritt Genette diese Position (vgl. 1972, 256).

22Es gilt in diesem Zusammenhang folgende zwei Fragen auseinander zuhalten: 1) Ist es angebracht, für Erzählungen ohne explizite Erzählerfigur eine von den realen Autoren unterschiedene, virtuelle Erzählinstanz zu postulieren? 2) Sind nichtverbale Darbietungen von Geschichten nicht (oder nur in einem erweiterten Sinn) als narrativ einzuschätzen? Die Position von David Bordwell (1985, 61-62; 2008, 121-133) zeigt, dass man sehr wohl beide Fragen verneinen kann. In diesem Zusammenhang muss Ryans Aussage (2005, 2) relativiert werden, Bordwell sei diesbezüglich als Gegner der Positionen von Metz (1968), Chatman (1990) und Gaudreault / Jost (1990) zu betrachten. Dies trifft nur für die erste, nicht aber die zweite Frage zu.

23Falls der zu erbringende Aufwand in der behaupteten Weise ausschlaggebend sein soll, müsste umgekehrt die angebliche Unmittelbarkeit filmischer und dramatischer Darbietungen deren Narrativität erhöhen.

24Ich möchte betonen, dass meine gegenüber Autoren wie Genette, Schmid, Prince, Wolf oder Ryan geäußerte Kritik nur die jeweils angesprochenen Punkte betrifft, zumal die zwei Letztgenannten viel zu einer transmedialen Öffnung der Narratologie beigetragen haben.

25Vgl. Diezel 1999, 55-56.

26Auch Kuhn (Position 3a) gesteht dem Drama, obwohl er es grundsätzlich nur als narrativ im weiteren Sinne betrachtet, mit Verweis auf solche Formen der Episierung zu, dass es „Elemente und Segmente enthalten [kann], die man auch als narrativ im engeren Sinne einordnen kann“ (2012, 74).

27Eine Ausnahme stellen Filme dar, in denen ein Filmemacher oder eine Filmcrew als Urheber der filmischen Erzählung installiert wird, und zwar nicht implizit als rein außerfilmische Instanz und auch nicht sekundär als Autor lediglich eines Films im Film, sondern explizit und primär als Instanz, die – fiktiverweise natürlich – für sämtliche Bilder und Töne, die wir zu sehen und hören bekommen, verantwortlich zeichnet. Beispiele solcher fake documentaries sind etwa Jim McBride (Dir.) (1967): David Holzman’s Diary. USA, Robert Jan Westdijk (Dir.) (1995): Zusje [dt.: Kleine Schwester]. NL oder Rémy Belvaux / André Bonzel / Benoit Poelvoorde (Dir.) (1992): C’est arrivé près de chez vous [dt.: Mann beißt Hund] Belgien. Vgl. Brütsch 2011, 7-9.

28Vgl. zum Beispiel Gaudreault / Jost 1990, 49-56.

29Für konstruktive Kritik und nützliche Hinweise danke ich Guido Kirsten sowie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Workshops Filmnarratologie im März 2013 an der Universität Zürich.